Szenisches Verstehen und internalisierter Rassismus

Überlegungen zur Tiefenhermeneutik aus einer rassismuskritischen Perspektive

Jonas Becker

Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik • Band 30 (2024), 197–216

https://doi.org/10.30820/0938-183X-2024-30-197 CC BY-NC-ND 4.0 https://jahrbuch-psychoanalytische-paedagogik.de

Zusammenfassung: Der Beitrag bringt rassismuskritische Ansätze, psychoanalytische Perspektiven auf Rassismus und methodologische Überlegungen zur Tiefenhermeneutik miteinander ins Gespräch. Zu Beginn erfolgt eine grundlagentheoretische Verortung des Beitrags. Diese plädiert dafür, Lorenzers historisch-materialistischen Ansatz und poststrukturalistische Zugänge nicht per se in Konkurrenz zueinander zu setzen. Rassismus wird dann als Differenzsystem beschrieben, das sich in innere Prozesse übersetzt. Anknüpfend an psychoanalytische Perspektiven auf Rassismus steht hierbei das Konzept der Abwehr im Mittelpunkt. Die Auseinandersetzung mit der Tiefenhermeneutik dreht sich um die Frage, welche Schwierigkeiten sich auftun, wenn Szenisches Verstehen auf rassismusrelevante Inhalte angewendet wird. Dabei werden zunächst methodologische Überlegungen angestellt, bevor dann vier Studien thematisiert werden, die tiefenhermeneutisch an rassismusrelevanten Inhalten gearbeitet haben. Der Beitrag formuliert insbesondere theoretisch und methodologisch begründete Überlegungen zum Verhältnis von Szenischem Verstehen und Rassismus(kritik), die weiter ausgearbeitet und empirisch untersucht werden müssten.

Schlüsselwörter: Szenisches Verstehen, Tiefenhermeneutik, Internalisierter Rassismus, Rassismuskritik

1 Einleitung

Bisweilen artikulierte Sorgen, die Tiefenhermeneutik würde aus dem hochschulischen Raum verschwinden (vgl. Gerspach, 2021), scheinen sich zumindest bisher nicht zu bestätigen. Das zeigt nicht zuletzt das Interesse an Alfred Lorenzers inhaltlichem Beitrag zu Fragen, die heute im Kontext der Psychoanalytischen Pädagogik und über diese hinaus diskutiert werden. Dieses Interesse war beispielsweise in Zusammenhang mit verschiedenen Veranstaltungen und Publikationen rund um Lorenzers 100. Geburtstag im Jahr 2022 zu beobachten. Auch der vorliegende Band und Beitrag sind aus einer entsprechenden Vorlesungsreihe heraus entstanden. Das Szenische Verstehen als ein zentral mit dem Namen Alfred Lorenzer verknüpfter Verstehensmodus ermöglicht eine spezifische Art der Reflexion pädagogischer Praxis, stellt aber auch einen Zugang qualitativer Sozialforschung dar, der auf eriehungswissenschaftlich relevante Forschungsfragen angewendet werden kann.

Seit einigen Jahren nimmt zudem die Auseinandersetzung mit rassismusrelevanten Inhalten und Prozessen in pädagogischen Kontexten zu. Wie in den folgenden Kapiteln aufgezeigt, kann eine psychoanalytische Perspektive auf Rassismus eine gewinnbringende Ergänzung zu solchen aktuell in der rassismuskritischen Migrationspädagogik primär rezipierten Zugängen sein, die Rassismus vor allem als ein Phänomen im Äußeren untersuchen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass auch die Tiefenhermeneutik bereits als Forschungszugang in der Ausenandersetzung mit rassismusrelevanten Inhalten genutzt wird.

An dieser Stelle setzt der vorliegende Beitrag an. Er wirft Fragen auf, die sich ergeben, wenn die Tiefenhermeneutik zur Beforschung rassismusrelevanter Inhalte genutzt wird. Dazu werde ich in Abschnitt 2 zunächst einige theoretische Grundlagen beschreiben, die im Hintergrund meines Bezuges auf Rassismuskritik stehen. Dabei mache ich deutlich, dass und warum ich diese theoretischen Grundlagen nicht als per se in Konkurrenz zu Lorenzers Zugängen stehend denke. In Abschnitt 3 lege ich dann die hier aufgegriffene Perspektive auf das Phänomen Rassismus dar und beziehe dabei psychoanalytische Ansätze ein, die sich mit der Verinnerlichung von Rassismus befassen. In Abschnitt 4 stelle ich grundlegende methodologische Überlegungen zur Tiefenhermeneutik an und werfe auf dieser Grundlage Fragen auf, die sich aus einer rassismuskritischen Perspektive zum Verhältnis von (internalisiertem) Rassismus und Szenischem Verstehen ergeben. In Abschnitt 5 werden Studien angeführt, die sich tiefenhermeneutisch mit rassismusrelevanten Inhalten auseinandersetzen. Mit Blick auf die bisherigen Überlegungen des Beitrags werden ausgehend von den Studien einige Fragen und Gedanken formuliert. Abschnitt 6 schließt den Beitrag mit einem kurzen Ausblick. Ich verstehe den Beitrag als eine erste Annäherung an eine systematische Diskussion des Verhältnisses von Szenischem Verstehen und Rassismus(kritik), in der über die Verknüpfung der Diskussionen um Szenisches Verstehen einerseits und Rassismus(kritik) andererseits entsprechende Fragen aufgeworfen werden.

2 (M)Ein Anknüpfen an Lorenzer

Unter den Autor:innen in diesem Band gehöre ich zur Generation derer, die nicht mehr selbst bei Lorenzer studiert haben und insofern nicht an persönliche Erfahrungen aus Seminaren, Interpretationsrunden o.Ä. anknüpfen. Stattdessen beziehe ich mich in einer Art und Weise auf seine Gedanken, die sich lediglich aus dem Lesen und Diskutieren seiner Texte ergibt. Dabei setze ich die von ihm angestellten Überlegungen mit weiteren theoretischen wie empirischen Zugängen in ein Verhältnis, in die ich einsozialisiert wurde und mit denen ich arbeite. Für die Fragen, die ich in diesen Beitrag einbringen möchte, sind dies vor allem Perspektiven, die poststrukturalistischen Ansätzen zuzurechnen sind. Hierbei handelt es sich um ein Label, das uneinheitlich und durchaus diffus genutzt wird (vgl. Moebius, 2009) – und zum Teil manchmal auch vielleicht aus der Motivation heraus, sich damit auf der richtigen, weil machtkritischen, Seite wähnen zu wollen? Wenn ich hier von poststrukturalistischen Perspektiven spreche, verstehe ich darunter Ansätze, die ausgehend von den sprachtheoretischen Überlegungen Ferdinand de Saussures (1931) die darin zunächst linguistisch gedachte Unterscheidung von Signifikant und Signifikat auf den Phänomenbereich psychischer wie sozialer Zusammenhänge übertragen und dann nach dem Zusammenhang der Strukturierung des Sozialen, des Subjekts und – bei verschiedenen Autor:innen wie beispielsweise Jaques Lacan, Julia Kristeva oder Judith Butler – dessen psychischer Konstitution fragen.

Nun wird genau das von mir aufgerufene theoretische Repertoire im Fachdiskurs der deutschsprachigen Psychoanalytischen Pädagogik bisweilen mit dem Vorwurf konfrontiert, »die gestaltende Kraft von Körper und Sexualität zu verleugnen und die personale Identität allein auf soziale Formung zu reduzieren« (Dammasch, 2022, S. 342). Ein anderer Kritikpunkt ist der, dass das Moment der Konstruktion psychosozialer Zusammenhänge zu stark betont werde (vgl. Gerspach, 2022, S. 121). Sicher gibt es solche Ansätze und Tendenzen. Mit Manfred Gerspach (2021, S. 123) würde ich allerdings davon ausgehen, dass es (auch) als Instrumentalisierung »im Dienste des eigenen Affekts« sowie als inhaltliche Verkürzung einzuordnen ist, wenn etwa die Analysen Michel Foucaults – der in verschiedenen akademischen Kontexten vielleicht manchmal auch zu einer idealisierten Figur stilisiert wird – oder auch Judith Butlers auf das Schlagwort der sozialen Konstruktion reduziert und diese ausschließlich dafür angeführt werden, um auf die soziale Strukturierung von etwa vergeschlechtlichten oder rassifizierten Identitäten hinzuweisen. Ich würde hingegen die These formulieren, dass es zwischen den (post-)strukturalistischen Theoriegrundlagen sensu Foucault oder Butler auf der einen Seite und der historisch-materialistischen Perspektive, die Lorenzers sozialisationstheoretischem Zugang zugrunde liegt (vgl. aktuell hierzu van Gelder, 2022), durchaus metatheoretische Berührungspunkte gibt, wenngleich die theoretischen Gebäude unterschiedlich konstruiert sind und tatsächlich Differenzen bestehen, die sich nicht einebnen lassen, ohne die Spezifika des jeweiligen Zugangs zu verwischen (vgl. auch Naumann, 2022). Als einen solchen Berührungspunkt würde ich zum Beispiel die Sensibilisierung für das Brüchige, Widersprüchliche und Ambivalente sehen. In poststrukturalistischen Zugängen geht die theoretische Sensibilität für »ein Moment des Sinnbruchs« (Stäheli, 2000, S. 5) auf die von de Saussure entworfene und von Lacan aufgegriffene und zugespitzte Figur der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens zurück. Der Grundgedanke ist dabei der, dass das Bezeichnende (der Signifikant) und das Bezeichnete (das Signifikat) nicht natürlich oder wesensmäßig miteinander verbunden sind, sondern die Bedeutung sprachlicher Zeichen aus der Differenz der Signifikanten entsteht (vgl. zusammenfassend Koller, 2018, S. 49f.).1 Im Zugang Lorenzers ergibt sich die theoretische Sensibilität für das Brüchige aus Anschlüssen an zentrale Figuren einer historisch-materialistischen Denktradition, wie beispielsweise die auf eine Kritik kapitalistischer Verwertungslogik hin gelesene »Subjekt-Objekt-Dialektik« (Lorenzer, 1976a, S. 219), mit der Lorenzer etwa an die subjekttheoretischen Überlegungen Theodor W. Adornos (2015) andockt. So ist Lorenzers Theorie der Interaktionsformen die Frage danach eingeschrieben, was es bedeutet, sich mit dem Subjekt sowie dessen psychischer Genese und Konstitution in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft zu befassen. Vor diesem Hintergrund ist Manfred Gerspachs Einwand nachvollziehbar, der zu bedenken gibt, dass in einer poststrukturalistischen Theorielinie in der Auseinandersetzung mit Symbolisierung von Behinderung, Gender oder auch einem rassifizierenden Othering auf »die Verortung dieser Phänomene in der materialistisch deutbaren Wirklichkeit ökonomischer Machtverhältnisse […] weitgehend verzichtet« (Gerspach, 2021, S. 126) wird. Die historisch-materialistischen Analysekategorien wie Wert und Totalität (vgl. Wissen, 2017) können mit den Theorieangeboten Foucaults und Butlers etwa nicht ohne Weiteres gefasst werden. Immerhin aber weist Foucault in Überwachen und Strafen auf »Machtmechanismen, die nicht durch Abschöpfung wirken, sondern im Gegenteil durch Wertschöpfung« (Foucault, 2014, S. 281), hin. Ähnliche an eine materialistische Perspektive durchaus anschlussfähige Anklänge finden sich auch, wenn Butler in Zusammenhang mit ihrem subjektivationstheoretischen Zugang formuliert, dass die »menschliche Leidenschaft der Selbsterhaltung uns anfällig und verletzlich gegenüber denen macht, die uns unser Brot versprechen« (Butler, 2003, S. 67). Hier ist die Nähe zur Betonung der Leiblichkeit bei Lorenzer sowie dessen Rede davon, dass »Seelisches ein materielles Substrat hat« (Lorenzer, 1986, S. 48), fast greifbar. Wenn man den hier kurz angedeuteten Lesarten folgend die unterschiedlichen theoretischen Ansätze nicht gegeneinander ausspielt, sondern – unter der Beachtung ihrer Inkongruenzen miteinander in einen Dialog bringt, eröffnet sich eine Denkrichtung, die meines Erachtens außerordentlich fruchtbar sein kann. Ich versuche dies im Folgenden zu konkretisieren. Dazu stelle ich zunächst die hier angelegte Perspektive auf Rassismus dar, wobei ich aktuelle rassismuskritische Zugänge psychoanalytisch ergänze.

3 Rassismus im Außen – Rassismus im Innern

Unter Rassismus verstehe ich ein spezifisch strukturiertes Differenzsystem (vgl. Doğmuş, 2022, S. 93f.; Jording & Messerschmidt, 2022). Diese Formulierung markiert den Anschluss an die im vorherigen Absatz dargelegten Bezüge auf die (post-)strukturalistische Perspektive, psycho-soziale Zusammenhänge als komplexe Konstellation von Signifikanten zu verstehen, die darüber eine bestimmte Bedeutung entfaltet, dass sich die Signifikanten aufeinander beziehen und voneinander abgrenzen. Mit Blick auf das Differenzsystem Rassismus sind dabei insbesondere solche Differenzen relevant, die entlang natio-ethno-kultureller Unterscheidungen (wie etwa deutsch oder nicht-deutsch) und/oder rassifizierten Unterscheidungen (wie etwa weiß oder nicht weiß) strukturiert sind. Demnach, und mit Blick auf pädagogische Kontexte, wird Rassismus beispielsweise in solchen Situationen sichtbar, in denen schulische Leistungen von Kindern oder Jugendlichen mit pauschalisierenden Verweisen auf deren tatsächliche oder zugeschriebene Herkunft erklärt werden oder deren Verhalten über Zuschreibungen hinsichtlich ihrer religiösen oder kulturellen Hintergründe gedeutet wird. Um an dieser Stelle noch einmal Bezug auf die von Dammasch (2022, S. 342) geäußerte Befürchtung zu nehmen, personale Identität werde »allein auf soziale Formung« reduziert: Aus einer für die strukturelle Dimension von Rassismus sensibilisierten Perspektive besteht die Pointe gerade darin, dass bestimmten, nämlich als migrantisch oder nicht weiß gelesenen, Menschen tendenziell eine personale Identität eben nicht zugestanden wird, sondern das, was sie tun und lassen, aus spezifischen Annahmen über deren spezifische soziale Formung heraus gedeutet wird (vgl. Doğmuş, 2022, S. 86; Jording & Messerschmidt, 2022, S. 344). Über solche Praxen vollziehen sich Othering-Prozesse (vgl. Leitner & Thümmler, 2022), die Menschen – auch hier wieder bei Ausblendung ihrer personalen Identität – als andere, als exotisch und nicht genuin dazugehörig konturieren. Neben diesen Beispielen, die Ausdruck von sich in direkten Interaktionen äußernden individuellem Rassismus sind, sind auch die Ebenen von strukturellem und institutionellem Rassismus relevant (vgl. Rommelspacher, 2009, S. 30). Die Figur des strukturellen Rassismus verweist darauf, dass Rassismus eben kein singuläres Phänomen oder das individuelle Problem einzelner Menschen darstellt, sondern sich als Differenzsystem bildlich gesprochen über verschiedene gesellschaftliche Felder legt und in diese einsickert. Die Perspektive des institutionellen Rassismus fragt dann danach, wie institutionelle und organisationale Logiken sich mit rassistischen Unterscheidungslogiken verweben. Im Kontext Schule wäre ein Beispiel hierfür die seit mehreren Jahrzehnten beobachtbare Tendenz, dass insbesondere Kinder und Jugendliche mit eigener oder familiärer Migrationsbiografie Gefahr laufen, die Diagnose eines sonderpädagogischen Förderbedarfs im Förderschwerpunkt Lernen zu erhalten (vgl. Tißberger, 2022) und sie im Gefüge schulischer Selektionsmechanismen immer wieder von für sie ungünstigen Unterscheidungen betroffen sind, die dazu führen, dass etwa migrationsbedingte sprachliche Differenz in umfassende Beeinträchtigungen des Lernens umgedeutet werden (vgl. Gomolla & Radtke, 2009). Wichtig in der Analyseperspektive des institutionellen Rassismus ist die Betonung, dass diese Phänomene und Tendenzen sich aus der Annahme individueller Vorurteile einzelner Pädagog:innen nicht hinreichend erklären lassen und insofern explizit nicht auf fehlendes Engagement oder pädagogisches Können zurückgehen.

Nun stellt sich die Frage, was die Anmerkungen zu Rassismus mit Psychoanalyse zu tun haben oder andersherum: was eine psychoanalytische Perspektive auf diese Thematik auszeichnet. Dabei ist zunächst anzumerken, dass psychoanalytische Perspektiven auf Rassismus zwar bereits seit geraumer Zeit vorliegen (vgl. Erdheim, 1988, S. 258ff.; Rommelspacher, 1995; Terkessidis, 1998, S. 21ff.; Auchter, 2000), in migrationspädagogischen Diskussionen aber lediglich am Rande bzw. zeitweise zur Kenntnis genommen wurden. Dies ist vielleicht auch darauf zurückzuführen, dass es ein Trugschluss wäre die Psychoanalyse prinzipiell als einen rassismuskritischen Zugang zu verstehen. Mitunter gab und gibt es auch Tendenzen, in der psychoanalytische Perspektiven mehr oder weniger bruchlos an rassistische Deutungen andocken (vgl. Chakkarath, 2021). Seit einiger Zeit sind allerdings (wieder) vermehrt Versuche erkennbar, psychoanalytische Perspektiven systematisch in migrationspädagogische Überlegungen einzubeziehen (vgl. etwa Boger & Rauh, 2021a; Zimmermann, 2022). Ein gemeinsamer Bezugspunkt dieser Versuche besteht darin, Rassismus nicht ausschließlich als ein Differenzsystem zu denken, das im Außen prozessiert und soziale Zusammenhänge strukturiert, sondern sich mit der Verinnerlichung dieses Differenzsystems zu befassen. Theoretisch rückbinden lässt sich diese Frage etwa an Judith Butlers Perspektive subjektivierungstheoretische Überlegungen und ihre Perspektive auf »psychische Subjektivation«, die sie als einen »Einverleibungsprozeß« (Butler, 2013, S. 23f.) denkt. Sie stellt in Anschluss an Foucault, Freud und Lacan grundlagentheoretische Überlegungen dazu an, inwiefern die Hervorbringung von Subjekten auch die Psyche und das Unbewusste der Subjekte in einer spezifischen Art und Weise beeinflusst und formt. Dabei geht sie mit Bezug auf Lacan aber nicht davon aus, dass hieraus eine totale Formung der Subjekte und deren Psyche abzuleiten sei, sondern dass es Momente gibt, die sich der Identifizierung durch die symbolische Ordnung zumindest partiell entziehen (vgl. Butler, 2013, S. 93f.). Hier werden meines Erachtens Parallelen zu Lorenzers sozialisationstheoretischem Zugang sichtbar: Mit Lorenzer gedacht ließe sich an dieser Stelle über seine Interaktionsformentheorie die Einverleibung von Rassismus als Verinnerlichung von rassistischen bzw. rassimusrelevanten Anrufungen in sich wiederholenden Interaktionspraxen denken. Die Interaktionspraxen sind dabei als in ein Diskursgemenge eingebettet zu verstehen, indem (unter anderem) rassistische Unterscheidungen wirksam sind.2 Einen aktuellen und elaborierten Zugang, um sich mit der Verinnerlichung von Rassismus auseinanderzusetzen, hat M. Fakhry Davids (2019) vorgelegt. Diesen entwickelt er ausgehend von seiner Tätigkeit als praktizierender Schwarzer Psychoanalytiker und bringt hierfür entwicklungspsychologische, gruppenanalytische und postkoloniale Ansätze, vor allem mit Bezug auf Franz Fanon und Stuart Hall, ein. Ein wichtiger Gedanke seiner Argumentation besteht darin, dass sich rassifizierende Deutungen in die Abwehrorganisation einweben und dadurch insbesondere dann aktiviert und inszeniert werden, wenn Menschen bedrohlich wahrgenommene Situationen erleben. Rassifizierter Abwehr kommt dann die Funktion zu, psychische Stabilität aufrechtzuerhalten oder wieder herzustellen. Wichtig hierbei – und hier liegt eine Parallele zur oben aufgerufenen Perspektive des institutionellen Rassismus – ist, dass »rassistische Mechanismen in einer nichtrassistischen Psyche arbeiten« (Davids, 2019, S. 43). Es geht also auch Davids pointiert formuliert explizit nicht darum, weißen Menschen ihren Rassismus nachzuweisen, ihnen diesen vorzuhalten und sie dafür zu beschämen, dass es diese rassistischen Mechanismen gibt. Aber er macht deutlich, inwiefern diskursive, rassifizierte Figuren eine (unbewusste) Abfuhr als unangenehm erlebter Affekte ermöglichen und in einer spezifischen Art und Weise kanalisieren. Dies ist für Davids ein ubiquitäres Phänomen. Er zeichnet dies anhand der Interaktionsdynamik mit einem seiner Patienten detailliert nach (vgl. ebd., S. 43ff.). Damit knüpft Davids an einen Grundgedanken an, der sich ähnlich bereits in früheren psychoanalytischen Perspektiven auf Rassismus bzw. Xenophobie3 findet: »Der Wahn der Fremdenfeindlichkeit hat also einen (unbewußten) Sinn« (Auchter, 2000, S. 227). Auch hier steht das psychoanalytische Konzept der Abwehr im Fokus: »Die Xenophobie belebt jene frühen Spaltungsmechanismen wieder, durch die der Fremde zum Sündenbock gemacht werden kann, und der Exotismus weckt vor allem jene nachödipalen Idealisierungen, die, aufs Fremde projiziert, die Ohnmacht im Eigenen akzeptabler erscheinen lassen« (Erdheim, 1988, S. 265). Allerdings wird Xenophobie zumindest von Auchter als »seelische Krankheit« (Auchter, 2000, S. 225) gefasst und auch Erdheims Ausführungen legen die Annahme nahe, dass Xenophobie vor allem das Produkt missglückter Beziehungserfahrungen in der frühen Kindheit bzw. fehlender Repräsentanzen genügend guter Beziehungen ist (vgl. Erdheim, 1988, S. 258f.). Hier liegt ein wichtiger Unterschied zur Konzeptionalisierung von Davids (2019), der sich explizit von der Annahme einer Pathologie von Rassismus abgrenzt. Wird Xenophobie ausschließlich als »Störung einer narzißtischen Regulation« (Auchter, 2000, S. 226, Hervorh. i.O.) verstanden, besteht die Gefahr, rassistische Sozialisation und Artikulationen doch wieder zu individualisieren. Die Lesart von Rassismus als Pathologie kann dann selbst wieder in Abwehr kippen: Rassismus wäre demnach ja ausschließlich ein Problem von Rechten und überzeugten Rassist:innen – die sich dann pointiert formuliert am besten einer Analyse unterziehen würden, um ihre neurotisch verfestigten Konflikte zu bearbeiten. Eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Rassismus als strukturierendem Prinzip gesellschaftlicher Ordnung wäre dann jedenfalls vom Tisch. Der dem entgegenstehende Gedanke, Rassismus nicht nur als individuelle Pathologie zu begreifen, ist auch Ansatzpunkt aktueller Publikationen, die die Funktionalität diskursiver rassifizierter Figuren für die Abwehrorganisation diskutieren (vgl. Thoen-McGeehan & Becker, in Vorb.). So fragen Mai-Anh Boger und Bernhard Rauh (2021b) danach, wie es angesichts einer immer wieder beobachtbaren »weiße[n] Fragilität« (DiAngelo, 2020, zit. n. Boger & Rauh, 2021b, S. 12) möglich ist, Lernprozesse über die eigene Verwicklung in strukturellen Rassismus anzustoßen, ohne etwa Wutausbrüche als eine konkrete abwehrende Reaktion zu provozieren. Weiße Fragilität beschreibt das Phänomen eines empfindlichen und angefassten Reagierens weißer Menschen ob der Thematisierung von Rassismus. Andreas Tilch formuliert in diesem Zusammenhang theoretisierend: »Die Ebene des Affekts durchzieht dabei die Ebenen des Diskurses und des Subjekts. So sind es gerade Angst und Schuld, die die Prozesse der Verwerfung ermöglichen und vorantreiben« (Tilch, 2022, S. 313).

4 Szenisches Verstehen und die Inszenierung des internalisierten Rassismus

Nun zur Frage, was all das mit Tiefenhermeneutik zu tun hat. Da sie einen zentralen Referenzpunkt für alle Beiträge des vorliegenden Bandes darstellt, verzichte ich hier auf eine systematische Vorstellung der Tiefenhermeneutik (vgl. hierzu außerdem Dörr et al., 2022; Katzenbach, Eggert-Schmid Noerr & Finger-Trescher, 2017; König, 2019). Als besonders wichtig für die Überlegungen dieses Beitrags erscheint mir aber die Erinnerung, dass »die Tiefenhermeneutik eine Inhaltsanalyse mit einer Wirkungsanalyse kombiniert« (König, 2019, S. 37). Das Szenische Verstehen (vgl. Lorenzer, 1976b, S. 104ff.) dient dabei dazu, angelehnt an die und abgeleitet von der Gegenübertragungsanalyse im psychoanalytischen Therapiesetting, als der methodische Zugang für die Wirkungsanalyse. Diese zielt darauf ab, die »im latenten Textsinn […] sprachlos-wirksame Sinnebene, die Ebene unbewußter Interaktionsformen« (Lorenzer, 1986, S. 29) der sprachlichen Reflexion zugänglich zu machen.

So schlüssig diese Konzeption in sich auch sein mag und so wenig man Lorenzer nach der Auseinandersetzung mit seinen Texten Unterkomplexität unterstellen kann, möchte ich vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen in meinem Beitrag dennoch die Rückfrage stellen, ob dieser Konzeption nicht so etwas wie ein allzu zuversichtlicher erkenntnistheoretischer Impuls innewohnt, der einem insbesondere dann auf die Füße zu fallen droht, wenn man die Tiefenhermeneutik auf Material anwendet, dass rassismusrelevante Aspekte enthält. Diese Befürchtung lässt sich in zwei Fragen konkretisierten. Die erste Frage ist eine prinzipielle methodologische Anfrage an die Tiefenhermeneutik, die sich unabhängig von den interpretierten Materialformen und Inhalten stellt: Was bedeutet es, das Szenische Verstehen aus dem Setting der psychoanalytischen Therapie heraus auf die Auseinandersetzung mit Interviews oder Beobachtungsprotokollen zu übertragen? Lorenzer selbst betont, dass das Szenische Verstehen im psychoanalytischen Therapiesetting ganz zentral davon lebt, dass die von der Analytiker:in entwickelten Deutungen in die Interaktion zwischen Analytiker:in und Analysand:in eingebracht werden. Er formuliert dies so:

»Die Ermittlung der ›wirklichen Bedeutungen‹ der Einzelrollen (der Akteure der jeweiligen Szene) werden nach dem nun schon bekannten Muster gehandhabt: probeweises Einsetzen der Bedeutungen aus dem szenischen Repertoire, d.h. dem je eigenen Rollenverständnis des Analytikers und allmähliche Ausmittelung der ›wirklichen‹ Bedeutungen« (Lorenzer, 1976b, S. 147).

Während es sich nun beim therapeutischen Setting der Psychoanalyse um ein künstlich hergestelltes und hochfunktionales Interaktionsarrangement handelt, das beispielsweise in Hinblick auf die räumliche Platzierung der Beteiligten und die Verteilung der Redeanteile gezielt so strukturiert wird, dass hierüber eine Beobachtung psychischer Prozesse möglich wird (vgl. ausführlich hierzu Urban, 2009, S. 143ff.), kann (und will) die Forschungssituation dies nicht einlösen. Der gewichtigste Unterschied scheint mir dabei zu sein, dass das probeweise Einsetzen der Deutungen bei der Interpretation von Interviews oder Beobachtungsprotokollen nicht in der gleichen Form möglich ist wie in der psychoanalytischen Therapie: Es gibt schlicht kein konkretes Gegenüber, das situativ auf die Deutungen reagieren kann und mit dem sich eine Dynamik aus Übertragung und Gegenübertragung entwickelt, die dann weiter interpretiert werden kann (vgl. Müller, 2021, S. 86). Die Lücke, die durch das Fehlen des konkreten Gegenübers entsteht, wird daher durch die Interpretationsgruppe zu füllen versucht. Die Gruppe ist dann der Resonanzraum, in dem die Szenen im Interview oder Beobachtungsprotokoll wirken und in dem sich eine Übertragungs- und Gegenübertragungsdynamik entfaltet (vgl. König, 2019). Nun hat allerdings Siegfried Zepf bereits 2006 angemerkt, dass es ein enorm hoher Anspruch ist, »unbewusste Interaktionsformen«, die in der Gruppe »evoziert« (Zepf, 2006, S. 118) werden, in der Gruppeninteraktion zu erkennen, durchzuarbeiten und wieder mit dem Material in Verbindung zu bringen, um die darin eingelagerten unbewussten Interaktionsformen versprachlichen zu können. Um solche Prozesse zu ermöglichen, wird das psychoanalytische Therapiesetting über mehrere Jahre und teilweise über mehrere hundert Sitzungen lang aufrechterhalten. Es ist ein voraussetzungsreiches Ziel der Tiefenhermeneutik, dies trotz der unterschiedlichen Arrangements der beiden Settings und in vergleichsweise kurzer Zeit ermöglichen zu wollen (vgl. Becker, 2021, S. 118f.). Auf weitere Probleme, die sich entfalten, wenn das Szenische Verstehen vom therapeutischen Setting auf andere Kontexte übertragen wird, haben bereits vor rund 30 Jahren am Beispiel der universitären Ausbildung von Pädagog:innen Wilfried Datler, Heide Tebbich und Regina Petrik (1992) aufmerksam gemacht. Sie weisen dabei beispielsweise auf die Schwierigkeit hin, psychoanalytische Selbsterfahrung im universitären Raum zu ermöglichen oder gar systematisch zu etablieren, um Studierende in den Forschungszugang der Tiefenhermeneutik einzusozialisieren. Die Tiefenhermeneutik als Forschungszugang weist hier ein strukturelles Defizit auf (vgl. Gerspach, 2021, S. 144f.).

Die zweite Frage bezieht nun die Frage nach Rassismus ein: Was passiert im tiefenhermeneutischen Prozess, wenn das Szenische Verstehen auf rassismusrelevante Inhalte angewendet wird? Unter Rückgriff auf die Überlegungen von Davids (2019), nach denen sich Rassismus im Äußeren über die Abwehrorganisation ins Psychische einschreibt, müssen wir davon ausgehen, dass spätestens beim szenischen Verstehen von rassismusrelevantem Material verinnerlichte Rassismen der Interpretierenden aktiviert werden.4 Folgt man dem für das Szenische Verstehen zentralen methodischen Prinzip, alles zu thematisieren, was das Material bei der Auseinandersetzung auslöst, folgt hieraus, dass sich auch der innere Rassismus der Gruppenmitglieder in der Interpretationsrunde inszeniert und in die sich dort entwickelnde Übertragungs- und Gegenübertragungsdynamik einwebt. Dies wäre auch der Fall, wenn man in Betracht zieht, dass der innere Rassismus aus Sorge vor einer Beschämung seiner selbst sowie anderer Gruppenmitglieder oder aus Schuldgefühlen heraus nicht offen artikuliert wird: Das inkorporierte »rassistisch[e] Wissen« (Terkessidis, 1998, S. 84) wird auf die eine oder andere Weise seinen Ausdruck finden, und sei es in einem Gefühl der Bedrückung und einem daraus resultierenden gehemmten Schweigen. Im Sinne des methodischen Vorgehens der Tiefenhermeneutik wären Inszenierungen von internalisiertem Rassismus nun gar nicht als problematisch einzuschätzen, sondern durchaus ein gewünschter Beginn des anvisierten Verstehensprozesses. Es stellen sich dann allerdings mindestens zwei Fragen. Zunächst: Gelingt es im Interpretationsprozess, den unbewusst prozessierenden Rassismus bewusst zu machen und als solchen zu thematisieren? Die Ausführungen von Zepf (2006) und die Hinweise oben auf die Unterschiede zwischen dem therapeutischen Setting der Psychoanalyse und dem Setting von tiefenhermeneutischen Interpretationsgruppen stimmen hier eher zweifelhaft. Und auch Erfahrungen aus rassismuskritischen Trainings (vgl. Boger & Rauh, 2021b; Ogette, 2020, vor allem S. 21ff.) sowie aus rassismuskritischer Lehre (vgl. Akbaba, 2021) berichten einstimmig von der Erfahrung, dass die Adressierung von inszenierten rassistischen Wissensbeständen bei weißen Teilnehmenden nicht ohne Weiteres zur (selbst-)kritischen Auseinandersetzung mit diesen führt, sondern zunächst vor allem Abwehr evoziert. Des Weiteren: Was bedeuten solche Interpretationsprozesse für als nicht weiß gelesene Mitglieder in tiefenhermeneutischen Interpretationsgruppen? Soll internalisierter Rassismus als solcher erkannt werden, setzt dies unweigerlich den Schritt der Reproduktion rassistischer Bilder und Deutungsmuster voraus, um diese dann überhaupt einer rassismuskritisch informierten Bearbeitung zugänglich machen zu können. Hiermit ist die Gefahr verbunden, durch Mikroaggressionen ausgelöste Verletzungen aus anderen Kontexten in der Interpretationsgruppe noch einmal zu wiederholen.

Nun leiten sich die aufgeworfenen Fragen vor allem aus rassismuskritischen Überlegungen sowie methodologischen Überlegungen zur Tiefenhermeneutik ab. Der Beitrag kann es nicht leisten, diese Anfragen anhand eines empirischen Zugangs zu prüfen. Allerdings soll im letzten Schritt zumindest darüber ein Blick in die Empirie geworfen werden, dass vier tiefenhermeneutisch arbeitende Studien mit einem Fokus auf sich das dort jeweils konstellierende Verhältnis von Rassismus(kritik) und Szenischem Verstehen aufgerufen werden. Ich gehe dabei chronologisch nach dem Publikationsjahr der Studien vor.

5 Thematisierungen von Rassismus im tiefenhermeneutischen Prozess

Wendy Hollway und Lynn Froggett (2012, siehe auch die Übersetzung des Textes in diesem Band) präsentieren eine Fallgeschichte aus einem Forschungsprojekt zu Identitätskonstruktionen von Müttern in einem marginalisierten Londoner Stadtteil. Dem Forschungsprojekt »Identities in Process: Becoming African, Caribbean, Bangladeshi and white mothers in Tower Hamlets« (Hollway & Froggett, 2012, Abs. 6) ist das Thema der rassizifierten Differenz dabei unmittelbar eingeschrieben. Die Erhebung der interpretierten Fallgeschichte lehnt sich an die an der Tavistock-Klinik entwickelte Infant Observation an. Die Autor:innen kombinieren einen objektbeziehungstheoretisch orientierten Zugang, vor allem in Anlehnung an Donald Winnicott, mit dem gesellschaftstheoretisch-psychoanalytisch fundierten Zugangs Lorenzers. Bei Verwendung des Szenischen Verstehens wird herausgearbeitet, inwiefern (unter anderem) rassifizierte Differenz im erhobenen Datenmaterial relevant ist. Interpretiert wird in dem Beitrag ein Beobachtungsprotokoll einer weißen Forscherin, die bei der Interaktion einer jungen Schwarzen Mutter, deren Baby, Bruder und einem ebenfalls Schwarzen Freund in der Wohnung der Mutter anwesend ist (vgl. ebd., Abs. 3f.). Ausgangspunkt der Interpretation sind zwei Stellen im Material: Erstens der situative und protokollierte Eindruck der Forscherin, sich in der Szene wie ein Eindringling zu fühlen (vgl. ebd., Abs. 17ff.) und zweitens die Inszenierung eines Telefonats des anwesenden Freundes, Anthony. Dieser spielt ein telefonisches Bewerbungsgespräch mit einem potenziellen Arbeitgeber durch und ruft dabei ironisierend auch rassistisch konnotierte Figuren auf (vgl. ebd., Abs. 4). Die weiße Beobachterin verknüpft in ihren Notizen den protokollierten Eindruck, sich bei der Beobachtung wie ein Eindringling zu fühlen, mit rassifizierter Differenz (vgl. ebd., Abs. 19). Interessant sind vor allem die veröffentlichten Assoziationen von Lynn Froggett, die sich bei der Interpretation an eine mehrere Jahre zurückliegende und als unangenehm erlebte Situation bei einer von ihr durchgeführten Beobachtung erinnert, in der rassifizierte Differenz dann genau nicht relevant ist (vgl. ebd., Abs. 23). Auch wird nicht diskutiert, dass und inwiefern das Aufrufen der rassistischen Figuren bei dem gespielten Telefonat Anthonys auch als Interaktion mit der bzw. Interaktionsangebot an die weiße Beobachterin vor Ort interpretiert werden könnte. Vielleicht sind beide Momente der De-Thematisierung rassifizierter Differenz auch Ausdruck der Abwehr von internalisiertem Rassismus und/oder dem Wunsch nach dessen Nicht-Existenz.

Yandé Thoen-McGeehan (2020) präsentiert Einblicke in den tiefenhermeneutischen Interpretationsprozess einer Gruppe, die sich mit einem narrativen Interview mit einer geflüchteten Frau auseinandersetzt. Ihr Forschungszugang unterscheidet sich von den anderen hier vorgestellten Studien: Ihr Fokus liegt explizit darauf, herauszuarbeiten, inwiefern die sich in der Interpretationsgruppe entwickelnde Dynamik selbst Ausdruck von internalisierten Rassismen ist. In dem Interview berichtet die interviewte Frau, dass sie als Flugbegleiterin gearbeitet habe und diese Arbeit es ihr ermöglichte, ihr Herkunftsland auf eine mit vergleichsweise wenig Gefahren verbundene Art und Weise zu verlassen. In der Gruppe entwickelten sich ausgehend von diesem Aspekt Deutungen, die Thoen-McGeehan als »Spaltungstendenzen« (ebd., S. 44) beschreibt: Die Gruppe pendelte zwischen der idealisierenden Aufwertung der Interviewten als »tapfere Kämpferin für demokratische Werte« und aggressiven Abwertungen der Interviewten als »kleinkriminelle Flugbegleiterin« (ebd.), die gar kein richtiger Flüchtling sei, sondern ihre Privilegien als Flugbegleiterin für Shoppingtrips nutze, hin und her. Thoen-McGeehan interpretiert dies so, dass hier in der Auseinandersetzung mit dem Interview bei den Gruppenmitgliedern vor allem unreife Abwehr aktiviert wurde, die sich der Semantik rassifizierender Zuschreibungen bediente. Insofern gelang es der Interpretationsgruppe hier scheinbar nicht, sich zu inneren Rassismen in Distanz bringen und deren Inszenierung als solche zu reflektieren, sondern Thoen-McGeehan arbeitet diesen Schritt nachträglich in ihrer Einordnung des Interpretationsprozesses heraus.

Christoph Müller (2021) bewegt sich mit seiner Arbeit ebenfalls im Themenfeld der Zwangsmigrationserfahrung und fragt danach, »wie sich die emotionalen Belastungen und potenzielle Traumatisierungen geflüchteter Schüler*innen in der Schule zeigen, wie sie sich im Erleben und Handeln der Lehrkräfte widerspiegeln und welche pädagogischen Konsequenzen sich daraus ergeben« (S. 1). Er zieht hierfür die »sequenziell[e] Traumatheorie« (ebd., S. 38) in Anschluss an Hans Keilson und andere heran. Bei der tiefenhermeneutischen Interpretation von Interviews mit Lehrkräften stößt Müller dann auf das Phänomen, dass bei einzelnen Lehrkräften in der nachträglichen Reflexion ihrer Arbeit mit den betreffenden Schüler:innen rassistisch konnotierte Deutungen aufgegriffen und ihm als Interviewer gegenüber artikuliert wurden (vgl. ebd., S. 110). Er interpretiert dies so, dass diesen Deutungen die Funktion einer nachträglichen Entlastung zukommt, durch die die Handlungsfähigkeit der Lehrkräfte aufrechterhalten werden soll. Insofern ist es hier offensichtlich gelungen, rassistische Momente im Material nicht in den Interpretationsergebnissen zu reproduzieren, sondern diese als solche herauszuarbeiten und in ihrer psychosozialen Funktionalität einzuordnen. Die Frage, welche Rolle dabei internalisierter Rassismus im Interpretationsprozess selbst gespielt hat und wie mit diesem umgegangen wurde, wird von Müller nicht diskutiert.

Marian Kratz (2023) präsentiert die Ergebnisse zweier tiefenhermeneutischer Interpretationen. Zum einen wird anhand des Covers der Ausgabe der Zeitschrift Focus vom 09.01.2016 die »symbolische Darstellung der sogenannten Kölner Silvesternacht« (Kratz, 2023, S. 33) von 2015 auf 2016 untersucht. Die Interpretation von Kratz baut auf einer tiefenhermeneutischen Analyse des Covers in einem Seminar in den Erziehungswissenschaften auf. Zum zweiten interpretiert Kratz ein Video, das nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und der damit einsetzenden Zwangsmigration aus der Ukraine nach Deutschland in Umlauf war. Der Fokus des tiefenhermeneutischen Interpretierens liegt bei ihm auf der Wirkungsanalyse. Dabei arbeitet Kratz heraus, inwiefern durch das Focus-Cover sein eigenes heterosexuelles Begehren adressiert wird und inwiefern diese Adressierung auch eine kollektive Adressierung ist (vgl. ebd., S. 35). Dabei entstehe ein »Ambivalenzkonflikt« (ebd.) zwischen Wünschen einerseits und »offizieller Moral« (ebd.) andererseits, die diese Wünsche begrenze. Die Gestaltung des Covers, die sich rassistischen Stereotypen bedient, ermögliche es nun, die eigenen sexuellen Wünsche auf migrantisch gelesene Männer zu projizieren und so den eigenen Ambivalenzkonflikt zu entschärfen. Bei der Analyse des Videos bemerkt Kratz »Assoziationen, die auf ein Klischee der osteuropäischen Frau verweisen« (ebd., S. 37). Hier wird also heterosexuelle männliche Sexualität mit Bezug auf rassistische, exotisierende Bilder angesprochen. Kratz thematisiert im Sinne einer Wirkungsanalyse die Adressierungen des eigenen internalisierten Rassismus durch das interpretierte Material. Es gelingt ihm dabei, die Aktivierung des eigenen Rassismus zu beobachten und als ubiquitäres Phänomen einzuordnen, über das sich psychische und moralische Konflikte entschärfen lassen.

Betrachtet man die vier Studien übergeordnet, ist zunächst wichtig, dass sowohl deren inhaltliche Kontexte als auch die interpretieren Materialien voneinander abweichen. Alle Beiträge sind durch abstraktes rassismuskritisches Wissen informiert und beziehen dieses in ihre Interpretationsergebnisse ein. Hieraus lässt sich – vermutlich wenig überraschend – ableiten, dass ein grundlegendes rassismuskritisches Wissen eine notwendige Voraussetzung ist, um im Sinne einer Kontextualisierung dazu beizutragen, Rassismus entsprechend einzuordnen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, welchen Unterschied es macht, wenn die Person, die Material einbringt, oder die Interpretierenden als nicht weiß gelesen werden und eigene Rassismuserfahrungen gemacht haben. Mit Blick auf die Person, die Material in den tiefenhermeneutischen Prozess einbringt, ist es vielleicht kein Zufall, dass die Interpretationsgruppe bei Thoen-McGeehan (2020), als einziger Schwarzer Wissenschaftlerin unter den genannten Autor:innen, nicht über das Pendeln zwischen Idealisierung und aggressiver Abwertung hinauskam. In Anlehnung an die Erfahrungen von Davids (2019) als Schwarzer Analytiker ist es denkbar, dass hier in der Gruppendynamik Projektionen wirksam waren. Mit Blick auf die Interpretierenden ist des Weiteren anzunehmen, dass sich Interpretierende of Colour rassismusrelevanten Inhalten im Material mit Sicherheit anders zuwenden als weiße Interpretierende, die die Erfahrung rassistischer Abwertung nicht am eigenen Leib gemacht haben. Gerade insofern das Szenische Verstehen einen assoziativen Zugang zum Material verlangt, werden dabei höchstwahrscheinlich auch eigene, durch Rassismus bedingte seelische Verletzungen erinnert werden. Dies macht die tiefenhermeneutische Interpretation rassismusrelevanter Inhalte zu einer heiklen Angelegenheit – zumindest, wenn der Anspruch, der ist, die durch Rassismus ausgelösten kollektiven wie individuellen Verletzungen im Interpretationsprozess möglichst nicht zu wiederholen.

6 Ausblick

Die in diesem Beitrag entwickelten Überlegungen zum Verhältnis von Szenischem Verstehen und Rassismus(kritik) sind eher skeptisch und fragend. Diese Skepsis löst sich auch durch die auf den ersten Blick erfolgsversprechenden Ergebnisse aus den aufgerufenen vier Studien nicht vollends auf, in denen es zumindest auf der Ebene der Ergebnisdarstellung gelungen ist, Rassismus als solchen zu benennen. Dem fragenden Duktus des Beitrags lässt sich aber auch der eher zuversichtliche Einwand gegenüberstellen, dass sich rassismuskritische Ansätze im deutschsprachigen Raum seit einigen Jahren – wenn auch langsam und sicher nicht flächendeckend rezipiert – zu etablieren beginnen. Hierdurch werden Impulse ausgehen, die zumindest das Potenzial haben, rassistische Wissensbestände zu irritieren und auch internalisierte Rassismen zu thematisieren. Vielleicht gelingt es dadurch auch zusehends, sich mit eigenem internalisiertem Rassismus auseinanderzusetzen, ohne diesen abwehren und ins Unbewusste verschieben zu müssen. Dies wäre ein Gewinn (nicht nur) für szenisches Verstehen im Kontext rassismusrelevanter Inhalte. Da die im Beitrag formulierten Überlegungen sich vor allem aus theoretischen und methodologischen Reflexionen ableiten, die nur teilweise erfahrungsgesättigt sind, wäre der nächste notwendige Schritt der Auseinandersetzung, die Überlegungen empirisch zu untersuchen, um sie entsprechend erweitern und auch korrigieren zu können, wo es notwendig ist. Denkbar wären hierfür zum Beispiel diskursanalytisch angelehnte Rekonstruktionen von Protokollen aus tiefenhermeneutischen Interpretationssitzungen.

Anmerkungen

[1]
Dies berührt eine Diskussion um die Rezeption der sprachtheoretischen Überlegungen Wittgensteins bei Lorenzer (1976b) in Sprachzerstörung und Rekonstruktion (siehe hierzu Katzenbach & Neumann in diesem Band).
[2]
Butler entwickelt ihren theoretischen Zugang in Psyche der Macht ausgehend von der Frage nach dem Verhältnis von homosexuellem und heterosexuellem Begehren. Die Einverleibung rassistischer Deutungsmuster thematisiert sie insofern allenfalls indirekt. Sie stellt aber grundlagentheoretische Figuren zur Verfügung, um sich mit der Verinnerlichung von Rassismus auseinanderzusetzen.
[3]
Die Rede von Fremdenfeindlichkeit hat aus rassismuskritischer Perspektive auch etwas Problematisches, weil sie etwa die Perspektive von als migrantisch (und insofern als fremd) gelesenen Menschen zu negieren droht, die seit ihrer Geburt in Deutschland leben. Außerdem läuft sie Gefahr, beispielsweise die Tatsache zu übersehen, dass bereits seit mehreren Jahrhunderten Schwarze Menschen in Deutschland leben (vgl. Aitken, 2022, S. 4). Zumindest Erdheim setzt allerdings Xenophobie nicht konkretistisch mit fremden (oder fremdgemachten) Menschen gleich, sondern versteht das Fremde mit Bezug auf psychoanalytische Entwicklungspsychologie zunächst als die frühe Erfahrung der Trennung von primären Bezugspersonen (vgl. Erdheim, 1988, S. 258).
[4]
Dabei geht es explizit nicht darum, tiefenhermeneutisch Interpretierenden pauschal ein offen rassistisches Weltbild zu unterstellen. Ich erinnere hier noch einmal an den in Abschnitt 3 bereits zitierten Hinweis von Davids (2019, S. 43) darauf, dass »rassistische Mechanismen in einer nichtrassistischen Psyche arbeiten«. Meine Überlegungen rekurrieren hier auf die gängige rassismuskritische Unterscheidung, dass Menschen sich über die Reproduktion rassistisch codierter Deutungsmuster rassistisch äußern oder verhalten können, ohne eingefleischte Rassist:innen zu sein (vgl. Jording & Messerschmidt, 2022, S. 348f.).

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Scenic understanding and internalized racism

Reflections on scenic understanding from a Critical Perspective on Racism

Summary: The article brings different approaches, such as criticism of racism, psychoanalytic perspectives on racism, and methodological considerations on depth-hermeneutics into a dialogue. Initially the article presents ist basic theo­retical position. This pleads for not putting, in principal, Lorenzer’s historical-materialist approach and post-structuralist approaches in competition with each other. Racism is then described as a system of difference that is internalized and is translated into processes within the psyche. Following psychoanalytic perspec­tives on racism, the concept of defence is important here. The discussion of depth-hermeneutics revolves around the question of what difficulties arise when scenic understanding is applied to content which is relevant to racism. First, methodological considerations are presented, prior to the discussion of four studies which have used depth-hermeneutics on racism-relevant content. In particular, the paper formulates theoretically and methodologically based considerations on the relationship between scenic understanding and the (criticism of) racism. These require further elaboration and empirical investigation.

Keywords: scenic understanding, depth hermeneutics, internalized racism, criticism of racism

Biografische Notiz

Jonas Becker arbeitet am Institut für Sonderpädagogik an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seine aktuellen Arbeitsschwerpunkte liegen in der psychoanalytisch informierten Forschung zu Subjektivation im Kontext von Fluchtmigrationserfahrung sowie in Forschung und Lehre in der Sonder- und Inklusionspädagogik, dabei gegenwärtig zum Förderschwerpunkt Lernen, pädagogischer Professionalität und Psychoanalytischer Pädagogik.

Kontakt

Jonas Becker
Institut für Sonderpädagogik
Goethe-Universität Frankfurt am Main
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