Tabuisierungen in sozialpsychiatrischen Interaktionen

Scham als Hüterin sozialer Meidungsgebote?

Lara Spiegler, Margret Dörr & Felicitas Beeck

Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik • Band 30 (2024), 217–241

https://doi.org/10.30820/0938-183X-2024-30-217 CC BY-NC-ND 4.0 https://jahrbuch-psychoanalytische-paedagogik.de

Zusammenfassung: Die andauernde Stigmatisierung von als psychisch erkrankt geltenden Menschen verweist auf eine fortbestehende Tabuisierung erlebten sozialen Leids. Im Beitrag werden Tabuisierungsdynamiken in Interaktionen zwischen sozialpädagogischen Fachkräften und Adressat*innen gemeindepsychiatrischer Angebote in den Blick genommen. Ausgehend von psychoanalytisch-sozialwissenschaftlichen Überlegungen zum Tabubegriff werden Tabuisierungspraxen in sozialpsychiatrischen Einrichtungen anhand von drei Interaktionssequenzen aus einer gemeindepsychiatrischen Wohnform hinsichtlich ihrer (psycho)sozialen (Dys)Funktion befragt. Der ambivalente Charakter des Tabuisierungsgeschehens wird in seinem brisanten Verhältnis zum Schamaffekt diskutiert.

Schlüsselwörter: Sozialpsychiatrie, Tabu, Scham, Interaktion, Affekt, Ambivalenz

1 Einleitung

Als Reformbewegung und in Abgrenzung zur klinischen Psychiatrie setzte Sozialpsychiatrie in den 1970er-Jahren an der Erkenntnis an, dass psychisches Leiden im Rahmen sozialer Interaktionen (mit)hergestellt wird und sich ebenso in sozialen Interaktionen zeigt (vgl. Dörr, 2005). Entsprechend dieses Paradigmas nimmt das Forschungsprojekt VISION-RA die Interaktionen zwischen Adressat*innen und Fachkräften in den Blick und fragt nach der gemeinsamen Herstellung von Affekt-Abstimmungsprozessen. Zur Erforschung dieser Phänomene wird ein mehrstufiges, zyklisches Forschungsvorgehen durchlaufen.

Zu Beginn der Forschungszyklen werden Interaktionen zwischen Fachkräften und Nutzenden teilnehmend beobachtet. Nachdem die ethnografischen Protokolle der Interaktionsbeobachtungen tiefenhermeneutisch interpretiert wurden, werden die Protagonist*innen eingeladen, sich in triadischen Rückkopplungsgesprächen unter der Moderation einer projektmitarbeitenden Person hinsichtlich ihres affektiven Erlebens auszutauschen und dieses gemeinsam zu rekonstruieren. Auch die Rückkopplungsgespräche durchlaufen einen tiefenhermeneutischen Annäherungsprozess. Anschließend finden zwischen der Moderatorin und den Protagonist*innen jeweils einzeln dyadische Evaluationsgespräche statt, in denen das jeweilige Erleben während der Rückkopplungsgespräche Raum erhält (vgl. Spiegler et al., 2023).

Im Verlauf des Forschungsprozesses zeigte sich eine sich durchziehende, immer wieder aufkeimende Sorge vor Grenzüberschreitung seitens der Forscher*innen, die auch gegenüber den Forschungspartner*innen wiederholt zur Sprache kam. Beispielsweise äußert eine Interviewerin zu Beginn eines Evaluationsgesprächs gegenüber einer Adressatin: »I: Ich […] hatte Angst, Ihre Grenzen zu überschreiten [P: Mhm.] von Anfang an.«

Erkennbar wird an dieser kurzen, sich in verschiedenen Ausformungen immer wieder wiederholenden Sequenz, dass bereits mit der Anlage des Projekts, mithin auch durch die Aufforderung über das eigene Erleben zu sprechen, eine Irritation in Gang gesetzt wird, die als Antasten des Intimitäts-Tabus gelesen werden kann und mit Schamgefühlen einhergeht.

In diesem Beitrag gehen wir der Frage nach, ob und inwiefern das Gefühl von und die Sorge vor Grenzüberschreitung Fingerzeige auf Tabubrüche darstellen. Dazu gehen wir in aller Kürze auf das Feld der Sozialpsychiatrie und ihre Eingebundenheit in kulturelle Tabuisierungsprozesse ein. Anschließend werden wir auf der Basis von Datenmaterial aus dem Praxisforschungsverbund VISION-RA und unter Bezugnahme auf sozialwissenschaftliche Wissensbestände zur Bedeutung von Tabus in Kultur unter besonderer Berücksichtigung der Symboltheorie Alfred Lorenzers ausloten, welche Tabuisierungs- und Enttabuisierungsprozesse sich in der Sozialpsychiatrie als in Gesellschaft verankerte, institutionelle Ordnungsmacht zeigen und welche soziale, interpersonelle und intrapsychische Funktionen diese erfüllen. Im Weiteren werden wir Überlegungen bezüglich der Frage anstellen, wie die Relation von Tabus und Scham sich aus psychoanalytisch-sozialpädagogischer Perspektive in sozialpsychiatrischen Interaktionen zeigen und in welchem Verhältnis sie zur Erbringung sozialpsychiatrischer Aufgaben stehen.

2 Sozialpsychiatrie als Ort der Recovery

Die Etablierung des Begriffs »Sozialpsychiatrie« in der BRD steht in enger Verbindung mit der studentischen Protestbewegung der 1960er-Jahre, die im Zuge der kritische Aufarbeitung des Holocaust sowie des Protestes gegen den Vietnam Kriegs ihr Brennglas – gemeinsam mit Betroffenen, ihren Angehörigen, unzufriedenen Kliniker*innen sowie engagierten Journalist*innen – auch auf die nach wie vor dominanten biologisch-psychiatrischen Denk-, Handlungs- und Beziehungsmuster richtete und die untragbaren und menschenunwürdigen Verhältnisse in der psychiatrischen Versorgung anprangerte. Dabei wurde die »totale Institution« (Goffman, 1973) und damit die systematische Ausgliederung von als psychisch erkrankt geltenden Menschen in sozial periphere Institutionen skandalisiert. Als zentrale Funktion totaler Institutionen arbeitete Goffman den »Schutz der ganzen Gesellschaft vor Verunreinigung, […] Unschädlichmachung, Abschreckung, und Besserung« (ebd., S. 86) heraus und enthüllte die Leidenserfahrungen der »Insassen«, die hier nur ausschnitthaft Erwähnung finden können: Rollenverlust, Wegnahme der Identitäts-Ausrüstung, panoptische Überwachung, Fremdkontrolle über den Intimbereich, psychische und physische Misshandlung, Demütigung und Diskulturation. Damit einhergehend kritisierte er den Umstand, dass in Interaktionen zwischen »Insassen und Stab« die Äußerungen krisendurchlebender Menschen »als bloße Symptome abgewertet« (ebd., S. 50) würden.

Im Zuge der Antipsychiatriebewegung wurde eine radikale »De-Institutionalisierung« etablierter »Anstalten« gefordert. Sozialpsychiatrische Aktivist*innen klagten die Befreiung der »Insassen« aus leidbringenden institutionellen Einbindungen ein und traten vehement für das Ziel ein, Menschen mit psychischen Erkrankungen in die Gesellschaft zurückzuholen, ihnen auf sozialpolitischer Ebene Gehör zu verschaffen und ihnen als Subjekte volle Menschenrechte zu erstreiten, damit auch sie als vollwertige Mitglieder eines Gemeinwesens an dessen institutioneller Ordnung gleichberechtigt partizipieren können (vgl. Dörr, 2015). Politisch beantwortet wurde dies mit der Einrichtung der Psychiatrie-Enquete (Deutscher Bundestag, 1975), wodurch sich die psychiatrische Versorgungslandschaft durch die Schaffung einer großen Zahl von Tages- und Nachtkliniken, Tagesstätten, kleinen Wohnheimen sowie ambulante Angebote wie Beratungsstellen etc. stark veränderte.

Insbesondere im angelsächsischen Raum organisierten sich ab den 1980er-Jahren Psychiatrieerfahrene in Auflehnung gegen ihre Erfahrungen von expertokratischer Entmündigung und sie auf psychiatrische Diagnosen reduzierende Sichtweisen der Fachkräfte und formierten sich zu einer Bewegung, die eine konsequente Recovery-Orientierung anstrebten (vgl. Dörr & May, 2022). Dabei ist Recovery als Veränderungsprozess zu verstehen, in dem sich die »eigenen Überzeugungen, Werte, Gefühle, Ziele, Fertigkeiten und Rollen« (Anthony, 1993, S. 13) auf individuell höchst verschiedene Weise neu formieren. Ziel des Recovery-Prozesses ist es, Möglichkeiten zu (er)finden, ein »befriedigendes, hoffnungsvolles und aktives Leben« (ebd.) zu führen, welches die Einschränkungen der Erkrankung mit einschließt, diese aber nicht zum »definierenden Lebensaspekt« (vgl. Onken et al., 2007) erhebt. Insofern zielt Recovery darauf ab, innere und äußere Widerfahrnisse, die möglicherweise das Bild der Welt und des Welt-Selbst-Verhältnisses erschüttert haben, zu integrieren. »Im Wesentlichen geht es darum, das Erlebte zu verstehen und die Kontrolle über die eigene Sicherheit und das eigene Leben wiederzugewinnen« (Amering & Schmolke, 2012, S. 27f.).

Dies verweist auf zentrale Aufgaben sozialpsychiatrischer Fachkräfte. Aus psychoanalytisch-(sozial)pädagogischer Perspektive, die den Bereich rational kontrollierten und begründbaren Denkens und Handelns um den Bereich der emotionalen Wahrnehmung erweitert, sind in Prozessen der Recovery-Orientierung Prämissen zur Konstitution einer Beziehungspraxis eingelagert, die sich dadurch auszeichnet, den involvierten Menschen wesentliche Erfahrungsmodi zur Entwicklung einer psychischen Widerstandsfähigkeit zu ermöglichen. Dazu gehören Erfahrungen der Selbstwirksamkeit über ein erfolgreiches Handeln in der Alltagswelt, Erfahrungen des Selbstwertes über Rückmeldungen durch signifikante Andere sowie Erfahrungen der Selbst-Einbindung über eine Integration in eine größere Gemeinschaft. Nun sind es gerade diese drei genannten Dimensionen, die bei als psychisch krank geltenden Menschen zerstört worden sind und somit ist es in der sozialpsychiatrischen Praxis mit ihnen umso dringlicher, soziale und individuelle Bedingungen (mit)herzustellen. Erst die Erfahrung der wirksamen Einflussnahme auf die Lebenswelt, die Erfahrungen der Bestätigung/Anerkennung durch bedeutsame andere und die Zugehörigkeit zu einer als wichtig erachteten Mitwelt konstituieren eine soziale Chancenstruktur, die begründet als ein Gesundheit wieder ermöglichendes Setting bezeichnet werden kann (vgl. Siegrist, 1997, S. 102f.). Gleichwohl muss aus kritisch-psychoanalytischer Perspektive der Sachverhalt bewusst bleiben, dass Subjektbildung sich nie ohne Verwicklung in gesellschaftliche Widersprüche vollzieht und auch eine psychoanalytisch orientierte sozialpsychiatrische Praxis immer in mehr oder weniger bewusste Machtdynamiken verstrickt bleibt.

Die Antipsychiatriebewegung und die daraufhin in Gang gesetzten gesundheitspolitischen Umstrukturierungen führten auch zu neuen Formen des Sprechens über psychische Erkrankungen. Mit der Enttabuisierung der Thematik psychischen Leids wurde eine gesellschaftliche Entwicklung eingeleitet, die sich einer entsubjektivierenden Praxis mit »Insassen« psychiatrischer Großkliniken vehement entgegenstellte. Verändert werden sollte die Perspektive auf die »Verrückten«, die nun als an den gesellschaftlichen Verhältnissen Leidende begriffen wurden. Gleichwohl sind als psychisch erkrankt geltende Menschen weiterhin mit Diskriminierungs- und Ausgrenzungspraktiken konfrontiert, die in gesellschaftlichen und psychiatrischen Ordnungs-, Denk-, und Handlungsmustern sedimentiert sind (vgl. Dörr, 2005, S. 13). Ausgehend von einem ambivalenten Charakter von Tabuisierungsprozessen und in Einstimmung mit Michel Foucaults Aussage, dass es »keine Kultur auf der Welt [gibt], in der alles erlaubt ist« (1988, S. 123), stellt sich demnach die Frage, welche Tabus gegenwärtig in gesellschaftlich verankerten (sozial-)psychiatrischen Institutionen (weiter)wirken, welche Funktion sie erfüllen und in welcher Weise ihr Verhältnis zu den nach wie vor wirkenden Ausgrenzungspraktiken verstanden werden können.

3 Tabu als ambivalente Grundbedingung für Kultur und Identität

Als Grundlagentext für die Beschäftigung mit Tabuisierungen gilt die kulturtheoretische Schrift Totem und Tabu (Freud, 1912–13), in der er einen Zusammenhang zwischen dem Tabu und dem Unbewussten herausarbeitet. In seinem Vorwort erläutert Freud (ebd.) die unterschiedliche Reichweite seiner Untersuchungen der beiden Phänomene. Während der Totemismus, ein Begriff aus der Ethnologie, eine in »unserem heutigen Fühlen entfremdete, in Wirklichkeit längst aufgegebene und durch neuere Formen ersetzte religiös-soziale Institution« bezeichnet, bestehe das Tabu »in unserer Mitte« (ebd., S. 292) fort.

In konzentrierter Klarheit hält er fest, dass Tabus als Grundbedingungen von Kultur zu begreifen sind, die sowohl für den Einzelnen wie auch für das Kollektiv eine identitätsstiftende Sicherungsfunktion innehaben. Und es ist sein Bestreben, mit seinem Beitrag über die jeweilige Modellierung und Reichweite für die individuelle Verhaltensdisposition wie auch für das gesellschaftliche Miteinander aufzuklären.

Das Tabu gilt ihm als »uraltes Verbot, von außen (von einer Autorität) aufgedrängt und gegen die stärksten Gelüste gerichtet« (ebd., S. 326). Dabei weist er dem Tabu eine doppelte, entgegengesetzte Bedeutungsrichtung zu: »Es heißt uns einerseits: heilig, geweiht, andererseits: unheimlich, gefährlich, verboten, unrein« (ebd., S. 311). In dieser widerstreitenden Wortbedeutung ist ein Verweis auf eine dem Tabu eingeschriebene Psychodynamik angelegt, die Freud als »Ambivalenz der Gefühlsregungen« begreift. Mit Blick auf die Zwiespältigkeit von Gefühlen erläutert er den Mechanismus des Festhaltens an Tabus, indem er konstatiert, dass »die ursprüngliche Lust, jenes Verbotene zu tun, […] fortbesteht. Die Menschen […] möchten im Unbewußten nichts lieber als sie übertreten, aber sie fürchten sich auch davor; sie fürchten sich gerade darum, weil sie es möchten, und die Furcht ist stärker als die Lust« (ebd., S. 323). In der Weise fungiert das Tabu als »Kompromißsymptom des Ambivalenzkonfliktes« (ebd., S. 356), der sich im Subjekt in ständiger Virulenz entfaltet, denn dem Tabu kommt eine »Zauberkraft« (ebd., S. 326) zu, die die Menschen ständig in Versuchung bringt. Die Übertretung gewisser Tabus stellt eine soziale Gefahr dar, die »in der Möglichkeit der Nachahmung [besteht], in deren Folge die Gesellschaft bald zur Auflösung käme« (ebd., S. 325). Den Tabubrechenden droht der Ausschluss aus der neidenden Gemeinschaft. »Der Mensch, der ein Tabu übertreten hat, wird selbst tabu, weil er die gefährliche Eignung hat, andere zu versuchen, daß sie seinem Beispiel folgen« (ebd., S. 324). Freuds Ausführungen machen einsichtig, dass Tabuisierungen für den Einzelnen und für die Gemeinschaft durch ihre hohe affektive Besetzung sowohl als intrapsychische als auch als interpersonale und gesellschaftliche Bewältigungsstrategie betrachtet werden können.

In der aktuellen interdisziplinären Auseinandersetzung zu Fragen der Tabuisierung wird diese Freud’sche Einschätzung erweitert. Allgemein wird in neueren Diskursen in Übereinstimmung mit Freud daran festgehalten, Tabus als Meidungsgebote zu begreifen, die als Kompromiss-Symptome von Ambivalenzkonflikten Wirkung entfalten, und deren Übertretung mit der Bedrohung einhergeht, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Auch die sowohl kollektive wie individuelle identitätsstiftende Sicherungsfunktion von Handlungs-, Berührungs- und Wahrnehmungstabus wird gemeinhin geteilt (vgl. u.a. Gutjahr, 2008; Kraft, 2004; List, 2014; Schröder, 2008).

Jedoch widerspricht z.B. Kraft Freuds phylogenetischer Herleitung von Tabus von einem spekulativen Ur-Tabu und pointiert ihre kulturelle Genese, der er zudem eine lebensgeschichtliche Herausbildung hinzufügt. Hatte Freud den Zusammenhang von Tabu und Unbewusstem untersucht, dehnt Kraft (2018) sein Nachdenken auf bewusste und vorbewusste Tabus aus und betont, dass die »Inhalte der Tabus […] keineswegs immer gegen ›die stärksten Gelüste des Menschen gerichtet‹« (ebd., S. 9) sein müssen.

Weiter verweist er auf die Vielfalt der Quellen und Funktionen von Tabuisierungen, indem er am Beispiel des Holocaust das Ausklammern schuld- und schamhaft erlebter Ereignisse aus gesellschaftlichen Diskursen sowie am Beispiel des sexuellen Missbrauchs individuelle Distanzierungen von traumatischen Erlebnissen in den Blick nimmt. Vor diesem Hintergrund begreift er Tabuisierungen als »effektive Methode, um peinliche oder schmerzliche Erinnerungen und damit in Zusammenhang stehende Gespräche, Handlungen und Assoziationen aus dem Diskurs oder auch aus dem Bewusstsein […] auszuschließen« (Kraft, 2014, S. 941). Tabus markieren also Grenzen des Handelns, des Sprechens und des Denkens und erfüllen eine Entlastungsfunktion der je spezifischen, in Kultur eingebundenen Gemeinschaft. Zugleich sind Tabus und Tabuisierungen immer auch ein explizites Herrschaftsmittel: »Wem es gelingt, seine Sprachtabus zu verbreiten, durchzusetzen, der hat auch in der Sache zuweilen schon einen Teilerfolg erzielt« (Betz, 1978, S. 144, zit. n. Schröder, 2013, o.S.). Wo Tabus existieren, wird nicht nur geschwiegen, sondern auch verdrängt, manipuliert und Sprachlenkung betrieben. Unter dem Machtaspekt lässt sich auch die Sonderform der »Tabuisierungen eines Tabubruchs« durchschauen, die sich in patriarchalen Gesellschaften beispielsweise im langjährig verschweigendem Umgang mit dem Tabu des intrafamiliären Missbrauch zeigen (vgl. Kraft, 2014, S. 941).

Unter Bezugnahme auf Parins (2001) Forschungen zur politischen Funktion von Tabuisierungen und Perners (1999) Untersuchungen zum Tabuisierungsgeschehen in Familien beleuchtet Kraft die Gruppendynamik der Aufrechterhaltung von Tabus. Diese Machtdynamik entfaltet sich im Zusammenwirken von Tabugeber, Tabuwächter und Tabubrecher: Während der Tabugeber mit Macht (Mana) ausgestattet ist und so die Chance hat, Handlungs-, Sprech- und Denkverbote in der Gemeinschaft durchzusetzen, gibt es Angehörige der Gruppe, die existenziell von Angst und Scham angetrieben darauf achten, dass die »unsichtbaren gesellschaftlich festgelegten Regelsysteme« (vgl. Schröder, 2013) eingehalten werden, mit denen sie identifiziert sind. Tabubrüche lassen sich auch als Seismografen kultureller Entwicklung begreifen. Identität und Tabubruch stehen in einer Wechselwirkung: Denn verändern sich die gesellschaftlichen Bedingungen und ihr Verhältnis zu individuellen sowie kulturellen Anforderungen, dann verliert z.B. ein Sprechverbot seine bisherige identitätssichernde Funktion. Mit der Behinderung der Bewältigung des konflikthaften Verhältnisses zwischen Triebwünschen und kultureller Ordnung wächst bei den Mitgliedern der Gemeinschaft der Druck zur Aufhebung der bisher nicht hinterfragten Wertsetzungen. Ist dies erfolgt, kann sich eine Änderung individueller und kollektiver Identität vollziehen. So erweisen sich Tabubrüche nicht einseitig als Gefahr für die Sicherung von Identität, sondern sie können auch die Funktion der gesellschaftlichen Transformation durch Prozesse der Enttabuisierung einnehmen. Somit können diese als produktive Krise im kulturellen Selbstverständnis wirksam werden (vgl. Gutjahr, 2008, S. 49).

Inzwischen gilt der Tabubruch im sozialen Miteinander geradezu als Signum für gesellschaftliche Umbrüche und Fortschritt. Im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts konnte beobachtet werden, dass Enttabuisierungen zur Befreiung von verkrusteten Vorstellungen, Lebensentwürfen und gesellschaftlichen Zwängen führten, die sich auch in Gesetzestexten niederschlugen. So eröffnete erst die Brechung der Tabuisierung des Inzesttabus die Chance, die Verletzungen der Überlebenden sexueller Gewalt zur Sprache zu bringen. Wenngleich die Thematisierung sexueller Gewalt weiterhin durch patriarchale Strukturen sowie Schuld- und Schamgefühle blockiert ist, entstehen zunehmend Räume, in denen das erfahrene Leid Anerkennung erfährt. Was vormals aus der (Erinnerungs-)Kultur – durch Schweigen, Nicht-Tun und Nicht-Darstellen – ausgeblendet, sprich tabuisiert wurde, konnte in Ansätzen Eingang in Diskurse, Aktionen und Darstellungen finden. Dies bietet zumindest die Chance auf eine Unterstützung zur Bearbeitung der Verletzungen, die zuvor oft gänzlich verwehrt blieb.

Gleichwohl führen Enttabuisierungen keineswegs zu einem Ende von Tabus. Im öffentlichen wie im privaten Raum etablieren sich fortwährend neue Tabus. »Es gibt keine Gesellschaft ohne Tabus. Eine totale Enttabuisierung würde menschliches Zusammenleben zum Verschwinden bringen« (Kaltenbrunner, 1978, S. 165). Damit ist erneut auf die grundsätzliche Ambivalenzstruktur von Tabus verwiesen. Während sie zum einen beschneidend und unterdrückend wirken, vertreten sie »gleichsam die Rechte des als schützenswert erachteten Impliziten einer Kultur und stehen zugleich auch für die Bedrohung dieser Einhegungen« (Gutjahr, 2008, S. 47f.).

4 Annäherungen an einen symboltheoretischen Zugang zu Tabus

Schröder (2013, o.S.) betrachtet Tabus zusätzlich aus einer sprach- bzw. symboltheoretischen Perspektive:

»Sie markieren etwas, was eigentlich gar nicht oder nur unter Einhaltung bestimmter Bedingungen kommuniziert werden soll. Sie sind Teil der negativen Konventionen, die stark affektiv geladen sind, weil sie tief verwurzelte und nicht hinterfragbare Normen und Werte einer Kultur betreffen«.

Damit verweist er auf die semiotische Paradoxie von Tabus. Symbolisch realisieren sich Tabus als Euphemismen und andere Platzhalter wie beispielsweise Umgehungsstrategien. Damit stehen diese für etwas, »was eigentlich nicht bezeichnet werden soll« (ebd.). Und da »sowohl Denotation als auch Konnotation […] vermieden werden«, lassen sich selbst durch Auslassung entstehende Leerstellen im Diskurs als Zeichen begreifen, die Tabuisierung markieren. Auslassung – Nicht-Symbolisierung – funktioniert »trotz des Fehlens eines expliziten Signifikanten dennoch wie ein Signifikant« (ebd.).

Ebenfalls symboltheoretisch orientiert kritisiert List (2014, o.S.) den inflationären und banalisierenden Gebrauch des Tabubegriffs, mit dem eine fundamentale Sinnentleerung einhergeht. Auch sie betont die Grenzen der sprachlichen Symbolisierung von tabuisierten Inhalten. In diesem Zuge fügt sie der sprach-symbolischen Perspektive eine sinnlich-symbolische Bedeutungsebene hinzu und verweist auf die Bedeutung des Tabus als »Ur-Referenz allen Rechts« (ebd.), die als sinnliche Schranke in die Körper der Menschen eingeschrieben ist. Damit hebt sie die leib-sinnliche Fundierung von Tabus hervor, die sich – in Abgrenzung zu diskursiv vermittelten Verboten – an der Grenze zum Undenkbaren formieren und nicht ohne weiteres sprachlich zu symbolisieren sind.

»Im Unterschied zur Radikalität des Tabus ist ein einfaches Gesetz eine symbolisch und diskursiv bestimmte Regel und als solche verhandelbar und veränderlich. […] Das Tabu ist hingegen sinnlich fundiert, markiert die Grenze zum Undenkbaren und entzieht letztlich sich der Rede« (ebd.).

In der Weise betrachtet sie das Tabu als archaische Barriere psychosozialer Art, die den menschlichen Körper, in dem die symbolische Ordnung elementar verankert ist, physisch, symbolisch-sozial und subjektiv-imaginär durchdringt. Damit forciert sie die primordiale Relevanz von Tabus für die psychostrukturelle Entwicklung in ihrer anhaltend wirksamen Ambivalenz zu den primären Bezugspersonen. »Es konstituiert sich präindividuell und weitgehend präverbal und wirkt als intergenerationell kollektiv vermittelte Wahrnehmungs- und Abwehrstruktur natürlich unbewusst und entzieht sich subjektiver Steuerung und Erklärung« (ebd.).

Auch Alfred Lorenzer greift Prozesse der Tabuisierung, die bereits in der frühkindlichen Sozialisation stattfinden, in seiner materialistischen Sozialisationstheorie, die eng mit seiner Symboltheorie (1970a) verwoben ist, dezidiert auf, wenngleich der Tabubegriff als solcher in seinen Schriften nur spärlich auftaucht. Er spricht in diesem Zusammenhang von »verpönten Lebensentwürfen« und versteht darunter »bestimmte Interaktionsformen«, die mit der Einführung in Sprache – und somit in Kultur – »aus dem Denken getilgt« (Lorenzer, 2002, S. 188) werden. Bestimmte Interaktionsformen bilden sich, so Lorenzer (1972), als Wechselspiel zwischen innerer und äußerer Natur – zwischen Leiblichkeit und Sozialität – bereits im embryonalen Stadium aus.

»Das Nicht-Triviale an der Einsicht in dieses Wechselspiel ist, daß es sich hier nicht um einen puren Naturprozeß handelt, sondern daß genau dies der Weg ist, auf dem der Naturprozeß der Entwicklungsphysiologie und Entwicklungspsychologie des Kindes zugleich sozialer Formungsprozeß wird« (Lorenzer, 1981, S. 88).

Als Reformulierung des Freud’schen Triebbegriffs gelten ihm Interaktionsformen als die Grundelemente der individuellen Struktur, die als »Niederschlag real erlebter Szenen« (ebd., S. 87) von Beginn an mittels der »Körpersensorik und der Körpermotorik, nervöser und zentralnervöser Registrierungen« (Lorenzer, 2002, S. 125) aufgenommen und darüber als Erinnerungsspuren in den Leib eingeschrieben werden. Interaktionsformen sind leiblich verankerte soziale Inhalte – Erfahrungs- bzw. Erlebnisstrukturen –, die als »Erwartungsformeln des zukünftigen Interagierens« (Lorenzer, 1981, S. 86) wiederum soziale Situationen formen. Damit wird »die Sozialität der menschlichen Persönlichkeit in der Tiefe des Körpers verankert« (Lorenzer, 2002, S. 132). Verhaltensstruktur und Körperstruktur bilden eine Einheit – die »psychophysische Verhaltensstruktur [wird] aus menschlichen Praxisfiguren und d.h. Lebensentwürfen gebildet« (ebd., S. 126).

Insofern begreift Lorenzer das Unbewusste als »sprachloses Sinnsystem« (2002, S. 82, Herv. d. Verf.) – d.h. als eigenständiges Wirkungssystem, das sich unabhängig von sprachlichen Regeln konstituiert. Unbewusste Inhalte verfügen als in den Körper eingeschriebene »soziale Figuren« über einen ausschließlich »szenisch-sozialen Charakter« (ebd., S. 140). Im Zuge der Bewusstseinsbildung erfolgt ein Vermittlungsprozess zwischen den psychophysisch gebildeten inneren Interaktionsformen und den von außen herangetragenen Sprachsymbolen.

»Das Bewußtsein wird durch das Zusammentreten von beiden Seiten her gebildet […]: Die Bedeutungen werden weder von der einen noch von der anderen Seite in die Vermittlung eingebracht, sondern entstehen durch die Verbindung von Wortvorstellungen (d.h. Sprachfiguren) und ›Situationsassoziationen‹, die aus Interaktionsformen bestehen. Beide Seiten bilden zusammen das Bewußtsein und seinen Inhalt« (ebd., S. 176).

Mit der Einführung in Sprache als »systematisches Instrument der sozialen Ordnung und Lebenspraxis […] [und] grundlegender Ort des sozialen Konsenses« (ebd., S. 156) geht ein »Kultivierungseffekt« (ebd., S. 191) einher, der in der Vermittlung zwischen einverleibten Praxisentwürfen und kulturellen Anforderungen besteht. Jedoch verläuft diese Verknüpfung von Wort- und Sachvorstellung – die Bewusstseinsbildung durch Einführung in Sprache – nicht ohne strukturierende Unterwerfung der unbewussten Praxisfiguren unter die Systematik der Sprache und damit unter die Normen und Werte der Kultur. Sprachsymbole unterliegen in ihrem diskursiven Gehalt einem Konformitätszwang zu sozialen Regeln, Normen und Werten. »Denn so wie die Sprache als Erkenntnissystem Widerspruchsfreiheit verlangt, so fordert sie auch systematische Unterwerfung unter den geschlossenen Kodex ihrer Lebensanweisungen« (ebd., S. 179). Dabei bleiben Teile der unbewussten Inhalte hinter der Versprachlichung und damit hinter der Bewusstwerdung zurück – und zwar dann, wenn die Praxisentwürfe nicht mit den soziokulturellen Regeln in Einklang gebracht werden können. »Es geht um ein Verlangen, das unbewußt ist, weil es sozial nicht zugelassen wird, nicht bewußt gewußt werden darf, da es dem geltenden Bewußtsein, den herrschenden Normen und Werten widerspricht oder aber diese übersteigt« (Lorenzer, 1991, S. 29).

Beschränkt sich Lorenzer (1970b, 1972) in seinen früheren Arbeiten vor allem auf die Verknüpfung der »bestimmten« Interaktionsformen mit Sprachsymbolen, denen er weitestgehend eine diskursive Qualität zuweist, so führt er später (1981) den Begriff der sinnlich-symbolischen Interaktionsform ein, und benennt damit die Relevanz von nicht verbalen symbolischen Repräsentationen, wodurch er die radikale Sprachgebundenheit des Bewusstseins relativiert. Zur Anschauung dient ihm das kindliche Spiel mit Gegenständen, denen das Kind eine Bedeutung gibt (vgl. ebd., S. 155f.). Diese nicht verbalen, sinnlichen Symbole werden – ebenso wie die Sprachsymbole – mit den bestimmten, den organismischen Interaktionsformen verknüpft und bilden als sinnlich-symbolische Interaktionsformen eine eigene Entwicklungslinie aus.

Wie bereits angedeutet, bildet die diskursive Symbolordnung der Sprache »insgesamt eine Einheit, der sich die auszubildenden Sachverhalte unterwerfen müssen. Das konkret Einzelne – Gegenstände oder Szenen oder andere Erscheinungen – kann nur soweit sprachlich repräsentiert werden, wie es sich ›dieser besonderen Ordnung‹, den ›festgelegten Äquivalenzen‹ fügt« (Lorenzer, 2002, S. 75). Zugleich insistiert Lorenzer ausdrücklich auf die »Doppelnatur der Sprache«, indem er den Sprachsymbolen auch einen präsentativen Charakter zuschreibt. Sprache realisiert nicht nur denotative Aussagen, sondern stellt als gesprochene Rede über Tonfall, Mimik, Gestik usw. auch ein Ausdrucksverhalten dar, in dem der Sprecher seine Gefühle mitteilt (vgl. Schmid Noerr, 2000, S. 469). Sprache tritt als präsentatives Symbolsystem dann in Erscheinung, wenn sie innere Szenen – Niederschläge erlebter Interaktion und Entwürfe kommender Interaktionen – bildhaft vermittelt. »In der szenischen Gestalt vermag die Rede ›Bilder‹, bildhafte Gestalten herzustellen« (Lorenzer, 2002, S. 76). Am deutlichsten wird dieser Gedanke am Beispiel der Poesie. Als präsentative Symbolik eignet sich Sprache als szenisch organisierte Anzeigerin nicht normgerechter Lebensentwürfe.

»[U]nbewußte Erlebniserwartungen, unbewußte Praxisfiguren [können] gegen einen Zensor inszeniert werden. Dabei kann es um neue soziale Inhalte gehen, also neue Aktionsformen des Verhaltens, oder um neue Rezeptionsformen, neue Darstellungen des Erlebens, oder um das Wiederaufgreifen geschichtlich vergangener Erlebnisformen, deren Widerstandspotential gegen bestehende Verhältnisse zu reklamieren ist« (Lorenzer, 1986, S. 59f.).

Eindrücklich und in Hinblick auf Tabuisierungsprozesse aufschlussreich zeigt Lorenzer auf, in welchem Verhältnis der Kultivierungseffekt der Sprache zu subjektiven, gesellschaftlich unerwünschten und somit verpönten Triebwünschen steht: Verpönte Lebensentwürfe werden aus dem bewussten Denkzusammenhang entfernt, ohne dass dieser hierdurch destabilisiert würde.

»Denn die Sprache hält weiterhin das Individuum im Systemzwang gefangen. Die Sprachlosigkeit ist nur punktuell. Das verpönte Verhalten ist zwar unterdrückt, da der unstatthafte Lebensentwurf – die Interaktionsformen – aus dem Denken getilgt und der freien bewußten Verfügung durch die Individuen entzogen wurde, aber das reißt keine Lücke ins Bewußtsein. Oberhalb der verpönten Interaktionsform wird der Denk- und Handlungszusammenhang mit einem ›falschen Namen‹, den Freud ›Rationalisierung‹ genannt hat, abgedeckt. Der Denkzusammenhang bleibt gewahrt, die Weltansicht erscheint so vollständig wie eh und je« (Lorenzer, 2002, S. 188).

Mit den Sprachsymbolen gehen auch die den Triebwünschen entsprechenden Handlungsentwürfe verloren, ohne dass hierüber subjektiv bewusst verfügt wird.

Während Lorenzer den Prozess der Verdrängung als »Desymbolisierung« – d.h. als Zerfall der vermittelten Verbindung zwischen Sprachfiguren und bestimmten Interaktionsformen – konzipiert, verbindet Gunzelin Schmid Noerr (2000) Lorenzers Symboltheorie in kritischer Weiterentwicklung mit weiteren semiotischen Erkenntnissen. Dabei hält er mit Lorenzer an dem strukturellen Unterschied zwischen Sprachsymbolen und sinnlichen Symbolen fest, fügt dieser Unterscheidung aber weitere Symbolisierungstypen hinzu. Diese differenziert er hinsichtlich ihrer somatischen (körperliche Erinnerungssymptome), aktionalen (Fehlleistungen) oder mentalen (Traumbilder) Materialisierung, welche auch einen symptomatischen Charakter aufweisen können. Die drei sich gegenseitig nicht ausschließenden Typen werden, so Schmid Noerr, in enger Anlehnung an Freuds Ausführungen zur Traumarbeit, figürlich bearbeitet. Dabei unterscheidet er hinsichtlich der Bearbeitungsstruktur zwischen Metonymie als »Verschiebung auf eine andere (ursprünglich weniger intensive) Vorstellung« (ebd., S. 462) und Metapher als »Verdichtung von Assoziationsketten zu einer einzigen Vorstellung« (ebd.). Mit diesen Überlegungen betont er die figürlichen – und d.h.: wenn auch nicht-sprachlich, dennoch weiterhin symbolisierten! – Gestaltungsformen, mit denen sich das Unbewusste partiell und teils unwillkürlich zur Darstellung bringt (vgl. ebd., S. 463).

Die von Schmid Noerr weitergedachten symboltheoretischen Ausführungen Lorenzers, in Verbindung mit der mit diesen methodologisch eng verwobenen tiefenhermeneutischen Kulturanalyse, ermöglichen einen empirischen Zugang zur tabuisierten Lebenspraxis – geht es in der Tiefenhermeneutik doch geraden darum, »die hinter dem Sprachschleier, dem falschen, sozial angepaßten Gerede verborgene Lebenspraxis, die sozial verbotene und deshalb verdrängte Lebenspraxis aufzuspüren« (Lorenzer, 2002, S. 68).

In Anlehnung an Lorenzers Theorie und Methodologie und die daran anknüpfenden weiterführenden Überlegungen von Schmid Noerr werden wir im Folgenden Interaktionssequenzen zwischen Fachkräften und Adressat*innen aus der sozialpsychiatrischen Praxis in Hinblick auf Prozesse der Tabuisierung und ihre spezifische Funktion und Wirkung betrachten.

5 Tabuisierung als Bewältigung überwältigender Affekte?

Nachfolgend betrachten wir beispielhaft Interaktionssequenzen zwischen Adressat*innen und Fachkräften der Sozialpsychiatrie, die von Forschenden des Verbunds VISION-RA begleitet wurden.

Beispiel 1

In einem Rekonstruktionsgespräch erteilt eine Fachkraft [F] in einer gemeindepsychiatrischen Wohnform einem Bewohner [B] die Erlaubnis, positive Erfahrungen in die gemeinsamen Gespräche einzubringen. Unmittelbar folgend stellt sie klar:

F: Also, wir unterhalten uns über vieles nicht, ne? [B: Ja.] Mittlerweile funktioniert das tatsächlich auch ohne, dass ich das sagen muss. [B: Ja.] Wir unterhalten uns zum Beispiel in der Regel nicht über Selbstverletzung.

Ohne in diesem Artikel ausführlicher auf die latente Sinnebene einzugehen (vgl. dazu Dörr & Spiegler, 2022; Spiegler et al., 2023), zeigt sich hier bereits manifest ein konsequentes Sprechverbot, das machtvoll durchgesetzt wird. Mit dem Beispiel der Selbstverletzung ist ein Tabubruch angesprochen, der sogleich selbst einer Tabuisierung unterzogen wird. Selbstverletzung ist – ebenso wie Suizid – gesellschaftlich geächtet. Sie berührt das Gebot der Selbsterhaltung und bedroht das gemeinschaftliche Bestreben der Kulturerhaltung. So gerät die Fachkraft in der Interaktion in die Doppelrolle der gesellschaftlichen Tabuwächterin und ist in der konkreten Situation zugleich die Tabugeberin. Befremdlich ist, dass die Tabuisierung dieser Thematik auch in einer psychosozialen Einrichtung greift, die ja qua Definition mit Personen zu tun hat, die den Sinn ihrer Selbsterhaltung erwartbar gelegentlich infrage stellen, und deren Auftrag im Sinne einer Recovery-Orientierung darin läge, gerade die damit verbundene Hoffnungslosigkeit gemeinsam zu bearbeiten und (neuen) Sinn zu stiften. Betrachten wir Selbstverletzung als Ausdruck eines selbstbemächtigenden Selbstentwurfs, in der Verzweiflung, Schmerz und Anklage imponiert und sich körperlich sichtbar materialisiert, wird mit dem Schweigegebot sowohl das Leid, die Selbstwirksamkeit und die implizite Anklage des Bewohners als auch Ohnmacht der Fachkraft durch die Umgehungsstrategie zum Verschwinden gebracht und verursacht Leerstellen in der Interaktion. Zwar bleibt die sprachliche Symbolisierung auf einer Metaebene erhalten, indem ein explizites Aussprechen eines Sprechverbots stattfindet, jedoch wird die Thematik in den Alltagsinteraktionen implizit verboten. In der Alltagskommunikation erhält diese Auslassung die Qualität eines Signifikanten des tabuisierten – und das heißt: verpönten, aber weiter wirksamen – Inhalts. In der Metakommunikation hingegen vollzieht sich ein Rationalisierungsprozess, der die Verwendung des Sprachzeichens weiterhin erlaubt, es aber vom leib-sinnlichen Erleben entkoppelt. »Über den ausgefallenen Interaktionsformen schließt sich die Sprache wieder. Zwar kommt es zu insgeheimen Verzerrungen der Konsistenz, zu Verschiebungen und Verfälschungen der Sprachfiguren. […] Die ausgefallenen Interaktionsformen sind nicht einmal als negativ ausgestanzte Mangelerscheinungen greifbar. […] Als fixierte ›Klischees‹ (d.h. als desymbolisierte Interaktionsformen in ihrer schärfsten Ausprägung) liegen sie abrufbereit und werden auf spezifische Schlüsselreize hin in Aktion gesetzt« (Lorenzer, 1973, S. 108f.).

Beispiel 2

Die Interaktion zwischen dem Bewohner und der Fachkraft setzt sich wie folgt fort.

M: Sie ham grade gegrinst, als die Frau Feld gesagt hat, dass sie über Negatives nich miteinander, oder weniger sprechen. […]

B: Da hab ich an einen wichtigen, wichtigen Punkt gedacht. […] Ich weiß nich, ob ich das jetzt erzählen soll.

F: Achso, aber das hab ich damit ehm, hab ich aber nich gemeint mit Negativem. […] Das is ja nochmal en anderes, das is ja en ganz anderes Thema nochmal. [B: Ja.] Das würd ich da jetzt überhaupt nich mit rein, nicht mit einbeziehen. [B: Okay.] Sie dürfen das gerne sagen, wenn Sie es möchten. Für mich ist es in Ordnung, (unv.).

M: (…) Sie müssen sich aber nicht gezwungen fühlen, ne?. [F: Sie müssen nich.] Sie reden nur über das was Sie reden/

B: Reden wir vom selben Thema?

F: Ich glaub schon. Ich dachte, also für mich is ja nich schl- Also wenn Ihnen das jetzt nich unangenehm is, jetzt vor der Frau Tischler, können Sies auch sagen. (.) Ich mein, müssen Sie nich.

B: Nee, lieber nich.

Aus dem vollständigen Datenmaterial ist bekannt, dass der Bewohner in die Fachkraft verliebt ist. Zugleich ist er mit einer im Team besprochenen Anweisung konfrontiert, gegebenenfalls ausschließlich mit anderen Teammitgliedern über seine Verliebtheitsgefühle sprechen zu dürfen. Offenbar soll das gesetzlich sanktionierte Inzestverbot zwischen Fachkraft und Adressat bereits auf der Ebene der Vorstellung bewacht werden.

Doch bleibt das Thema in dieser konkreten Sequenz virulent, was in der mimischen Symbolisierung des Grinsens zum Ausdruck gebracht wird. Die Nachfrage der Moderatorin fordert vor diesem Hintergrund zu einem Tabubruch auf, indem sie dem Bewohner die Möglichkeit eröffnet, über sein sexuelles Begehren zu sprechen.

Dieses Unterfangen scheitert in der gemeinsamen Inszenierung. Die Symbolisierung gelingt nicht einmal mehr auf der Metaebene der Frage: Was ist zwischen uns besprechbar und was nicht? Die sprachsymbolische Auslassung ist allumfassend und wird auch von der außenstehenden Moderatorin umgehend unterstützt. Alle drei Interaktionsbeteiligten wachen gemeinsam über die Einhaltung eines Meidungsgebots, auch wenn alle drei Interagierenden kleine, widersprüchliche Impulse zum Tabubruch setzen.

Die hier dargebotene Tabuisierungsdynamik scheint tiefer gelagert als die oben besprochene. Die emotional hoch bedeutsamen Widersprüchlichkeiten in den Affektlagen und ihrem Verhältnis zu den gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen erzwingen, dass »unter dem Druck der Sprach- und d.h. der Handlungskonsistenz die verpönten Interaktionsformen ihre Prädikatoren abgeben« (Lorenzer, 1973, S. 108). Mit der sprachlichen Desymbolisierung durch die Aufspaltung von Sprache und Interaktionsform unterwerfen sich die Beteiligten gemeinschaftlich unter den sprachlich symbolisierten – und: gewisse Inhalte gerade durch sprachliche Nicht-Symbolisierung ausschließenden – sozialen Konsens (vgl. Lorenzer, 2002, S. 188). Während die Konsistenz der Sprachsymbole – und mit ihnen die gesellschaftliche Ordnung – gerettet ist, findet der tabuisierte Inhalt seinen symbolischen Ausdruck in der leib-sinnlichen Reaktion der Mimik und kann so seine Virulenz bewahren. So passen sich die Beteiligten zwar den Regeln der sozialen Ordnung an, doch unterdrücken sie damit ihre – wenngleich differierenden – Bedürfnisse »im Dienst der Anpassung« und verlieren damit ihre »subjektive Selbstverfügung« (ebd., S. 188). Während seitens des Bewohners, der sein Begehren zwar andeutet, letztendlich aber nicht verbalisiert, das Bedürfnis nach Gesehenwerden bzw. Anerkennung seiner Verliebtheit unterdrückt wird, unterjocht die Fachkraft, die sich vordergründig durch ihr implizites Sprechverbot durchsetzt, ihr Bedürfnis, sich selbst als (hinreichend) gute professionelle Sozialpädagogin anerkennen zu können, die sich ihrem Adressaten zur Bearbeitung seiner inneren Konflikte zur Verfügung stellt.

Beispiel 3

In einem aus dem eigentlichen Projektrahmen herausfallenden Interventionsgespräch teilen die Forschenden zwei Fachkräften der Einrichtung ihre Missbrauchsassoziationen aus der tiefenhermeneutischen Auswertung eines Rückkopplungsgesprächs mit einem ca. 70-jährigen Bewohner und der fallverantwortlichen Fachkraft mit. Die Forschenden erläutern, dass diese Hypothese sich aufgrund des Symbolgebrauchs des Bewohners ergab, der über verschiedenste Bilder immer wieder gewaltsame, in den Körper eindringende Erfahrungen vermittelte. Darauf ereignete sich folgender Gesprächsverlauf:

M: Und ganz konkret die Frage, ist das ’n Thema innerhalb des Teams, seine biografischen Erfahrungen, die er dann in dieser eigentümlich, als schizophren bezeichnenden, äh, Symboliken äußert?

F2: […] Natürlich denkt man erstmal drüber nach, also mit sieben fing das an. Wieso so früh? Wie kann es dazu gekommen sein? […] Das war schon, äh, ja, merkwürdig. Aber, ähm, ich weiß jetzt auch nicht, ob wir ’ne grundsätzliche Haltung als Team haben, zu, äh, Missbrauch im Kindesalter oder ich weiß nicht, ob es hier von der Einrichtung aus irgendwie so ’n (..) weiß ich nicht, ’ne grundsätzliche Haltung gibt.

M: Ähm, aber wenn Sie sich vorstellen, diese Erdung, nehmen wir dieses Bild. […] Stellt Euch das mal vor. […] Also, da hat mir einer seinen Schwanz in den Arsch gesteckt?

F2: Nee, er hat gesagt: »Man muss sich irgend so ’n Gegenstand« (zögernd) [M: Ja, ja.] ähh, da muss man sich draufsetzen oder sich reinschieben oder reinführen, einführen, irgendwie so.

M: Ja, aber das sind ja alles Symbole im Grunde genommen. […]

F1: Ich glaub’ soweit/ Also ham/ Also ich glaub’ tatsächlich auf diesen Gedanke, sind wir als Team in dem Sinne noch nicht gekommen. […] Also schon. »Das ist irgendwie komisch, irgendwas passt da nicht, […] das klingt irgendwie schon so ’n bisschen nach Missbrauch.« Aber wirklich so speziell auf diesen Gedanken, sind wir glaub’ ich als Team noch nicht gekommen.

Erkennbar wird in dieser Sequenz, dass in dieser Einrichtung die Thematik des sexuellen Missbrauchs so sehr tabuisiert ist, dass sie gänzlich vermieden werden muss, ja nicht einmal gedacht werden kann. Obwohl sich offenbar auch bei den Fachkräften bereits wiederholte Momente einer aufscheinenden Ahnung von Missbrauchserfahrungen des Bewohners einstellten, findet diese Ahnung keinen Einzug ins kollektive Bewusstsein und in den teaminternen Diskurs. Sogar ist unklar, ob innerhalb der Einrichtung überhaupt eine gemeinsame Linie des Umgangs mit sexuellen Gewalterfahrungen als Orientierung zur Verfügung steht.

Erst durch die drastische, offen aggressive Aufforderung der Moderatorin, sich bildlich vorzustellen, da hat mir einer seinen Schwanz in den Arsch gesteckt, vollzieht sich ein Tabubruch, der im Rahmen dieses Gesprächs erlaubt wird, allerdings ermöglicht nur durch eine Verzerrung bzw. Verfälschung, die durch eine Verschiebung erfolgt. Die Vorstellung vom Schwanz wird auf irgend so’n Gegenstand verschoben und das passive Erleiden wird in ein aktives – selbst durchgeführtes – Handeln transformiert. Durch die Verschiebung auf einen Gegenstand, die mit einer Veränderung der Konnotation einhergeht, werden die Affekte gemildert, die von dieser drastischen Vorstellung provoziert werden. Darüber kann eine tendenzielle Enttabuisierung des sexuellen Missbrauchs erfolgen. Der tabuisierten Thematik wurde seitens der Moderatorin mit der Brechstange die Tür geöffnet, doch sogleich von einer der Fachkräfte in ein affektiv weniger bedrohliches Bild transformiert und kann so ihren Platz im Denk- und Gesprächsraum weiter behaupten.

An dieser Stelle offenbart sich die hoch ambivalente Grundstruktur von Tabus und ihren Brüchen. Zwar kann die inhaltliche Verschiebung des Vorstellungstabus ein vorsichtiges Sprechen in Gang setzen und vermag potenziell eine veränderte, förderlichere Interaktionspraxis zu erzeugen. Doch ist damit sogleich eine weitere Gefahr verbunden, die gebannt werden muss. Mit der bildhaften Vorstellung der Missbrauchserfahrung erhalten auch die damit verbundenen schmerzlichen Affekte Einzug in die Begegnungen und drohen, auf die Anderen überzugehen. Sowohl in ihrer sprachlichen wie auch in ihrer figürlichen Symbolisierungsform fungiert die Missbrauchserfahrung als Angst generierende Mahnung an die anthropologische Tatsache der eigenen Vulnerabilität. Die Ansteckung an den mit der Erfahrung einhergehenden Affekten muss zum Schutz der eigenen Integrität vermieden werden.

Zudem stellt die Enttabuisierung der konkreten Missbrauchserfahrungen des Bewohners eine Gefahr der Integrität der Fachkräfte dar. Denn mit der Bewusstwerdung seiner biografischen, anhaltend wirkenden Verwundungen werden auch eigene Versäumnisse in der Erfüllung des sozialpsychiatrischen Auftrags im langjährigen »Betreuungs«verhältnis virulent. Die vorliegende Sequenz verdeutlicht, dass das Gewahrwerden der eigenen Versäumnisse umso unaushaltbarer wird, je weniger fachliche und institutionelle Orientierung im Umgang mit Menschen mit Missbrauchserfahrungen im Kindesalter zur Verfügung steht. Ohnmachts- und Ratlosigkeitsgefühle wirken als verstärkende Anzeiger eigener Unzulänglichkeit im professionell-sozialpädagogischen Umgang und drohen, das eigene professionelle Ich-Ideal infrage zu stellen. Folglich kann das Tabu nicht schlicht überwunden werden, sondern der Tabubruch erfordert eine Verschiebung des »angstbesetzten Schwellenphänomens«, das wegen seiner »potentiellen Kraft zu Zerstörung und Vernichtung, zu Exzess und Auflösung überhaupt erst etabliert wurde« (Gutjahr, 2008, S. 48). Zum Schutz des Selbstverständnisses und der Selbstachtung erfolgt auf die Enttabuisierung der Missbrauchserfahrungen des Bewohners eine Tabuisierung der eigenen Unzulänglichkeiten der Fachkräfte. Die Tabuisierungsdynamik wird – wenn auch mit verändertem Inhalt – aufrechterhalten werden. Es offenbart sich ein Abwehrmechanismus, der zugleich auf intrapsychischer, interpersonaler und institutioneller Ebene wirksam ist. »In diesem Sinne können wir Tabus als eine Bewältigung oder auch Abwehr von Identitätsdiffusion oder sogar Identitätsverwirrung (Desintegration) auffassen« (Kraft, 2018, S. 9), die insbesondere dann wirkmächtig wird, wenn die Tabuisierung an als Schutzräume deklarierten Orten institutionell vorgeformt ist.

6 Tabu und Scham – eine brisante Dynamik

Allen Sequenzen gemeinsam ist eine in die Interaktionen eingewobene Dynamik zwischen Tabu und Scham. In der ersten Sequenz wird eine Macht-Ohnmacht-Konstellation vorgeführt, die für beide Beteiligten mit einer Bedrohung ihrer psychosozialen Integrität verbunden ist, die über ein Sprechtabu eingehegt wird. In ähnlich schambesetzter Weise setzt sich auch in der zweiten Sequenz das Sprechtabu durch, wobei dieses zwar durch eine widerständige leib-sinnliche Symbolbildung des Bewohners kurzfristig gebrochen wird, doch bleiben die Protagonist*innen dem Meidungsgebot letztlich verpflichtet. Das letzte Beispiel berührt sowohl die Bewusstwerdung eigener Vulnerabilität, die schamhaft besetzt ist, als auch das Gewahrwerden eigener professioneller Unzulänglichkeiten.

Doch wie steht Scham im Verhältnis zu (Ent)tabuisierung? Das Wort »Scham« stammt aus dem altgermanischen skam/skem und bedeutet sich zudecken, verschleiern, verbergen. Die Etymologie des Schambegriffs lässt bereits eine enge Verflechtung des Schamerlebens mit Tabuisierungsprozessen erahnen. Mit der Scham ist ein affektives Erleben benannt, das eine Bedrohung des zwischenmenschlichen Vertrauens und der inneren Sicherheit anzeigt. Insofern ist Scham als Schutzgefühl zu begreifen, das die Integrität des Selbst bewacht (vgl. Joraschky, 1998; Meyer-Drawe, 2009).

Gerlach (2008) begreift Scham als intersubjektiven Vorgang und verweist darauf, dass ohne die reale Gegenwart Anderer oder deren Präsenz als verinnerlichte Wertinstanz Schamerfahrungen nicht denkbar sind. Entsprechend versteht er Schamgefühle als Ergebnis von Ich-Ideal-Konflikten. Im Widerstreit des realen mit dem idealen Selbst keimen Ängste auf, die eigenen Abgründe könnten von anderen erkannt werden und die eigene Person in ihrer Ganzheit zum Objekt von Verurteilungen machen. Folglich steht die Scham in engem Zusammenhang mit Verdinglichung als Erfahrung der Ignorierung, Missachtung oder Verleugnung des eigenen Subjektseins (vgl. ebd.). Auch Tisseron (2000) betont den sozialen Aspekt des Schamaffekts und fasst die Schamangst als Angst vor sozialer Ächtung und Ausschluss aus der Gemeinschaft – eine Gefahr, die auch mit dem Bruch eines gemeinschaftlichen Tabus verbunden ist.

In ihrer Momenthaftigkeit begreift Neckel (1991) Schamgefühle als Verlust des Schutzes der Intimitätssphäre. Mit dieser Bedrohung geht eine Gefährdung der eigenen Kohärenz als Akteur*in, der Akzeptanz als Mitmensch und der Integrität als Person einher. Dabei unterscheidet er zwischen moralischer und sozialer Scham: Während moralische Scham das Gefühl benennt, Normverletzungen durch eigenes Handeln oder Unterlassen begangen zu haben, gilt die Sozialscham nicht dem Bösen, sondern als das Gefühl, in der eigenen Integrität verletzt worden zu sein, dem Schwachen und Defizitären. So sind es gerade Erfahrungen von Wirkungslosigkeit, die in engem Zusammenhang mit Macht-Ohnmacht-Konstellationen stehen, die sich häufig, so Wurmser (1990), in Form von Scham-Wut-Konstellationen äußern. Denn aus der Beschämung Anderer erwächst das Gefühl eines Zugewinns eigener Mächtigkeit. Eigene unerträgliche Schamgefühle werden auf andere projiziert und müssen nicht mehr gespürt werden. Stattdessen ist es die beschämte Person, die mit dem Gefühl der eigenen Unterlegenheit konfrontiert ist. Sie ist es nun, die die Achtung vor dem eigenen Selbst verliert. So entsteht eine Spirale der Schamangst: der Versuch, allen weiteren Beschämungsmomenten vorzubeugen, zwingt die beschämte Person zur rigorosen Anpassung an vorhandene Normen, durch die das Ich-Ideal erneut verletzt wird (vgl. ebd.).

Die Ausführungen zeigen, dass Scham dann entsteht, wenn Normen verletzt werden, deren Verfolgung eigentlich angestrebt wird. Dies führt zu einer Bedrohung der Konsistenz des Selbstbildes. Scham verweist demnach – ebenso wie Tabus – auf einen historisch variablen, normativen Horizont.

7 Ausblick

Die im Titel aufgeworfene Frage nach der Scham als Wächterin von Tabus können wir wie folgt beantworten: Scham und Tabus sind als zwei Seiten einer Medaille zu betrachten.

Während die Scham die Integrität des Subjekts behütet, wacht das Tabu über die Stabilität der Kultur. Ihnen gemeinsam ist ihre prekäre – und dennoch wirkmächtige – Funktion für das Zusammenleben von Subjekten in Kulturen und somit auch ihren Institutionen. Zugleich ist beiden Phänomenen ein destruktives Potenzial eingeschrieben. Ein Übermaß an Schamgefühlen zerstört die psychosoziale Integrität ebenso wie starre Tabus die progressive Lebendigkeit einer Kultur.

Womöglich verhalten sich Tabus zur Scham wie die Kultur zur Neurose. Von Lorenzer (2002, S. 180) wissen wir, dass es sich beim Scheitern der Verbindung von sprachlichen Situationsbestimmungen und situationsbestimmenden Interaktionsformen um zwei Seiten menschlicher Entwicklung handelt. »Sofern es sich um ein kollektives Scheitern und d.h. um ein Scheitern der Vermittlung von Sprachfiguren und Interaktionsformen bei den Individuen ganzer Stämme, Völkerschaften und Sprachgemeinschaften handelt, nennen wir die Resultate eines solchen Scheiterns ›Kultur‹ (im Sinn einer allgemein gültigen Lebensordnung), sofern das Scheitern Einzelne, viele Vereinzelte trifft, heißen wir es Neurose.« Folgen wir unseren Ausführungen, dann ließe sich mit etwas Vorsicht »Kultur« durch »Tabu« und »Neurose« durch »Scham« leicht ersetzen.

In der Sozialpsychiatrie, in deren Funktion die Struktur des Normativen – die Unterscheidung von Soll- und Ist-Zustand – (vgl. Messmer & Hitzler, 2011, S. 57) bereits eingelagert ist, treten sowohl verpönte Lebensentwürfe als auch schamhaftes Erleben in konzentrierter Form auf. Sowohl an ihre Adressat*innen als auch an ihre Fachkräfte werden soziokulturelle Erfüllungs- und Erbringungserwartungen gerichtet, die verinnerlicht sind und deren Nichtentsprechung Scham erzeugt. Die professionellen Ich-Ideale der Fachkräfte, mit denen die Adressat*innen sich konfrontiert sehen, kollidieren mit der Hoffnungslosigkeit der Adressat*innen, denen die Fachkräfte ohnmächtig gegenüberstehen. Zudem erinnern als psychisch krank geltende Menschen mit ihren oftmals ver-rückten Lebensäußerungen an die eigene, schamhaft besetzte Vulnerabilität. So entfaltet sich die konflikthafte Affektdynamik in sozialpsychiatrischen Institutionen in besonderer Brisanz. In Interaktionen zwischen ihren Fachkräften und Adressat*innen ist strukturell das Potenzial einer Schamangst angelegt, die zum Schutz der eigenen Integrität tabuisiert werden muss. Dies macht verstehbar, weshalb Adressat*innen sozialpsychiatrischer Angebote häufiger zum Ziel dehumanisierender und stigmatisierender Tendenzen – auch durch sozialpädagogische Fachkräfte – werden: Der aufkeimenden Schamangst wird unbewusst mit einer Affektregulation begegnet, in der die eigene Scham auf das Gegenüber projiziert werden. Die Demütigung des Anderen verschafft eine Erleichterung derart, dass die eigene Scham nicht mehr gespürt werden muss.

Im Angesicht der überwältigen Schamaffekte spielen auch in einer psychoanalytisch aufgeklärten sozialpsychiatrischen Praxis »Logik, Fachwissen und Empathie […] eine untergeordnete Rolle: Das eigene Überleben und die Bewältigung der eigenen Ängste scheinen im Zentrum […] zu stehen« (Steger, 2008, S. 89, zit. n. Doppel, 2015, S. 40). Nur über die Anerkennung dieser Tendenzen in uns selbst kann diese Dynamik durchbrochen werden. Hierzu bedarf es einer pädagogischen Grundhaltung, die die gezeigten Verhaltensweisen der Bewohner*innen nicht – wie es in anderen Kontexten häufig passiert – mit Abstoßung und Ausschluss bestraft, sondern sie als wertvolle Symbole anerkennt und sich um ein Verstehen des darin Mitgeteilten aktiv bemüht (vgl. Stork, 2000, S. 218). Auch in einer sozialpsychiatrischen Praxis muss, im Sinne einer psychoanalytisch orientierten Pädagogik, das Bemühen um eine Anpassung an die Realität und den Sozialen Ort in einer Form gestaltet werden, sodass die Triebimpulse nicht unterdrückt oder gar tabuisiert werden (müssen), sondern ein in Beziehung eingebettetes Ausloten zwischen Triebbefriedigung und den Anforderungen der Außenwelt unterstützt werden kann. Um dies zu ermöglichen, bedarf es auch für die Mitarbeitenden eines hinreichend sicheren, unterstützenden und Orientierung bietenden Rahmens sowie eines stationären Milieus, das durch seine Struktur und Raumgestaltung zu einem kreativen Austausch mit sich und anderen anregt.

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Taboos in Social-Psychiatric Interactions

Shame as a Guard of Social Avoidance Dictates?

Summary: The persistent stigmatization of people considered mentally ill points to a continuing taboo on experienced social suffering. The article points out the dynamics of taboo in interactions between social education professionals and addressees of community psychiatric services. Based on psychoanalytical social-scientific conceptions of taboo, taboo practices in social psychiatric institutions are questioned with regard to their (psycho)social (dys)function on the basis of three interaction sequences from a community psychiatric residential form. The ambivalent character of the tabooing process is discussed in its explosive relationship to the shame affect.

Keywords: social psychiatry, taboo, shame, interaction, affect, ambivalence

Biografische Notizen

Lara Spiegler, B.A. Soziale Arbeit, M.A. Forschung in der Sozialen Arbeit, ist seit 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin im BMBF-finanzierten Forschungsverbund VISION-RA der Katholischen Hochschule Mainz, Fachbereich Soziale Arbeit und Sozialwissenschaften. Promovendin an der Humboldt-Universität zu Berlin, Abteilung Pädagogik bei psychosozialen Beeinträchtigungen.

Margret Dörr, Prof. Dr. phil., Dipl.-Soz., Dipl. Soz.-Päd. (FH), Professorin i.R. für Theorien Sozialer Arbeit an der Katholischen Hochschule Mainz, Fachbereich Soziale Arbeit und Sozialwissenschaften. 2002–2011 und 2022–2023 Sprecherin der DgfE-Kommission Psychoanalytische Pädagogik sowie 2014–2018 Mitglied im Sprecherrat der DgfE- Kommission Sozialpädagogik.

Felicitas Beeck, B.A. Soziale Arbeit und M.A. Studentin der Soziologie und Erziehungswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt/Main, ist seit 2019 studentische Mitarbeiterin im BMBF-finanzierten Forschungsverbund der Katholischen Hochschule Mainz, Fachbereich Soziale Arbeit und Sozialwissenschaften und der Hochschule RheinMain Wiesbaden, Fachbereich Soziale Arbeit.

Kontakt

Lara Spiegler
Katholische Hochschule Mainz
Saarstr. 3
E-Mail: lara.spiegler@kh-mz.de

Margret Dörr
Brunnleiten 6
97078 Würzburg
E-Mail: margret.doerr@t-online.de

Felicitas Beeck
Hochschule RheinMain
Kurt-Schumacher-Ring 18
65197 Wiesbaden
E-Mail: Felicitas.Beeck@hs-rm.de