Das Studium der Psychoanalytischen Pädagogen an der Universität Wien

Eine Auswertung ausgewählter Studienbücher

Reinhard Fatke

Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik • Band 30 (2024), 245–290

https://doi.org/10.30820/0938-183X-2024-30-245 CC BY-NC-ND 4.0 https://jahrbuch-psychoanalytische-paedagogik.de

Zusammenfassung: Anhand der Studienverläufe von vier Studenten, die in den 1910er- und 1920er-Jahren an der Universität Wien studiert haben und später zu großer Bekanntheit als Psychoanalytische Pädagogen gelangt sind (Siegfried Bernfeld, Willi Hoffer, Bruno Bettelheim und Fritz Redl), wird auf der Grundlage von deren Studienbüchern untersucht, was genau sie studiert haben und ob dies in Beziehung zu ihrer späteren psychoanalytisch-pädagogischen Tätigkeit steht. Zu diesem Zweck wird zunächst dokumentiert, welche Lehrveranstaltungen die Genannten belegt haben. Anschließend werden die Inhalte der Fächer (Philosophie, Pädagogik, Psychologie und einige weitere) näher charakterisiert, wie sie sich aus den Schriften der Professoren erschließen lassen, die diese Fächer lehrten. Dabei werden die Fächer auch in den entsprechenden disziplingeschichtlichen und universitätspolitischen Kontext gestellt. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit in diesen Fächern die Psychoanalyse und die Psychoanalytische Pädagogik, die sich bis zu jener Zeit bereits entfaltet hatte, eine Rolle spielte. Außerdem wird der Frage nachgegangen, welche Einflüsse die studierten Fächer insgesamt auf das spätere Wirken der vier Personen jenseits ihrer spezifischen psychoanalytisch-pädagogischen Aktivitäten gehabt hat. Mit dieser Rekonstruktion eines Teils der intellektuellen Biografien von vier prominenten Psychoanalytischen Pädagogen wird eine bisher bestehende Lücke in der Vorgeschichte der Psychoanalytischen Pädagogik zu schließen versucht.

Schlüsselwörter: Psychoanalyse, Psychoanalytische Pädagogik, Universität Wien, 1920er-Jahre, Philosophische Fakultät, Studienverläufe, Siegfried Bernfeld, Willi Hoffer, Bruno Bettelheim, Fritz Redl

1 Thema und Fragestellung

Als sich die psychoanalytische Theorie Sigmund Freuds in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auszubreiten begann, waren es vor allem zwei Berufsgruppen, die sich dafür interessierten: Mediziner*innen und Pädagog*innen.1 Das ergibt sich aus einer Auswertung der Mitglieder einer zunehmend größer werdenden Gruppierung, die 1902, von Sigmund Freud ins Leben gerufen, als »Psychologische Mittwoch-Gesellschaft« begann und sich 1908 vereinsmäßig als »Wiener Psychoanalytische Vereinigung« konstituierte, bis sie 1938 infolge des »Anschlusses« von Österreich an das nationalsozialistische Deutschland aufgelöst wurde (vgl. Mühlleitner, 1992).

Die Mediziner (es gab nur wenige Medizinerinnen), die in der Psychoanalyse eine neue Methode kennenlernten, um Menschen zu therapieren, und zuvor nicht gekannte medizinische Erkenntnisse über die Entstehung von psychischen Erkrankungen gewannen, interessierten sich nicht sonderlich für Kinder und Jugendliche – mit Ausnahme natürlich von Pädiatern wie z.B. Josef Karl Friedjung2. Für die anderen Mediziner aber galt, dass sie entweder nur gelegentliche Seitenblicke auf Kinder und Jugendliche warfen oder, wenn doch, vornehmlich an einer psychoanalytisch unterfütterten Entwicklungslehre interessiert waren, sich aber nicht mit Fragen der Erziehung, also genuin pädagogischen Fragen, beschäftigten.3 Ansonsten konzentrierten sie sich stattdessen hauptsächlich auf Fragen der therapeutischen Technik einerseits und auf metapsychologische Fragen andererseits. Als herausragende Vertreter seien z.B. Paul Federn, Otto Fenichel, Sándor Ferenczi4, Heinz Hartmann, Eduard Hitsch­mann, Wilhelm Reich, René Spitz, Hermann Nunberg und Wilhelm Stekel genannt.

Diejenigen, die als Pädagoginnen und Pädagogen die Psychoanalyse für sich entdeckten, fragten in erster Linie nach deren Beitrag für die praktische Erziehungsarbeit und blieben deshalb in der Folge, jedenfalls größtenteils, beruflich auch in pädagogischen Zusammenhängen im weitesten Sinne tätig. Zu nennen sind hier z.B. August Aichhorn als Fürsorger und Erziehungsberater, Anna Freud als Volksschullehrerin, Siegfried Bernfeld als schulpolitischer Aktivist und späterer Heimleiter, Hermine Hug-Hellmuth als Volksschullehrerin, Berta Bornstein als Lehrerin für schwererziehbare Kinder und Sozialfürsorgerin genauso wie ihre Schwester Steff Bornstein, Edith Buxbaum als Gymnasiallehrerin, Karl Furtmüller als Gymnasiallehrer, Lili Roubiczek-Peller als Kleinkindpädagogin, Wera Schmidt als Kindergärtnerin, Fritz Redl als Gymnasiallehrer, Hans Zulliger als Dorfschullehrer (in der Schweiz). Die meisten von ihnen widerstanden der Verlockung, sich ausschließlich als privat praktizierende psychoanalytische Therapeuten niederzulassen, und zogen es vor, die Psychoanalyse für ihren praktischen Berufsalltag in pädagogischen Zusammenhängen nutzbar zu machen (was nicht vollkommen ausschloss, dass einige von ihnen auch privat praktizierten). Sie alle hatten in ihren universitären Studien5, in denen sie auch pädagogische, psychologische, philosophische und teils auch soziologische Vorlesungen hörten, viel gelernt, aber jetzt in ihrem Berufsalltag brauchten sie konkrete Lösungen für die täglichen Erziehungsaufgaben. Die seinerzeitige offizielle Pädagogik, die auch an den Universitäten gelehrt wurde, stellte für die pädagogische Praxis keine adäquaten Antworten jenseits eines rigiden Systems von disziplinarischen Maßnahmen in Form von Bestrafungen und Belohnungen oder eines abstrakten Theoriegebäudes philosophischer Herkunft bereit. Deshalb richtete diese Berufsgruppe – teilweise bereits neben, teilweise erst nach dem Studium – ihr Interesse auf die Frage, inwiefern die psychoanalytischen Konzepte ihnen helfen können, ihren pädagogischen Alltag besser zu bewältigen.

Dies ist soweit bekannt. Was aber bislang noch wenig untersucht wurde, ist die Frage, was diejenigen, die später in der Psychoanalytischen Pädagogik zu großer Bekanntheit und zu nachhaltigem Einfluss gelangten, eigentlich studiert haben, welche Pädagogik, welche Philosophie und welche Psychologie sie im Studium kennengelernt und was die übrigen der von ihnen studierten Fächer an überdauernden Anregungen ihnen mitgegeben haben. Dieser Frage soll im Folgenden anhand der Studienbücher (»Nationale« genannt) von Siegfried Bernfeld, Willi Hoffer, Bruno Bettelheim und Fritz Redl nachgegangen werden. Zu diesem Zweck wird zunächst dokumentiert, welche Lehrveranstaltungen die Genannten in ihrem Studium belegt und – mehr oder minder regelmäßig und mit ernsthaftem Interesse – auch besucht haben.6 Anschließend werden die Inhalte der Fächer näher charakterisiert und in den entsprechenden wissenschafts- und universitätshistorischen Kontext gestellt. Grundlage für die Inhaltscharakterisierungen bilden die Schriften der Professoren, welche diese Fächer lehrten, insbesondere ihre »Lehrbücher«. Dabei steht die Frage im Vordergrund, inwieweit in diesen Fächern die Psychoanalyse und die Psychoanalytische Pädagogik, die sich bis zu jener Zeit bereits entfaltet hatten, eine Rolle spielten. Sodann wird der Frage nachgegangen, welche Einflüsse das Studium der genannten Fächer insgesamt auf die späteren Lebenswege der vier Personen auch jenseits ihrer psychoanalytisch-pädagogischen Aktivitäten gehabt hat. Mit dieser Rekonstruktion der intellektuellen Biografie von vier prominenten Psychoanalytischen Pädagogen soll versucht werden, eine bisher bestehende Lücke in der Vorgeschichte der Psychoanalytischen Pädagogik zu schließen.7, 8

Die These, die diesem Beitrag zugrunde liegt, ist, dass die Psychoanalyse, obwohl sie zu dieser Zeit bereits gut entwickelt und weithin bekannt war, und die Psychoanalytische Pädagogik, obwohl auch sie sich schon verbreitete, keine Bestandteile des Studiums an der Universität waren, was zu einer intellektuellen Zweigleisigkeit bei den Studierenden führte: Einerseits vertieften sie sich in die – von der Psychoanalyse frei gehaltenen – Inhalte ihrer Studienfächer, was die Voraussetzung für einen erfolgreichen Studienabschluss war, und andererseits waren sie durch die Lektüre psychoanalytischer Schriften und durch Kontakte mit anderen Kommilitonen in Diskussionsgruppen von der Psychoanalyse fasziniert und reflektierten sie im Hinblick auf eine potenzielle zukünftige berufliche Tätigkeit im Bereich der Pädagogik.

Darin konnten sie sich bestärkt fühlen durch eine bereits zu jener Zeit verbreitete Ansicht, die Sigmund Freud in einer berühmt gewordenen Formulierung auf den Punkt brachte: »Von allen Anwendungen der Psychoanalyse hat keine so viel Interesse gefunden, so viel Hoffnungen geweckt und demzufolge so viele tüchtige Mitarbeiter herangezogen wie die auf die Theorie und Praxis der Kindererziehung« (S. Freud, 1925f, S. 565).

Die Originalquellen dieser Untersuchung bilden Kopien der Studienbücher aus den 1910er- und 1920er-Jahren.9 Darin sind Semester für Semester – eigenhändig und deshalb manchmal nur mit Mühe entzifferbar – die Lehrveranstaltungen eingetragen, die belegt wurden, und zwar mit Namen der Dozierenden, der Bezeichnung der Lehrveranstaltungen und der Anzahl von Semesterwochenstunden. Diese Quellen ersetzen zwar keine Vorlesungsmitschriften, aber da es zu jener Zeit noch üblicher als heute war, dass in den Vorlesungen die Professoren die Inhalte ihrer Lehrbücher vortrugen, kann eine Untersuchung dieser Werke Aufschluss über die Inhalte geben, mit denen die Studierenden jener Zeit in den besagten Fächern konfrontiert wurden.

2 Das Studium der (nachmaligen) Psychoanalytischen Pädagogen

Wer nach dem Ersten Weltkrieg an der Universität Wien studieren wollte, entschied sich für ein bestimmtes Fach (oder mehrere) und schrieb sich an der Fakultät ein, in der diese Fächer gelehrt wurden. Für diejenigen, deren Studium hier genauer betrachtet werden soll, war das die Philosophische Fakultät. Das galt übrigens auch für die naturwissenschaftlichen Fächer, die gemäß der Tradition in der Philosophischen Fakultät beheimatet waren (erst später wurden sie – wie auch an anderen Universitäten – in eigene naturwissenschaftliche Fakultäten ausgegliedert). Aus diesem Grunde schrieb sich auch Siegfried Bernfeld, der Biologie und Zoologie studieren wollte, an der Philosophischen Fakultät ein. Die anderen Personen, um die es hier gehen soll, entschieden sich für Fächer, die traditionell ohnehin ihren Ort in der Philosophischen Fakultät hatten: Willi Hoffer wählte ebenfalls zunächst Zoologie und nahm später Philosophie und Pädagogik hinzu, Fritz Redl entschied sich für englische und deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft und für Philosophie, Bruno Bettelheim für Kunstgeschichte, Literaturgeschichte und weitere geistes- und kulturwissenschaftliche Lehrveranstaltungen.

Curricula für die einzelnen Fächer gab es nicht, jedenfalls nicht im heutigen Sinne, aber es gab Prüfungsregelungen. In denen war vor allem die Anzahl von Semesterwochenstunden vorgeschrieben, die in Form von Vorlesungen zu belegen waren. Dazu traten Seminare und/oder »Übungen«, die ebenfalls abgeleistet werden mussten. Aber nicht nur für die jeweiligen Fächer gab es solche Regelungen, sondern für Studierende der Philosophischen Fakultät generell die allgemeine Verpflichtung zum Besuch von Lehrveranstaltungen in »Philosophie (insbesondere Psychologie)« (so in der Verordnung des Ministers für Kultus und Unterricht vom 15. Juni 1911, die bis 1928 in Kraft blieb10). Deshalb finden wir in den Studienbüchern der hier in den Blick genommenen Personen semesterweise auch wiederkehrende Eintragungen zu solchen philosophischen Veranstaltungen (nur Redl belegte, wie erwähnt, Philosophie als Hauptfach).

Die Studien- und Prüfungsregelungen hingen von den Studienzielen ab. Im Regelfall, der auch für die vier hier näher betrachteten Studenten galt, steuerte man gleich auf ein Doktorat zu und behielt sich vor, anschließend ein Lehramt für den Unterricht an Gymnasien (auch Mittelschulen genannt) und Realschulen (als Bezeichnung für naturwissenschaftlich ausgerichtete Gymnasien) anzustreben. Das Doktorat wurde – für heutige Verhältnisse – schon nach kurzer Zeit abgeschlossen: in der Regel nach acht Semestern.11 Im Folgenden sollen, getrennt nach Personen, die Studienbücher im Einzelnen ausgewertet werden.

2.1 Siegfried Bernfeld (1892–1953)

Bernfeld beginnt sein Studium im Wintersemester 1911/12 mit einem ausgeprägten naturwissenschaftlichen Interesse, das sich auch in den Eintragungen seines Studienbuchs niederschlägt. Er belegt Lehrveranstaltungen in »Anatomie und Physiologie der Pflanzen«, »Übungen im Bestimmen von Pflanzen«, »Allgemeine Mineralogie«, »Experimentalchemie«, »Allgemeine Biologie«, »Pflanzenanatomisches Praktikum«, »Mitteleuropäische Blütenpflanzen«, »Dynamische Geologie«, »Ethnographisches Seminar«. Insgesamt summiert sich das zu 40 Semesterwochenstunden (darunter fünf mal fünf SWS und einmal sogar acht) – wobei natürlich offenbleiben muss, ob es zum einen vielleicht zeitliche Überschneidungen zwischen den einzelnen Lehrveranstaltungen gab, und zum anderen, ob Bernfeld tatsächlich in allen diesen Veranstaltungen präsent war, was in beiden Fällen die tatsächliche Studienlast natürlich minderte.

Zu diesen naturwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen kommt eine weitere mit dem Titel »Pädagogisches Seminar« hinzu (zwei SWS), und zwar bei Alois Höfler. Dieser bekleidete seit 1907 den Lehrstuhl für Pädagogik, interessierte sich aber schon vorher und auch nachher mehr für Philosophie als für Pädagogik – und das, obwohl er selbst ein Lehramtsstudium absolviert und eine Reihe von Büchern über den Unterricht am Gymnasium (für die Fächer Naturlehre, Physik, Mathematik und Himmelskunde) veröffentlicht hatte. In seinen Augen jedoch waren seine Lehrbücher zur Logik (1890) und zur Psychologie (1897) die wissenschaftlich gewichtigeren – woraus auch kurzgefasste »Grundlehren« in diesen beiden Fächern für den Schulgebrauch entstanden waren.

Obwohl Höfler ausdrücklich »nur« für Pädagogik berufen wurde, strebte er mehrfach eine Ausweitung seiner Lehrbefugnis auf Philosophie an, denn das Interesse daran überwog seine Neigung, Pädagogik als Wissenschaft zu betreiben. Aber auch wenn er selbst die »nüchterne Arbeit an einer ausgewogenen erziehungswissenschaftlichen Theorie, die seiner Lehrkanzel angemessen gemessen wäre«, vermissen ließ (Brezinka, 2000, S. 321), sorgte er doch tatkräftig für den wissenschaftlichen Nachwuchs und stärkte überdies mit seiner Unterstützung der Berufung von Friedrich Wilhelm Foerster auf eine zweite Professur für Pädagogik im Jahr 1912 die Pädagogik als Fach im Ganzen (siehe dazu unten in Abschnitt 3.2). Von seiner Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zeugen insgesamt 21 Dissertationen, die er zu einem erfolgreichen Promotionsabschluss geführt hat (ebd., S. 321f.), darunter auch die Dissertation von Siegfried Bernfeld im Jahr 1915. Bernfeld wird in seinem ersten Studiensemester von Höfler jedoch vermutlich mehr von Philosophie als von Pädagogik gehört haben, allenfalls noch von Schulreformbestrebungen, in denen Höfler sich seinerzeit engagierte, und von Fragen der Mittelschullehrerausbildung. Inhaltlich dürfte es in der Lehrveranstaltung »Pädagogisches Seminar« bei Höfler auch in den folgenden beiden Semestern, in denen Bernfeld diese Lehrveranstaltung kontinuierlich belegte, nicht viel anders ausgesehen haben.

Weiterhin aber dominieren in Bernfelds Studienprogramm die naturwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen zu Botanik, Zootomie (heute: Veterinär-Anatomie), Mineralogie, Biochemie, Histologie und Geografie. Das ändert sich erst im vierten Semester (Sommer 1913), als Bernfeld – neben einem »Praktikum der Zellenlehre« – ausschließlich Lehrveranstaltungen in Philosophie, Psychologie und Pädagogik belegt: »Probleme der Erkenntnistheorie« sowie »Einführung in die Psychologie« bei Friedrich Jodl, der allerdings, wie damals üblich, die Psychologie als Teilgebiet der Philosophie behandelt, jedoch mit einem ausgesprochen metaphysisch-kritischen Akzent und einer deutlichen Orientierung am Empirismus, der an der Universität Wien im Fach Philosophie zu jener Zeit stark vertreten ist (Stichworte »Neopositivismus« und »Wiener Kreis«). So ist auch anzunehmen, dass Bernfelds Betonung der Pädagogik als einer »rationalistischen«, m.a.W. einer an Tatsachen ausgerichteten, Wissenschaft von Jodl beeinflusst wurde (siehe Bernfeld, 1926/27; Fatke, 1993).

Mit der Berufung Friedrich Wilhelm Foersters gibt es nun ein weiteres Lehrangebot in Pädagogik, freilich nur kurzzeitig, denn Foerster wird nach zwei Semestern in Wien an die Universität München berufen. Bernfeld nutzt dieses Angebot, indem er im Sommer 1913 Foersters Lehrveranstaltungen »Die Hauptprobleme der Erziehungslehre, erster Teil«, »Plato als Erzieher« und das »Pädagogische Seminar« belegt und im anschließenden Wintersemester 1913/14 »Hauptprobleme der Erziehungslehre, zweiter Teil« und wieder das »Pädagogische Seminar« sowie »Besprechungen über ethische und pädagogische Fragen«.

Bereits die Titel machen deutlich, dass auch Foerster pädagogische Fragen systematisch-theoretisch vor allem aus Sicht der Philosophie behandelt. Schon bei seiner Berufung wurde er vom Ministerium verpflichtet, »namentlich die Sozial- und Moralpädagogik sowie die einschlägigen Teile der Philosophie zu berücksichtigen« (Brezinka, 2000, S. 328). Aber Foersters zuvor veröffentlichte Schriften Jugendlehre – ein Buch für Eltern, Lehrer, Geistliche (1904), Sexualethik und Sexualpädagogik (1907), Schule und Charakter (1907; 15 Auflagen bis 1953!), Staatsbürgerliche Erziehung (1910) und Politische Ethik und Pädagogik (1913) lassen vermuten, dass auch seine pädagogischen Lehrveranstaltungen in Wien von diesen Themen durchdrungen sind – was insbesondere wegen seiner dezidiert pazifistischen Grundeinstellung, seines konsequenten Eintretens gegen nationalistische Strömungen und seines Selbstverständnisses als eines politisch denkenden und handelnden Staatsbürgers naheliegt.

Das scheint Bernfeld, der schon seit Schülerzeiten politisch aktiv war, durchaus entgegenzukommen. Außerdem könnten diese intellektuellen Anregungen von Foerster ein Grund – neben der bei Dudek (2012, S. 126) mitgeteilten Sorge vor polizeilichen Ermittlungen wegen seines politischen Engagements in der Jugendkulturbewegung und des »Akademischen Comités für Schulreformen« – für seinen Wechsel an die Universität Freiburg i.Br. im Sommersemester 1914 sein, denn dort kann er beim deutsch-jüdischen Philosophen Jonas Cohn studieren, der mit dem renommierten Hamburger (Kinder-)Psychologen William Stern befreundet ist und am Psychologischen Institut der Universität Freiburg arbeitet, wo er »Psychologische Übungen« auf experimenteller Grundlage anbietet (vgl. Dudek, 2012, S. 126).

Als Bernfeld mit diesen Eindrücken und Erfahrungen im nächsten Semester (Sommer 1914) nach Wien zurückkehrt, konzentriert er sich auch hier auf Lehrveranstaltungen in Psychologie und Pädagogik sowie Soziologie (»Soziologische Zeitfragen«) und Philosophie (»Theorie der wissenschaftlichen Erkenntnis« beim Privatdozenten Viktor Kraft, der frisch habilitiert und auf Erkenntnistheorie spezialisiert ist und sich später dem »Wiener Kreis« anschließt). Vor dem Studienabschluss verbleibt Bernfeld jetzt nur noch ein Semester (Sommer 1915), in dem er diese inhaltlichen Akzente fortsetzt und außerdem nochmals eine Lehrveranstaltung zur »Speziellen Zoologie« belegt, denn es liegt nahe, dass er für die geplante Promotion auch seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse, die in der ersten Hälfte seines Studiums eine dominante Rolle gespielt haben, nochmals auffrischen und sich bei dem entsprechenden Professor in Erinnerung rufen will. Aus dem Rahmen fällt eine Lehrveranstaltung mit dem Titel »Philosophie des Krieges« (immerhin ist der Erste Weltkrieg bereits fast ein Jahr im Gange!), die von Wilhelm Jerusalem durchgeführt wird, einem Professor für Mittelschulpädagogik und im Übrigen ein »Allrounder«, der auch Philosophie, Psychologie, Pädagogik und Soziologie lehrt und den Bernfeld schon im zweiten Semester mit einer Lehrveranstaltung zur Mittelschulpädagogik kennengelernt hat.

Die für die Promotion vorgeschriebene »schriftliche Abhandlung« (= Dissertation) ist einem Thema gewidmet, das philosophische, wissenschaftstheoretische, psychologische und pädagogische Dimensionen miteinander zu verbinden sucht: »Über den Begriff der Jugend«. Die Gutachter sind in ihrem Urteil über die Dissertation und das Ergebnis des zweistündigen Rigorosums uneins: Während Alois Höfler (als Pädagoge und Philosoph) die Leistung mit »ausgezeichnet« bewertet, ist sie für Adolf Stöhr (als Philosophen) »ungenügend«. Im naturwissenschaftlichen einstündigen Rigorosum sind sich beide Prüfer, Berthold Hatschek (Zoologie) und Karl Grobben (Zoologie), im Urteil einig: »genügend«.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bernfeld in seinem Studium keine spezifischen Anregungen für seine späteren psychoanalytisch-pädagogischen Arbeiten, insbesondere für seinen psychoanalytisch orientierten »Versuch mit neuer Erziehung« im »Kinderheim Baumgarten« erhalten hat. Vielmehr hat er sich psychoanalytische Kenntnisse und Anregungen – auch schon vor seinem Studium – außerhalb der Universität durch die Lektüre von psychoanalytischen Schriften aus dem Kreis von Sigmund Freud und in Diskussionen mit Gleichgesinnten geholt. Vorausgreifend sei aber erwähnt, dass naturwissenschaftliches Denken Bernfeld auch noch später im Leben begleitet hat, denn selbst als bereits arrivierter Psychoanalytiker befasste er sich immer wieder mit psychophysiologischen Fragen (siehe unten).

2.2 Willi Hoffer (1897–1967)

Auch Hoffer hat bei Aufnahme seines Studiums im Sommersemester 1919 andere Pläne, als später (psychoanalytischer) Pädagoge zu werden. Vielmehr will er Tierarzt werden und studiert deshalb in den ersten zwei Semestern Veterinärmedizin an der Tierärztlichen Hochschule Wien. Der Schwerpunkt der Lehrveranstaltungen liegt im sog. vorklinischen Bereich, vor allem in der Zoologie. Aber schon im ersten Semester besucht er nebenher als »außerordentlicher Hörer« an der Universität die Vorlesungen »Allgemeine Biologie« und »Grundzüge der botanischen Systematik und Entwicklungslehre«. Vom Sommersemester 1920 an wechselt er dann ganz zur Universität und studiert nun als »ordentlicher Hörer«, d.h. als eingeschriebener Student, ein Programm, das dem Siegfried Bernfelds ähnelt, mit dem er bereits 1919 im »Kinderheim Baumgarten« (Bernfeld, 1921) zusammengearbeitet hat: Hoffer behält einen naturwissenschaftlichen Studienschwerpunkt bei, kombiniert ihn aber – deutlicher als Bernfeld – von Anfang an mit einem Schwerpunkt in Pädagogik und Philosophie, wozu später noch Psychologie hinzutritt. So bestehen die 21 Semesterwochenstunden seines Studiums im Sommersemester 1920 aus folgenden Lehrveranstaltungen: »Zoologie« und »Praktikum über die Anatomie des Frosches« sowie »Didaktik des physikalischen Unterrichtes für Lehrer der Physik« (bei Alois Höfler, der als Experte für die Didaktik naturwissenschaftlicher Fächer und der Mathematik anerkannt ist) und »Pädagogisches Seminar« (ebenfalls bei Höfler); ferner »Ethik« (beim Philosophen Adolf Stöhr) und »Besprechung auszuwählender Fragen an Schopenhauers Philosophie und anhand von Wagners Kunst« (wieder Stöhr). Auch die Soziologie kommt mit der Veranstaltung »Arbeitsteilung und Gesellschaftsbildung« des Privatdozenten Paul Kammerer in den Blick.

In den folgenden Semestern finden sich ebenfalls diese Schwerpunkte, wobei die Psychologie – allerdings in der Lesart des Philosophen Adolf Stöhr – mit zwei Lehrveranstaltungen neu hinzutritt. Das vorletzte Semester (Sommer 1921) verzeichnet ein umfangreiches Programm (33 SWS!) mit fünf Lehrveranstaltungen in Pädagogik (12 SWS): »Strömungen im pädagogischen Leben der Gegenwart«, »Psychologisch-pädagogische Schulversuche«, »Pädagogisches Seminar« (alle drei bei Höfler), »Experimentelle Pädagogik« (bei Willibald Kammel), »Praktische Mittelschulpädagogik« (bei Jerusalem). Die Zoologie ist mit sechs Lehrveranstaltungen dokumentiert (18 SWS): »Spezielle Zoologie«, »Zoologisch-mikroskopisches Praktikum«, »Zootomischer Kurs«, »Übungen im Untersuchen und Bestimmen von Insekten«, »Die Methode der phylogenetischen Forschung« und »Geschichte und Entwicklung der Paläozoologie« bei Othenio Abel (der eine zweifelhafte Rolle in der Universitätspolitik spielt12). Die übrigen drei Semesterwochenstunden liegen im Bereich der Philosophie, und zwar mit der Vorlesung »Der Empirismus in der neueren Philosophie« von Robert Reininger.

Das letzte Semester (Winter 1921/22) scheint schwerpunktmäßig der Abfassung und dem Abschluss der Dissertation gewidmet zu sein, denn es werden jetzt nur noch 14 Semesterwochenstunden belegt, und zwar fast ausnahmslos bei den Professoren, die auch an der anschließenden Promotion beteiligt sein werden: Wilhelm Jerusalem (»Allgemeine Psychologie« und »Philosophisch-soziologische Übungen«) und Alois Höfler (»Pädagogisches Seminar«) sowie für das Fach Zoologie Berthold Hatschek (»Grundlagen des seelischen Systems«) und – in Vertretung für Karl Grobben – eine Histologie-Vorlesung von Heinrich Joseph. Seine Dissertation ist ganz der Pädagogik gewidmet. Sie trägt den Titel »Über wissenschaftliche Grundlagen der Pädagogik«, wobei wichtig zu wissen ist, dass die wissenschaftstheoretischen Ausführungen am Beispiel des Kinderspiels entwickelt werden. Das obligatorische zweistündige Rigorosum in Philosophie absolviert er bei Wilhelm Jerusalem mit der Note »genügend« und Robert Reininger mit der Note »ungenügend«. Das gleiche Ergebnis hat das einstündige Rigorosum bei den beiden Zoologie-Professoren Karl Grobben (»ungenügend«) und Berthold Hatschek (»genügend«). In beiden Fällen jedoch werden unter dem Prüfungsvorsitz von Hans Molisch (Professor für Anatomie und Physiologie der Pflanzen) die Prüfungen »mehrstimmig approbiert«.

Resümierend lässt sich auch zu Willi Hoffer sagen, dass sein Studium inhaltlich so gut wie keine Berührungspunkte mit der Psychoanalyse oder einer psychoanalytisch orientierten Pädagogik hatte. Sein bereits vor Aufnahme des Studiums bestehendes Interesse an dieser neuen psychologischen und pädagogischen Strömung, das er durch die Lektüre psychoanalytischer Schriften und die Praxiserfahrungen in dem von Siegfried Bernfeld geleiteten »Kinderheim Baumgarten« (1919) gewonnen hatte, pflegte er außerhalb des Studiums, sodass er auch noch im selben Jahr des Abschlusses seiner Promotion eine – von Bernfeld vermittelte und finanziell unterstützte – einjährige Psychoanalyse bei Hermann Nunberg absolvierte und 1923 als ordentliches Mitglied in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen wurde. Die umfangreichen naturwissenschaftlichen Studienbestandteile, vor allem aus den ersten Semestern, griff er später wieder auf, als er noch ein Medizinstudium anschloss, das er 1929 erfolgreich beendete.

2.3 Bruno Bettelheim (1903–1990)

Eine klare Schwerpunktverlagerung der Studienfächer wie bei Bernfeld und Hoffer ist im Studienbuch von Bettelheim nicht auszumachen. Das hängt auch damit zusammen, dass sich ein eindeutiger thematischer Schwerpunkt seiner Studieninteressen, zumindest über viele Semester hinweg, nicht erkennen lässt.13 Vielmehr lesen sich die Eintragungen in seinem Studienbuch vom ersten bis zum zehnten Semester wie ein bunter Strauß von Fächern und Themen. Gleich im ersten Semester (Winter 1921/22) belegt er 22 Semesterwochenstunden zu folgenden Lehrveranstaltungen: »Einführung in das Studium der lateinischen Sprache« (fünfstündig!), »Lektüre dramaturgischer Schriften«, »Anleitung zum wissenschaftlichen Arbeiten«, »Planmäßige Kunstbetrachtung«, »Italien – ein Reisekolleg«, »Die ersten Weltanschauungen«, »Übungen an Gerhard Hauptmanns Drama ›Vor Sonnenaufgang‹«14, »Allgemeine Geschlechterlehre«, »Buddhistische Kunst in Ostasien«, »Das Musikdrama Richard Wagners«, »Geschichte der deutschen Literatur im 17. Jahrhundert«, »Geschichte und Kritik des Sozialismus«15.

So vielfältig geht es in den folgenden Semestern weiter: Im Sommer 1922 belegt er Vorlesungen zur Kunstgeschichte (»Ostasiatische Malerei«, »Einführung in die italienische Kunstgeschichte«, »Planmäßige Kunstbetrachtung«), zur Religionswissenschaft und Philosophie (»Die Religionen des Lichts«, »Indische Philosophie«), zur Germanistik (»Geschichte der deutschen Literatur im Zeitalter der Reichsgründung«, »Friedrich Hebbel«, »Übungen an Uhlands Balladen«, »Gesellschaft für theatergeschichtliche Forschung«, »Die Sage von Tristan und Isolde«). Außerdem setzt er die fünfstündige »Einführung in das Studium der lateinischen Sprache« fort und beendet im Juli 1923 diesen Intensivkurs mit einer Prüfung, die dem »Latinum« entsprach – einer Qualifikation, die er auf dem Reformgymnasium (»Bundesrealgymnasium VIII«), dessen Schwerpunkte Mathematik und moderne Fremdsprachen waren, nicht erwerben konnte, die er aber für das Studium an der Philosophischen Fakultät benötigte.

Die thematische Vielfalt wie auch die Vielzahl an Lehrveranstaltungen finden sich in den Studienbuch-Einträgen ebenfalls für das dritte, vierte und fünfte Semester. Diese Vielfalt reflektiert einerseits Bettelheims weitgespanntes Interesse an philosophischen, historischen, literarischen, kunstgeschichtlichen und allgemeinen kulturellen Themen, aber andererseits auch, dass er das Studium eher als Verbreiterung und Vertiefung seines Bildungshorizonts, wie es in bürgerlichen Familien jener Zeit üblich ist, ansieht und nicht in erster Linie als Hinführung zu einer bestimmten beruflichen Tätigkeit.

Für Letzteres ist seine gleichzeitig mit dem Universitätsstudium absolvierte Ausbildung an der Wiener Hochschule für Welthandel zuständig, nämlich als Vorbereitung für die Übernahme des florierenden Holzhandelsgeschäfts seines Vaters. Bettelheim befasst sich dort neben dem Studium an der Universität gut zwei Jahre lang mit Handelsrecht, Rechnungswesen, Statistik, Wirtschaftsgeografie, Devisenhandel und Wirtschaftswissenschaft sowie mit französischer Korrespondenz und Stenotypie. Außerdem absolviert er in dieser Zeit ein einjähriges Praktikum in einer Versicherungsgesellschaft als Voraussetzung für den Erwerb des Handelsdiploms. Sein Studium an der Universität ist in diesem Licht eher als ein intellektuelles Gegengewicht zu verstehen und leidet, was sein Engagement betrifft, wohl auch unter dieser Mehrfachbelastung. Sutton (1996, S. 97) notiert, dass er »in ständiger Zeitnot von einer Vorlesung zur nächsten« hetzt.

Erst nach Abschluss seiner Handelsausbildung 1923 kann er sich etwas entspannter dem Universitätsstudium widmen, obwohl er bereits gleichzeitig im väterlichen Geschäft arbeitet. Vom sechsten Semester an reduziert Bettelheim die Anzahl seiner Lehrveranstaltungen und konzentriert sie auf Literaturwissenschaft (bei den Professoren Castle, Cysarz, Arnold und Brecht); im siebten Semester gleichfalls, aber mit Hinzunahme der Veranstaltung »Ausgewählte Denkmäler der indischen Kunst« (bei Prof. Diez). Im achten Semester (Sommer 1925) belegt er nur noch zwei Lehrveranstaltungen zur Literaturgeschichte (»Grundriss der Geschichte der neueren deutschen Literatur« bei Arnold und »Die älteren Minnesänger« bei Prof. Luick) und eine philosophische Vorlesung (»Von Hegel zu Nietzsche« bei Cysarz) sowie – als neues Fach – Psychologie, nämlich die vierstündige Vorlesung »Die geistige Entwicklung des Menschen« bei Karl Bühler.

Im Studienbuch für das neunte Semester (Winter 1925/26) findet sich eine vergleichbare Aufteilung der Lehrveranstaltungen ausschließlich auf die deutsche Literaturwissenschaft, vor allem bei Eduard Castle (»Die klassischen Dramen Goethes und Schillers«, »Geschichte der deutschen Gedankendichtung«, »Das höfische Epos«, »Geschichte des deutschen Theaters seit dem XVI. Jahrhundert«, »Gesellschaft für theatergeschichtliche Forschung« und »Referate über neuere Fachliteratur«), und auf die Psychologie bei Karl Bühler (»Allgemeine Psychologie«). Danach unterbricht Bettelheim das Studium für ein Semester – sehr wahrscheinlich, weil im April 1926 sein Vater starb und er nun die Firma seines Vaters übernimmt. Dennoch schreibt er sich nochmals für das Wintersemester 1926/27 ein und belegt drei Lehrveranstaltungen: »Grundriß der Geschichte der deutschen Literatur im Zeitalter der Aufklärung« (bei Eduard Castle), »Romantik und Idealismus« (bei Herbert Cysarz) und »Allgemeine Psychologie« (bei Karl Bühler). Aber dann bricht Bettelheim ohne formalen Abschluss das Studium ganz ab. Er widmet sich fortan dem Holzgroßhandel, expandiert die Firma und unterzieht sich von 1928 an einer dreijährigen Psychoanalyse (bei Richard Sterba), um seine ausgeprägten depressiven Neigungen zu kurieren und die Probleme in der Beziehung mit seiner Geliebten und späteren Frau (Gina Altstadt, die er 1930 heiratet) zu bearbeiten.

Erst zehn Jahre später, zum Wintersemester 1936/37, kehrt Bettelheim nochmals für zwei Semester an die Universität zurück – in einer politisch und gesellschaftlich völlig gewandelten Situation, die seit 1933/34 durch ein Herrschaftssystem mit zunehmend diktatorisch-faschistischen Zügen (»Ständestaat«) gekennzeichnet ist, wenngleich der alles verändernde »Anschluss« an das nationalsozialistische Deutschland erst im März 1938 erfolgt. Manche seiner Bekannten und Freunde – allen voran Fritz Redl, mit dem ihn eine lange und intensiv gepflegte Freundschaft verband – sind bereits emigriert.

In seinem Studienbuch wird (neben der »Konfession«, die er »mosaisch« nannte) in der Rubrik »Volkszugehörigkeit«, in der er zuvor und auch jetzt noch »deutsch« angibt, nun von fremder Hand, vermutlich von jemand aus der Universitätsverwaltung, »jüdisch« eingetragen. In den beiden letzten Semestern konzentriert sich Bettelheim – offensichtlich in der festen Absicht, das Studium mit einer Promotion abzuschließen – auf die Lehrveranstaltungen in den Fächern, in denen er auch die Promotionsprüfungen (Rigorosen) abzulegen gedenkt: Philosophie bei Robert Reininger (»Die Philosophie der Renaissance und des Rationalismus«, »Nietzsche als Philosoph«, »Die Philosophie des Empirismus«, »Aristoteles«) und Psychologie bei Karl Bühler (»Allgemeine Psychologie«, »Einführungskurs in die Sprachtheorie«, »Logik und Erkenntnistheorie«) sowie Kunstgeschichte bei Hans Tietze (»Venezianische Malerei der Früh- und Hochrenaissance«) und bei dem Exponenten des Antimodernismus Hans Sedlmayr (»Die Kunst der Antike«). Noch im selben Jahr 1937 erlangt Bettelheim sein Doktorat mit einer Dissertation über »Das Problem des Naturschönen und die moderne Ästhetik«, in der er – ohne jegliche Bezugnahmen auf psychoanalytische Theorieelemente – die These entfaltet, dass der ursprüngliche Gegenstand der ästhetischen Wahrnehmung die Natur (in Form einer Landschaft) sei und dass diese Art von Wahrnehmung die Grenzen zwischen Subjekt und Objekt auflöse (vgl. auch Sutton, 1996, S. 150ff.). Die Rigorosen absolviert er 1937 im Hauptfach Philosophie (zweistündig) bei Robert Reininger (»sehr gut«) und Karl Bühler (»ausgezeichnet«) sowie im Januar 1938 im Nebenfach Kunstgeschichte (einstündig): zweimal »ausgezeichnet«. Mit dem Stempel der Universitätsverwaltung »Absolutorium ausgestellt am 26. Januar 1938« enden die Eintragungen im Studienbuch von Bruno Bettelheim.16

Resümierend lässt sich zu Bettelheim festhalten, dass in seinen thematisch weit gespannten Studien die gleiche Leerstelle in Sachen Psychoanalyse vorhanden war wie bei den anderen, selbst als er 1936 nochmals für zwei Semester an die Universität zurückkehrte (um sein Doktorat zu erwerben) und die Psychoanalyse im öffentlichen Bewusstsein und in den wissenschaftlichen Diskursen, die inzwischen in den Zeitschriften geführt wurden, noch weiter verbreitet war als in den 1920er-Jahren – trotz der Repressalien, denen die Psychoanalyse jetzt durch die Austrofaschisten vermehrt ausgesetzt war. Aber die solide Grundlage an psychoanalytischen Erkenntnissen und Erfahrungen, die er außerhalb des Studiums gesammelt hatte (u.a. auch durch eine dreijährige Psychoanalyse), bildete später, nach der Emigration in die USA, den Ausgangspunkt für sein Modellkonzept der Behandlung von psychisch schwer gestörten Kindern in der Orthogenic School.

2.4 Fritz Redl (1902–1988)

Im Vergleich zu Bettelheims Studium erscheint das von Redl geradezu fokussiert und geradlinig. Er schreibt sich im selben Wintersemester (1921/22) wie Bettelheim an der Philosophischen Fakultät mit der Absicht ein, Sprach- und Literaturwissenschaften und Philosophie zu studieren – Fächer, die ihm später die Sicherheit geben sollen, eine Anstellung als Gymnasiallehrer zu finden. Gleich im ersten Semester belegt er eine Vielzahl von germanistischen und anglistischen Lehrveranstaltungen (25 SWS): »Geschichte der deutschen Literatur im 17. Jahrhundert«, »Romantische Lyrik«, »Grundriß der neueren deutschen Literatur«, »Geschichte der englischen Literatur im 16. Jahrhundert«, »Englisches Proseminar«, »Poetik« und (fachverwandt) »Geschichte der Musik«17. Im Fach Philosophie belegt er: »Die großen Weltanschauungen« (bei Oskar Ewald) und »Interpretation philosophischer Werke« (bei Robert Reininger). Auch »Psychologie« taucht bereits im ersten Semester auf, und zwar mit zwei Vorlesungen (bei Hermann Swoboda und Wilhelm Jerusalem).

Das setzt sich im zweiten Semester fort, u.a. mit folgenden Lehrveranstaltungen: »Geschichte der deutschen Lyrik«, »Übungen an Uhlands Balladen«, »Geschichte der englischen Literatur im 17. Jahrhundert«, »Erklärungen zu Shakespeares ›Julius Cäsar‹«, »Einführung in das Mittelenglische«, »Englisches Proseminar (Kurs I und II)«, »Englischer Kurs für Fortgeschrittene«. Beim Philosophen Reininger belegt er die Vorlesung »Indische Philosophie«. Auch das dritte und das vierte Semester sind gefüllt mit Veranstaltungen zur deutschen und englischen Sprach- und Literaturwissenschaft sowie mit der Vorlesung »Sociologie und Geschichtsphilosophie« (bei Wilhelm Jerusalem) und den Vorlesungen »Philosophie nach Hegel« und »Spinoza und der Spinozismus« (bei Robert Reininger).

Redls Absicht, nach dem Studium in den Schuldienst einzutreten, manifestiert sich auch darin, dass er vom fünften Semester an Lehrveranstaltungen belegt, die sich mit Schule und Unterricht befassen und zu den Pflichtveranstaltungen für diejenigen Studierenden gehören, die das Lehramt an Gymnasien anstreben: z.B. »Allgemeine Erziehungs- und Unterrichtslehre« bei Richard Meister, der ein Semester zuvor in einem umstrittenen Berufungsverfahren (siehe unten) zum Ordinarius für Pädagogik ernannt worden ist, und »Methodik des Deutschunterrichts« bei Eduard Castle, Professor für deutsche Sprache und Literatur. Als Wilhelm Jerusalem im Sommer 1923 verstirbt, werden die Vorlesungen in Allgemeiner Psychologie von Karl Bühler übernommen, der gerade ein Jahr zuvor von der Technischen Universität Dresden nach Wien berufen worden ist.

Redls Studienlast bleibt insgesamt hoch: Im sechsten und siebten Semester beträgt sie immer noch 25 bzw. 26 Semesterwochenstunden, konzentriert auf Philosophie und englische Sprach- und Literaturwissenschaft. Veranstaltungen zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft treten in den Hintergrund, tauchen aber noch vereinzelt auf. Dagegen befasst sich Redl zunehmend mit Psychologie und belegt vom fünften Semester an bis zum Schluss seines Studiums verschiedene psychologische Lehrveranstaltungen bei Karl Bühler: »Logik und Erkenntnistheorie« (vier SWS im Sommer 1924), »Allgemeine Psychologie« (vier SWS) und »Sprechen und Denken« (eine SWS; beide im Winter 1924/25) und in Redls letztem Semester (Sommer 1925) »Experimentelle Psychologie« (zwei SWS). Im selben Jahr, also noch im achten Semester bzw. kurz danach (wie übrigens Bernfeld und Hoffer ebenfalls), schließt Redl sein Studium mit der Promotion ab. Seine Dissertation im Fach Philosophie behandelt »Die erkenntnistheoretischen Grundlagen in der Ethik Kants« und wird von Robert Reininger und Karl Bühler begutachtet. Die Note wird zusammen mit dem zweistündigen Rigorosum festgelegt und lautet einstimmig: »ausgezeichnet«. Das gleiche Ergebnis hat das einstündige Rigorosum in Anglistik. Gleich danach absolviert Redl dann auch die didaktisch-pädagogische Ausbildung im sogenannten »Probejahr« an einem Gymnasium und ist dann mehrere Jahre als Gymnasiallehrer tätig.

Zusammenfassend lässt sich zu Redl sagen, dass er – vielleicht ernsthafter und gründlicher als die anderen – sich den Inhalten seiner Studienfächer (Philosophie und englische sowie deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft) widmete, weil er gleich anschließend, ebenfalls anders als die anderen drei, in den Schuldienst eintreten wollte, was er auch tat. Da er viele soziale Kontakte pflegte und weitherum als anregender Gesprächspartner, sogar als charmanter Causeur, geschätzt und gesucht wurde, tauschte er sich auch mit denen aus, für die die Psychoanalyse eine aufregende neue Entwicklung – auch und vor allem jenseits der therapeutischen Anwendung – war. Aber auch in seinem Fall geschah dies hauptsächlich außerhalb seines Studiums.

2.5 Zwischenfazit

Bevor die Inhalte der verschiedenen Studienfächer einer genaueren Betrachtung unterzogen werden, sei in einer tabellarischen Übersicht zusammengestellt, von wann bis wann die vier hier behandelten Studenten an der Universität Wien studiert haben und welche Begegnungsmöglichkeiten sich daraus ergaben.

Bernfeld Hoffer Bettelheim Redl
Studienbeginn WS 1911/12 SS 1920 WS 1921/22
nochmals WS 1936/37
WS 1921/22
Studienende SS 1915 WS 1921/22 WS 1926/27 bzw. SS 1937 SS 1925
Promotion SS 1915 SS 1922 SS 1937 SS 1925

Tabelle 1: Studienzeiten

Es fällt auf, dass – jedenfalls im Vergleich zu heute – die Studienzeiten relativ kurz waren, nämlich in der Regel acht Semester, und dass das Studium auch gleich mit einer Promotion abgeschlossen wurde. Lediglich bei Bettelheim dauerte es aus den dargestellten Gründen länger, nämlich zunächst zehn Semester (unter Auslassung des Sommersemesters 1926) und dann nach Wiederaufnahme des Studiums nochmals zwei Semester. Bei Hoffer fällt die relativ kurze Studiendauer auf, was aber damit zusammenhängt, dass ihm die zuvor absolvierten Semester an der Wiener Tierärztlichen Hochschule auf sein naturwissenschaftliches Studium angerechnet wurden.

Bernfeld gehörte einer Studentengeneration früher an als die anderen drei, sodass ihn vor allem die Inhalte der Lehrveranstaltungen bei denjenigen Professoren, bei denen später auch die anderen studierten, mit den Studenten der 1920er-Jahre verbanden. Aber aufgrund der früheren Zusammenarbeit im »Kinderheim Baumgarten« verband ihn mit Hoffer eine besondere Gemeinsamkeit. Dieser pflegte auch während des Studiums die Kontakte mit Bernfeld, u.a. indem er mit ihm im »Jüdischen Institut für Jugendforschung und Erziehung« zusammenarbeitete und in den von Bernfeld herausgegebenen »Studien zur Jugendforschung« eigene Beiträge publizierte. Damit hielt er auch Kontakt zur Psychoanalyse.

Redl und Bettelheim begannen ihr Studium im selben Semester, sodass sie mit ihren Interessen für Philosophie, Geisteswissenschaften und Psychologie teilweise dieselben Lehrveranstaltungen belegten (z.B. bei dem Philosophen Reininger, dem Literaturwissenschaftler Castle und dem Psychologen Bühler), teilweise aber wegen des weitergespannten thematischen Interesses Bettelheims sich auch auf unterschiedliche Lehrveranstaltungen konzentrierten. Selbst wenn Bettelheim sein Studium zunächst ohne Abschluss abbrach (bzw. unterbrach, wie die spätere Wiederaufnahme zeigen sollte), war ein dauerhafter freundschaftlicher Kontakt zwischen beiden entstanden, der auch in den USA Bestand hatte, als sie sich über ihre Arbeit mit psychisch und sozial schwergestörten Kindern austauschten.

Die voranstehende Dokumentation der Lehrveranstaltungen, die von den (späteren) Psychoanalytischen Pädagogen an der Universität Wien belegt wurden, inklusive der Inhalte ihrer Dissertationen, mit denen sie ihre Studien abschlossen, wie auch die Charakterisierung der wissenschaftlichen Profile ihrer Professoren, die sich aus deren Schriften erschließen lassen, bestätigt die Ausgangsthese, dass die Psychoanalyse und die Psychoanalytische Pädagogik in den akademischen Lehrveranstaltungen keine Rolle spielten, sondern, wie allgemein im akademischen Bereich jener Zeit üblich, völlig oder weitgehend ignoriert wurde.

Gleichwohl lohnt es sich, der Frage nachzugehen, welche möglichen längerfristigen Wirkungen das Studium auf die beruflichen Lebenswege der hier behandelten Psychoanalytischen Pädagogen hatte. Denn eine Studienzeit von (zumeist) vier Jahren Dauer hat, allgemein gesprochen, wichtige Einflüsse nicht nur auf die Persönlichkeitsentwicklung, sondern auch auf den Bildungshorizont sowie auf spezifische Wissensbestände und kognitive Orientierungen im Hinblick auf die künftige berufliche Tätigkeit. Deshalb ist zu fragen: Sind spezifische intellektuelle Prägungen oder Wirkungsspuren der studierten Fächer auch später noch erkennbar? Um diese Frage zu untersuchen, sollen nachfolgend die studierten Fächer und Fächergruppen näher charakterisiert werden.

3 Charakteristik der studierten Fächer

3.1 Philosophie

Philosophische Lehrveranstaltungen tauchen in unterschiedlicher Dichte in allen Studienbüchern auf: teils nur vereinzelt, weil lediglich eine Mindestanzahl von Semesterwochenstunden in Philosophie für das Studium in der Philosophischen Fakultät verpflichtend war, teils in wiederkehrender Regelmäßigkeit, weil der ins Auge gefasste Studienabschluss (Promotion) eine Dissertation zu einem philosophischen oder philosophienahen Thema vorsah oder eine spätere gymnasiale Lehrtätigkeit in diesem Fach angestrebt wurde.

Die Verhältnisse an der Universität Wien waren nun dergestalt, dass es einerseits reine Philosophie-Lehrkanzeln gab und andererseits solche, auf denen Philosophie und Psychologie und Pädagogik von jeweils ein und derselben Person gelehrt wurden. Letzteres war insbesondere in der Zeit von Bernfelds Studium der Regelfall. In jenem Jahrzehnt wurde Philosophie in Kombination mit den Inhalten der beiden anderen Fächer von Alois Höfler, Wilhelm Jerusalem und auch von Adolf Stöhr unterrichtet, obwohl Letzterer eine Lehrkanzel nur für Philosophie innehatte. Das hing damit zusammen, dass seit spätestens dem 19. Jahrhundert die Psychologie als ein Teil der Philosophie galt, was sich auch in der Bezeichnung von Lehrdeputaten ausdrückte: »Philosophie (inklusive Psychologie)«.

Bernfeld hörte also Vorlesungen zur Philosophie vom Lehrstuhlinhaber für Philosophie Adolf Stöhr, der aber zugleich Psychologie lehrte, vom Lehrstuhlinhaber für Philosophie und empirische Psychologie Friedrich Jodl, der ebenfalls Psychologie lehrte, und vom Privatdozenten Wilhelm Jerusalem, der als ehemaliger Gymnasiallehrer außerdem Psychologie und Pädagogik, vor allem Mittelschulpädagogik, und sogar Soziologie unterrichtete. Die gleiche Mischung von Forschungs- und Lehrinteressen finden wir bei Alois Höfler, der eigentlich nur für Pädagogik berufen worden war. Im Lehrangebot von allen dreien zeigt sich, wie auch in ihren Schriften, dass sie die Pädagogik eher pflichtschuldig nebenbei betrieben, während ihr eigentliches wissenschaftliches Interesse der Philosophie galt. Theoretisch waren sie in der Schule Johann Friedrich Herbarts (1776–1841) angesiedelt, der bekanntlich ebenfalls Philosoph und Pädagoge war und dessen Lehrsatz (1843, S. 363), nach dem die Pädagogik bestimmt werde von »der praktischen Philosophie, welche das Sollen bestimmt, und der Psychologie, welche die geistige Natur des Menschen untersucht«, zur Rechtfertigung dafür diente, keine Grenzen zwischen Philosophie, Psychologie und Pädagogik zu ziehen.

Von dem Lehrangebot desjenigen Lehrstuhlinhabers, der sich ausschließlich mit Philosophie beschäftigte und seit 1913 ebenfalls an der Universität Wien lehrte, Robert Reininger, der in der Tradition von Kants Transzendentalphilosophie stand, machte Bernfeld keinen Gebrauch – und später Hoffer auch nur einmal in seinem vorletzten Semester (Sommer 1921), vermutlich nur deshalb, weil Reininger auch in seiner Doktorprüfung (Rigorosum) mitwirken sollte. Dafür belegten Redl und Bettelheim dessen Lehrveranstaltungen mehrfach und gezielt. Bettelheim nahm im Wintersemester 1923/24 auch an der Vorlesung »Die philosophischen Richtungen der Gegenwart« von Moritz Schlick teil, der 1922 die Nachfolge von Ernst Mach auf dem Lehrstuhl für Naturphilosophie angetreten hatte und als herausragender Vertreter des Logischen Empirismus zu einem wichtigen Wegbereiter des »Wiener Kreises« wurde.18

Redl war vor allem von Reiningers Stringenz des Denkens fasziniert, von der Klarheit im Aufbau von dessen Philosophie auf der Grundlage Kants und der darauf aufbauenden Erkenntnislehre, Wertphilosophie und Ethik. Dabei blieb Reininger ganz im Feld der Philosophie und vermied Vermischungen mit der Psychologie und der Pädagogik. So verwundert es nicht, dass Redl ihn zum Betreuer seiner Dissertation wählte und das Thema »Die erkenntnistheoretischen Grundlagen in der Ethik Kants« behandelte. Das lag nicht nur im Rahmen von Reiningers eigenen Arbeitsschwerpunkten (Reininger, 1900, 1911), sodass Redl sich zu Recht eine kundige inhaltliche Begleitung und eine kompetente Beurteilung seiner Doktorarbeit versprechen konnte, sondern Redls Arbeit führte auch über Reiningers bisherige Bemühungen hinaus, indem sie die Erkenntnistheorie und die Ethik Kants miteinander verknüpfte, sodass die Dissertation und das dazugehörige Rigorosum mit »ausgezeichnet« bewertet wurden.

Eine »Spätfolge« von Redls intensiver Beschäftigung mit der Philosophie – und zugleich ein aussagekräftiges Dokument, das die Inhalte und Schwerpunkte der Philosophie widerspiegelte, wie sie zu jener Zeit in der Universität und an Gymnasien gelehrt wurde – ist das »Lehrbuch für den philosophischen Einführungsunterricht, II. Teil« mit dem Titel »Einführung in die Logik und in die Philosophie« (Häußler & Redl, 1934). Nicht nur der klare Aufbau (u.a. zu »Begriff«, »Urteil«, »Schluß« und zu »wissenschaftlichen Verfahrensweisen« sowie zum »Erkennen«, zum »Sein« und zu den »höchsten Werten«), sondern auch die in alle Einzelheiten hinein verständliche sprachliche Darstellung können auch heute noch als Musterbeispiel für ein gelungenes Lehrbuch gelten. Natürlich steht dieses Lehrbuch in der Tradition des deutschen Idealismus Kant’scher Prägung, wie es der Hauptströmung der seinerzeitigen universitären Philosophie entsprach, und spart vor allem die Entwicklungen der Philosophie nach Hegel aus. Auch die Psychoanalyse Freuds, die immerhin einiges beizutragen gehabt hätte zu den im Lehrbuch behandelten Themen »Seele«, »Moral«, »Weltanschauung« usw., wird hier nicht aufgenommen, obwohl Redl zu jener Zeit bereits bestens vertraut war mit den wichtigsten psychoanalytischen Schriften und selbst schon psychoanalytisch-pädagogische Aufsätze publiziert hatte.

Allerdings gibt es noch einen speziellen Aspekt in dem Lehrbuch, der ebenfalls als eine Wirkung von Redls Philosophiestudium gelten kann und mit einem persönlichen Erlebnis Redls verbunden ist: In dem Kapitel, in dem es um »Die Möglichkeit der Erkenntnis und ihre Grenzen« (S. 79–85) geht und in dem hauptsächlich Kant behandelt wird, widmet sich ein Unterabschnitt der »Philosophie des Als Ob« des Neukantianers Hans Vaihinger (S. 84f.). Vaihinger selbst lehrte nicht an der Universität Wien (sondern bis 1906 in Halle), aber sein über 800 Seiten umfassendes Buch gleichen Titels hatte seit seinem Ersterscheinen (Vaihinger, 1911) einen durchschlagenden Erfolg: Es erlebte sehr viele Auflagen (zehn bis 1927) und zusätzlich eine auf die wesentlichen Inhalte konzentrierte »Volksausgabe« (1923, mit einer 2. Auflage im Jahr darauf, nach der im Folgenden zitiert wird) sowie eine »Schulausgabe« für die preußischen Gymnasien. Außerdem wurde es in zwölf Sprachen übersetzt, was ebenfalls die Bedeutung des Werks unterstreicht. Insofern überrascht es nicht, dass Vaihingers Philosophie in Wiener studentischen Kreisen in den 1920er-Jahren häufiger Gesprächsstoff war. Redl selbst betonte später mehrfach, dass dies Buch nicht nur ihn, sondern auch seine Kommilitonen regelrecht fasziniert habe und dass es ihnen mehr Aufschluss über Schein und Sein, über Ambivalenzen im Erkenntnisprozess, über falsche, in sich widerspruchsvolle Annahmen als Fiktionen und daraus folgende richtige Schlüsse gegeben habe als die andere philosophische Literatur jener Zeit.

Exkurs: Hans Vaihinger – der Philosoph des Als-ob

Zwar nimmt auch Vaihinger (1852–1933) seinen Ausgangspunkt bei der Philosophie Kants, aber der große Unterschied zu Kant besteht darin, dass Werte und Ideale als (bloße) »Fiktionen« (Als-ob-Gegebenheiten) aufgefasst werden, um Schwierigkeiten des Denkens zu überwinden. Fiktionen in diesem Sinne sind Annahmen, die nicht mit der Wirklichkeit deckungsgleich sein müssen, ihr sogar widersprechen können, jedoch letztlich die Erkenntnis zu befördern geeignet sind. So verstanden, dient das Denken allgemein nicht, wie bei Kant, der vernunftgeleiteten Erfassung der Umwelt, sondern ihrer Bewältigung, denn mit Vernunft lässt sich vieles gar nicht in seinem Wesenskern erfassen, z.B. Ding an sich, Materie, Kraft, Unendlichkeit usw. Sie sind Hilfsannahmen, mit denen wir aber zu richtigen Erkenntnissen gelangen können. »Die fiktive Tätigkeit der Seele ist eine Äußerung der psychischen Grundkräfte, die Fiktionen sind psychische Gebilde« (Vaihinger, 1924, S. 12). Oder anders formuliert: Die fiktive Tätigkeit »ist die Produktion und Benutzung solcher logischen Methoden […], welche mithilfe von Hilfsbegriffen – denen die Unmöglichkeit eines ihnen irgendwie entsprechenden objektiven Gegenstandes an die Stirn geschrieben ist – die Denkzwecke zu erreichen sucht« (ebd., S. 13). Damit geht Vaihinger einen entscheidenden Schritt über Kant und die Philosophie des deutschen Idealismus hinaus, indem er schlussfolgert, dass »die ganze Vorstellungswelt in ihrer Gesamtheit nicht die Bestimmung hat, ein Abbild der Wirklichkeit zu sein – es ist dies eine ganz unmögliche Aufgabe –, sondern ein Instrument ist, um sich leichter in derselben zu orientieren« (ebd., S. 14f.; alle Hervorh. i.O.).19

So sehr in solchen Formulierungen auch Analogien zu psychoanalytischem Denken hergestellt werden können, um als Beispiel nur das Verhältnis von manifestem Trauminhalt zum latenten Traumgedanken oder das Verhältnis des Unbewussten (als eines reinen Konstrukts) zur sichtbaren Verhaltensäußerung zu nennen, so wenig wurde die Philosophie des Als-ob als die »sprachliche Form und Ausdrucksweise der Fiktion« (ebd., S. 94) mit der psychoanalytischen Theorie explizit miteinander in Verbindung gebracht – und dennoch spürten die Studierenden der 1920er-Jahre eine große Nähe zwischen beiden Denkrichtungen.

Nicht nur Redl, sondern auch Hoffer und Bettelheim (und viele andere aus jener Epoche, z.B. Alfred Adler) ließen sich von Vaihingers Philosophie inspirieren – ohne freilich explizite Bezüge zu dessen Werk herzustellen. Hoffer entfaltete in seiner Dissertation die »wissenschaftlichen Grundlagen der Pädagogik« am Beispiel des Kinderspiels, das großenteils ohnehin einen Als-ob-Charakter hat, d.h. eine auf Wirklichkeitserfahrungen aufbauende Fantasiewelt herstellt, die von (unbewussten) Fiktionen charakterisiert ist, welche wiederum das Kind zu neuen, realen Erfahrungen im Selbst- und Welterleben führen und ihm damit dienen kann, die Wirklichkeit zu bewältigen. Auch Bettelheims Beschäftigung mit der Kunst im Allgemeinen und der Ästhetik im Besonderen, sowohl im Studium als auch in seiner Dissertation, drang in die Welt des Scheins ein (Vaihinger nennt auch künstlerische Hervorbringungen ausdrücklich »Fiktionen«), sodass neuartige Erkenntnisse über die Realität gewonnen werden können. Und letztlich trifft auf beide wie auch auf Redl (sowie auf andere Psychoanalytische Pädagogen) zu, dass sie, als sie später mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen arbeiteten, die äußerlich sichtbaren Erscheinungen in ihrem »Als-ob-Charakter« erkannten und daraus mithilfe theoretischer Konstrukte der Psychoanalyse zu (tieferliegenden) Erkenntnissen über die Ursachen vorstoßen konnten.

Redl selbst hatte zudem das große Glück, dass Vaihinger, der, bereits hochbetagt, in Halle an der Saale lebte (wo er auch als Professor für Philosophie gewirkt hatte), auf Redls Dissertation aufmerksam wurde und den jungen Philosophen zu sich einlud, gemeinsame Ferientage mit ihm zu verbringen20. Da Redl in der Folgezeit aber von seiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer, von seiner persönlichen Analyse und von vielen anderen Publikationsprojekten absorbiert wurde und einige Jahre nach Vaihingers Tod (1933) ohnehin in die USA emigrierte, blieb die Idee, Vaihingers Philosophie und die Psychoanalyse auf einer gemeinsamen epistemologischen Grundlage miteinander in Beziehung zu setzen, unausgeführt.

An Vaihinger beeindruckte Redl auch die menschliche Zugewandtheit und die Offenheit seines Denkens – durchaus im Unterschied zu seinem akademischen Lehrer Reininger, dessen Philosophie des strengen Idealismus und des Kant’schen Kritizismus ihn eher rigide und geschlossen anmutete und der auch als Mensch wenig zugänglich war. Hinzu kam, dass er als Mitglied eines konservativ-nationalistischen Professorenkartells an der Universität Wien, das in dem (von Othenio Abel21 gegründeten) geheimen Netzwerk »Bärenhöhle« agierte (Taschwer, 2016), sich aktiv daran beteiligte, Habilitationen und Berufungen von jüdischen und liberalen bzw. »linken« Wissenschaftlern zu verhindern22 und stattdessen nationalkonservative (und antisemitische) Zeitgenossen akademisch zu fördern, so z.B. bei der umstrittenen Besetzung des Pädagogik-Lehrstuhls nach dem Tod von Alois Höfler 1922: Während in der Berufungskommission die (deutschen) Professoren Karl Bühler (mit dem Lehrgebiet »Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Psychologie und der experimentellen Pädagogik«) und Moritz Schlick (mit dem Lehrgebiet »Philosophie der induktiven Wissenschaften«) erhebliche Vorbehalte gegen den Vorschlag, Richard Meister zu berufen, erhoben, weil dessen wissenschaftliche Leistungen »nicht hinreichend« seien und stattdessen die Namen von Theodor Litt und Herman Nohl ins Spiel brachten, setzten sich am Ende Reininger und seine Gefolgsleute mit ihrem nationalkonservativen Vorschlag durch. (Meister trat dann auch bald dem erwähnten Professorenkartell »Bärenhöhle« bei.)23

Abschließend sei nochmals betont, dass der Einfluss von Vaihingers Philosophie auf das Denken der Wiener Studenten in den 1920er-Jahren als Beispiel dafür verstanden werden kann, wie die Inhalte des Studiums an der Universität an dem vorbeigehen können, was außerhalb des akademischen Bereichs als relevant erfahren wird. Das Gleiche trifft, wie gesehen, auch auf die Psychoanalyse zu, welche seinerzeit die öffentlichen Diskussionen durchzog und dennoch keine Rezeption in den Lehrveranstaltungen der Philosophischen Fakultät fand.

3.2 Pädagogik

Pädagogische Lehrveranstaltungen sind ebenfalls in allen vier Studienbüchern verzeichnet. Der Status der Pädagogik als eines akademischen Fachs unterschied sich jedoch von anderen Fächern in der Philosophischen Fakultät, denn die Pädagogik hatte es lange Zeit schwer, sich im akademischen Fächerkanon Anerkennung zu verschaffen und wissenschaftliche Selbstständigkeit zu erlangen. Das hängt wesentlich damit zusammen, dass in Österreich unter Pädagogik lange Zeit zunächst »religiöse Unterweisung« und dann bis ins 20. Jahrhundert hinein hauptsächlich schulischer Unterricht – und damit Didaktik und Methodik der Schulfächer – verstanden wurde und deshalb zwar ein obligatorischer, aber dennoch nur ein zusätzlicher Bestandteil der an der Universität stattfindenden Ausbildung der Lehrer an Gymnasien und an Lehrerbildungsanstalten war24. Diese Art von »pädagogischem Begleitstudium« (wie es später auch genannt wurde) hat in Österreich eine wechselvolle Geschichte. Zur Einordnung und zum besseren Verständnis der Situation, in der sich die Pädagogik nach dem Ersten Weltkrieg an der Universität Wien befand, sei ein kurzer historischer Rückblick eingeschoben.

Exkurs: Die allmähliche Etablierung der Pädagogik an der Universität Wien25

Noch im 18. Jahrhundert lag die »moralische und staatsbürgerliche Erziehung« in Händen von Geistlichen, die für das Priesteramt ausgebildet wurden, denn nach Ansicht des Studiendirektors der Theologischen Fakultäten in Prag und Wien, Stephan Rautenstrauch (vormals Abt des Benediktiner-Klosters Braunau), lag die Hauptabsicht des theologischen Studiums darin, »gute Seelsorger, gute Lehrer des Volkes zu bilden« (zit. n. Brezinka, 2000, S. 29). Deswegen wurden die üblichen Bereiche der Pastoraltheologie: Aszetik (Theorie der Selbstvervollkommnung), Katechetik (Theorie des Religionsunterrichts) und Homiletik (Theorie der geistlichen Beredsamkeit, d.h. Predigtkunde), durch praktische Übungen in religiöser Unterweisung und im Predigen ergänzt. Da sich die Wirksamkeit dieser »pädagogischen« Bestandteile als unzulänglich erwies, wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts »Erziehungskunde« verpflichtend gemacht für alle Studenten, die »bei einem öffentlichen Lehramte im Fache der Gymnasial- oder philosophischen Studien angestellt zu werden wünschen« (ebd., S. 38). Damit war aber noch keine eigenständige »Pädagogik« begründet, zumal die Lehre in Erziehungskunde weiterhin von (Pastoral-)Theologen übernommen wurde (deshalb auch die Nähe zur »religiösen Unterweisung«). Immerhin wurde für die Lehre das allgemein anerkannte zweibändige Lehrbuch der allgemeinen Erziehungskunde zum Gebrauche der öffentlichen Vorlesungen von Eduard Milde26 (1811, 1813) als »Vorlesebuch« vorgeschrieben.27

Erst die Ereignisse im Gefolge der Märzrevolution von 1848/49 führten zu einer Neuordnung des Gymnasiums und der Philosophischen Fakultäten. Im Rahmen einer jetzt vorgeschriebenen Prüfung der »Anstellungsfähigkeit« von Gymnasiallehrern durch dezentrale Prüfungskommissionen war zwar »Erziehungskunde« kein obligatorisches Prüfungsfach mehr, aber es galt die Anforderung, sich in Logik, Psychologie, Moralphilosophie und Pädagogik »bekannt zu zeigen« (ebd., S. 142). Eine neue »Vorschrift über die Prüfung der Candidaten an Gymnasien und Realschulen« von 1884 verlangte eine »didaktisch-pädagogische Hausarbeit«, jedoch keine Prüfung. Dennoch wurde immerhin die praktische Ausbildung im Anschluss an das jetzt auf vier Jahre verlängerte wissenschaftliche Studium an der Universität verbessert.

Die genannte Hausarbeit wurde 1897 in einer neuen Prüfungsvorschrift wieder abgeschafft. Stattdessen wurden nun im Rahmen des Universitätsstudiums »Vorlesungen über Philosophie (insbesondere Psychologie) und Pädagogik (namentlich Geschichte derselben seit dem 16. Jahrhunderte)« im Umfang von drei Stunden obligatorisch (ebd., S. 148). Im Anschluss an die Vorlesung mussten die Studenten ein Kolloquium absolvieren. 1911 wurde das Gewicht der Pädagogik im Lehramtsstudium erhöht, indem eine »philosophisch-pädagogische Vorprüfung« als verpflichtend eingeführt wurde. Die Prüfung selbst dauerte 30 Minuten und bezog sich auf »Hauptbegriffe und Hauptsätze der Erziehungs- und Unterrichtslehre und ihre theoretischen Grundlagen in Psychologie und Logik«, ferner auf einen Überblick über die bereits seit 1897 verbindlichen »Hauptmomente der Geschichte der Pädagogik des höheren Schulwesens seit dem 16. Jahrhunderte« (ebd., S. 150). Vorausgesetzt für diese Prüfung wurden Vorlesungen von je vier Stunden in Philosophie (inklusive Psychologie) und Pädagogik sowie Vorlesungen über »Schulhygiene (hygienische Pädagogik)« und »körperliche Erziehung«. Außerdem wurden Vorlesungen über die Methodik der Unterrichtsfächer empfohlen; erst 1924 wurden auch diese verbindlich gemacht.

Diese Regelungen gelten also, als die vier hier betrachteten Studenten an der Philosophischen Fakultät eingeschrieben sind. Die Lehre im Fach Pädagogik liegt zwar nicht mehr in Händen von (Pastoral-)Theologen, aber von Philosophen, welche das Fach akademisch als theoretischen »Ausläufer« der Philosophie und als praktischen »Anwendungsfall« der Psychologie betrachten. Mit anderen Worten: Da als Grundlage der Pädagogik die Psychologie (im Sinne Herbarts) angesehen wird und diese wiederum als ein wesentlicher Bestandteil der Philosophie gilt, befindet sich die Pädagogik, was ihr theoretisch-systematisches Selbstverständnis betrifft, in einer doppelten Abhängigkeit. Das führt dazu, dass die Philosophie-Professoren pädagogische Lehrveranstaltungen nur »nebenbei« anbieten. Das wiederum hängt damit zusammen, dass selbst diejenigen Professoren, denen im Rahmen ihrer Berufung ein Pädagogikpensum auferlegt worden ist, damit nicht ausgelastet sind, weil diese Pensen zu gering sind – und sie überdies ohnehin mehr der Philosophie zugeneigt sind. Das galt schon für Theodor Vogt (1865–1906), der als erster auf eine Professur für Pädagogik in Wien berufen wurde (1898). Obwohl diese Professur ausschließlich der Pädagogik gewidmet war, hielt auch Vogt die Hälfte seiner Vorlesungen über Themen der Philosophie (Brezinka, 2000, S. 283). Ähnliches galt auch für den neben ihm lehrenden Dozenten für Pädagogik, den Altphilologen Wilhelm Jerusalem, der eine lange Zeit, bis in die 1920er-Jahre hinein, pädagogische Veranstaltungen anbietet, die allerdings weniger theoretisch-systematisch angelegt sind, sondern sich praktisch auf die Gymnasialpädagogik beziehen (Jerusalem, 1912). Daneben aber hält er immer wieder Vorlesungen über Philosophie (Jerusalem, 1923), Psychologie (Jerusalem, 1902) und Soziologie (Jerusalem, 1926). Der Nachfolger Vogts auf der Lehrkanzel für Pädagogik, Alois Höfler, der von 1907 bis 1922 die Pädagogik an der Universität dominiert (Höfler, 1912), versteht sich, wie gezeigt, ebenfalls hauptsächlich als Philosoph (Höfler, 1890, 1921) und die Pädagogik als eine Anwendung der »Philosophie (insbesondere Psychologie)« (Höfler, 1897).

Grundsätzlich ändert sich die Situation im Fach Pädagogik auch nicht mit der Nachbesetzung der Lehrkanzel, auf die 1923 der Altphilologe und Didaktiker des altsprachlichen Unterrichts Richard Meister berufen wird. Zwar mischt er sich, wie schon Höfler zuvor, umtriebig in bildungspolitische Debatten jener Zeit ein und sorgt auch für schulpolitische Reformen. Eine Pädagogik im Sinne eines theoretischen Systems, wie dies für die Philosophie und die philosophisch geprägte Psychologie bereits vorliegt, findet sich jedoch bei ihm nicht und auch nicht bei den anderen, welche neben ihm die Pädagogik an der Universität Wien vertreten. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass eine solche Systematik auch in Deutschland erst im Entstehen begriffen ist. Die für das Fach bedeutenden Bücher, zum Beispiel von Eduard Spranger oder Wilhelm Flitner, erscheinen erst in den späten 1920er-Jahren, desgleichen die Zeitschrift Die Erziehung (1925), in der die (später »geisteswissenschaftlich« genannte) Pädagogik ihr zentrales Organ findet, und auch das einflussreiche fünfbändige Handbuch der Pädagogik erscheint erst am Ende des Jahrzehnts (Nohl & Pallat, 1929).

Einzelne Schriften von Spranger und Nohl sind einigen Professoren der Universität Wien aber durchaus bekannt, wie in der Diskussion um die Besetzung des pädagogischen Lehrstuhls nach der durch den Tod von Alois Höfler eingetretenen Vakanz deutlich wird, als nämlich Karl Bühler zusammen mit vier weiteren Kollegen in der Berufungskommission ein Minoritätsvotum abgibt und dabei Herman Nohl und Theodor Litt ins Spiel bringt und betont, dass es im Vergleich zu diesen beiden unmöglich sei, »einen österreichischen Dozenten von gleicher Bedeutung und Bewährung namhaft zu machen« (Brezinka, 2000, S. 369). Aber das Beharren der Kommissionsmehrheit unter Anführung des Philosophen Robert Reininger auf einer österreichischen Anschlussbesetzung ist stärker, und so wird schließlich Richard Meister berufen. Damit verbleiben die pädagogischen Lehrveranstaltungen weitestgehend in der bekannten philosophischen Tradition des 19. Jahrhunderts und orientieren sich entsprechend an den Schriften von Johann Friedrich Herbart, Tuiskon Ziller und Wilhelm Rein.

Thematisch hält ein »neuer Wind« Einzug in die Wiener Pädagogik mit Friedrich Wilhelm Foerster, der 1912 nach Wien berufen wird, aber schon 1914 einem Ruf an die Universität München folgt, sodass von den hier behandelten Psychoanalytischen Pädagogen nur Bernfeld die Gelegenheit zum Besuch von dessen Lehrveranstaltungen hat und diese auch nutzt (siehe oben). Vielleicht hätte ein längeres Verbleiben Foersters in Wien auch dazu geführt, dass die Reformpädagogik in der akademischen Pädagogik stärker rezipiert worden wäre. So aber bleibt diese weitgehend eine außeruniversitäre Strömung. Allerdings wäre auch von ihr nicht zu erwarten gewesen, dass die Psychoanalytische Pädagogik, die in den 1920er-Jahren ihre bedeutendste Ausbreitung erfährt, in der Pädagogik fruchtbare theoretische wie praktische Wirkungen entfaltet hätte, denn dafür sind sowohl die Widerstände in der traditionellen, aus der Philosophie hervorgegangenen akademischen Pädagogik zu groß (vgl. Wininger, 2011) als auch das Selbstverständnis und die anthropologische Basis der Reformpädagogik zu andersartig (vgl. Fatke, 2002). Selbst die seit Ende des 19. Jahrhunderts von Wilhelm Wundt in Leipzig ausgehende empirische, d.h. strikt naturwissenschaftliche Richtung der Psychologie auf der Grundlage von genau dokumentierten Beobachtungen und methodisch ausgewerteten Experimenten und die sich daraus entwickelnde »experimentelle Pädagogik« (z.B. von Ernst Meumann, August Wilhelm Lay u.a.) verschließen sich gegenüber der Psychoanalyse und der Psychoanalytischen Pädagogik, obwohl beide Richtungen ihren Forschungsblick auf konkrete Phänomene des Verhaltens und Erlebens richten.

In der Pädagogik an der Universität Wien zu jener Zeit beschränkt sich die »empirische« Orientierung in der Lehre von Alois Höfler und Wilhelm Jerusalem auf die – durchaus nicht gering zu schätzende! – »Praxis«. Diese wird vor allem im Rahmen von Schulpraktika geübt, und zwar bezogen auf Didaktik und Methodik des Unterrichtens, nicht aber auf – wie wir heute sagen würden – die konkrete Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen innerhalb und außerhalb der Schule. Andererseits muss festgestellt werden, dass auch die meisten Psychoanalytischen Pädagogen sich mehr für die Psychoanalyse interessieren als für die wissenschaftlichen Diskurse in der Pädagogik. Das dokumentieren ihre einschlägigen Veröffentlichungen, in denen – mit ganz geringen Ausnahmen (z.B. Redl, 1932) – keine wissenschaftstheoretische und -methodologische Bestimmung des Verhältnisses von Psychoanalyse und Pädagogik versucht wird, wie auch die Tatsache, dass Veröffentlichungen der (akademischen) Pädagogik nur höchst selten in den psychoanalytischen Zeitschriften jener Zeit (Imago – Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse, Die psychoanalytische Bewegung, Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik) rezensiert werden (von gelegentlichen Kurzbesprechungen, vor allem durch Siegfried Bernfeld, abgesehen28).

3.3 Psychologie

Psychologische Lehrveranstaltungen spielten im Studium der vier hier behandelten Psychoanalytischen Pädagogen eine gewichtige Rolle, aber in philosophischer Ausrichtung. Ohne hier auf die Geschichte der Psychologie einzugehen, was den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde, kann Folgendes festgehalten werden: Die »Seele« (griechisch psyche, lateinisch anima) ist ein Thema, das die abendländische Philosophie (und Theologie) seit der Antike durchzieht. Die Schriften von Platon (über das Schichtenmodell der Seele), von Aristoteles (über die seelischen Vermögen), von Thomas von Aquin (über das Leib-Seele-Verhältnis), von Descartes (res cogitans) sowie von Leibniz, La Mettrie, Christian Wolff bis zu Johann Friedrich Herbarts umfassendem System einer »Psychologie« (1816) sind Meilensteine einer Diskurstradition, die zu ergründen suchte, was die Seele eigentlich sei: hinsichtlich ihrer Stofflichkeit und ihrer Funktionsweisen. Bei letzteren standen die über die Sinne vermittelten Erfahrungen und Empfindungen im Mittelpunkt, aber (noch) nicht als Gegenstand empirischer Untersuchungen oder Experimente, sondern im Rahmen von metaphysischen Bestimmungsversuchen, die sich zwar der Erfahrung bedienten, aber auf Logik und Mathematik basierten, wie der aufschlussreiche Titel von Herbarts zweibändigem Werk zum Ausdruck brachte: Psychologie als Wissenschaft, neu gegründet auf Erfahrung, Metaphysik und Mathematik (Herbart 1924/25).

So verwundert es nicht, dass diese »psychologischen« Fragen auch noch im 20. Jahrhundert von Lehrstuhlinhabern der Philosophie behandelt wurden bzw. von Pädagogikprofessoren, die ihr Fach ebenfalls in der Philosophie ansiedelten. Selbst als sich Ende des 19. Jahrhunderts eine streng naturwissenschaftliche Orientierung in der Psychologie durchzusetzen begann, blieb diese (im weitesten Sinne) philosophische Orientierung als ein durchaus bedeutsamer Strang der Psychologie erhalten und etablierte sich als »verstehende« Psychologie, ausgearbeitet z.B. von Wilhelm Dilthey, Eduard Spranger, Philipp Lersch, Ludwig Klages und anderen. Sie verfolgte einen Ansatz, die den Menschen in seiner Ganzheit in den Blick nahm und – nach einer Unterscheidung des Wissenschaftsphilosophen Wilhelm Windelband (1884) – »idiographisch« verfuhr, das heißt: Einzelnes und Eigentümliches beschreibend.

Dem stand eine Orientierung gegenüber, die seelische Erscheinungen und Funktionen in kleine Einheiten aufgliederte, damit sie nach strengen naturwissenschaftlichen Maßstäben untersuchbar werden, z.B. durch exakte Beobachtungsreihen, durch Experimente und später vor allem durch Tests, sodass daraus allgemeingültige Gesetze (des Zusammenwirkens von Variablen) abgeleitet werden konnten. Diese Verfahrensweise wurde (wieder mit Windelband) »nomothetisch« genannt, das heißt: gesetzmäßige Zusammenhänge aufstellend.

Der naturwissenschaftliche Blick richtete sich konsequenterweise auf diejenigen »seelischen« Funktionen, für welche die Physiologie und die Psychophysik mit zu jener Zeit bereits entwickelten experimentellen Methoden bereitstanden. Das wurde von Wilhelm Wundt in seinem 1879 an der Universität Leipzig gegründeten Psychologischen Laboratorium aufgenommen und weiterentwickelt. Daraus entstand derjenige Zweig der Psychologie, der sich im Wesentlichen auf Wahrnehmungsvorgänge (Sinnesphysiologie), auf Vorstellungen, auf Gedächtnisleistungen, auf das Denken, Schließen und Urteilen, auf die Herausbildung der Sprache und auf das Wollen konzentrierte und deren Erforschung mithilfe von Experimenten betrieb. Entscheidend ist, dass dieser »Siegeszug« der empirisch begründeten Psychologie durch und durch eine »Bewusstseinspsychologie« blieb, welche die seit 1900 entstehende Psychologie des Unbewussten – also die Psychoanalyse, die in wissenschaftstheoretischer Hinsicht idiografisch war – entweder gänzlich ignorierte oder als unwissenschaftlich abtat, vor allem mit methodologischen Argumenten (keine kontrollierten Versuchsreihen, keine empirischen Experimente, Nichtrepräsentativität von Einzelfällen), oder aber sie mit moralischen Vorwürfen bekämpfte (alles Seelische werde aus der Triebtheorie, d.h. »aus dem Sexuellen« erklärt, woraus der weitverbreitete Vorwurf des »Pansexualismus« konstruiert wurde). In der Abwehr der Psychoanalyse, wenn auch mit unterschiedlichen Stoßrichtungen, trafen sich also beide Orientierungen, welche die akademische Psychologie jener Zeit prägten.

Die hier betrachteten vier Studenten sind in den 1920er-Jahren (Bernfeld ohnehin schon zehn Jahre früher) hauptsächlich mit der philosophisch ausgerichteten Psychologie der Herbart’schen Tradition konfrontiert. Das ändert sich, als nach dem Tod von Alois Höfler (1922) und dem von Wilhelm Jerusalem (1923) die psychologischen Lehrveranstaltungen von dem 1922 berufenen Leiter des Psychologischen Instituts Karl Bühler übernommen werden. Damit kehrt die naturwissenschaftliche Ausrichtung der Psychologie in das Studium an der Universität Wien ein (ausführlich zur Geschichte des Psychologischen Instituts Benetka, 1995). Aus der Tradition der Würzburger Denkpsychologie kommend (und damit in einer gewissen kritischen Distanz zu Wilhelm Wundt stehend), konzentriert sich Bühler in erster Linie auf die Erforschung von Denkvorgängen und die Sprachpsychologie, durchaus mit einem starken Akzent auf das Kindesalter. Dass er dabei konsequent der Bewusstseinspsychologie verhaftet bleibt, überrascht nicht (K. Bühler, 1918). Erst später, nachdem die hier behandelten Psychoanalytischen Pädagogen ihr Studium bereits beendet haben (außer Bruno Bettelheim, der ja 1937 nochmals für zwei Semester an die Universität zurückkehrt), befasst sich Bühler ausführlich und differenziert, aber auch (erwartungsgemäß) kritisch bis ablehnend mit der Psychoanalyse (K. Bühler, 1927). Das macht ihn zu einem interessanten Gesprächspartner sowohl für die Philosophie-Professoren, die sich für die experimentelle Psychologie interessieren, als auch für die psychoanalytisch Interessierten. Auch ein von Studierenden 1925 gegründeter und bis 1938 bestehender »Akademischer Verein für Medizinische Psychologie« bildet ein Forum, in dem »die Pflege der damals im offiziellen Lehrbetrieb vernachlässigten tiefenpsychologischen Schulen« betrieben wurde (Huber, 1977, S. 29). Interessanterweise gehören dem Beirat dieses Vereins neben Josef K. Friedjung, Paul Schilder und anderen Analytikern auch Karl und Charlotte Bühler an (Hirnsperger & Sonneck, 2004).

Bühlers Frau Charlotte, die nach ihrer Umhabilitation seit 1923 an der Universität Wien als Privatdozentin forscht und lehrt29 und die »Wiener Schule der Kinderpsychologie« begründet, untersucht zwar Tagebücher von Kindern und Jugendlichen und erfasst konkrete Verhaltensbeobachtungen mit detaillierten Beschreibungen, bleibt mit ihren Interpretationen aber strikt bei der Deskription von sichtbaren Phänomenen und auf der Ebene des Bewusstseins, ohne dass sie dabei freilich dem Behaviorismus, den sie bei ihren verschiedenen Forschungsaufenthalten in den USA kennengelernt hat, folgen würde. Sie hat, wie ihr Mann, ebenfalls eine übergeordnete, man könnte auch sagen: ganzheitliche Perspektive, die zudem auf die Entwicklungsprozesse in Kindheit und Jugend gerichtet ist. Auch ihr einflussreiches Buch von 1928 unterstreicht das: Kindheit und Jugend – Genese des Bewusstseins (Ch. Bühler, 1928). Insofern ist zu bedauern, dass sie von den zu jener Zeit bereits vorliegenden Beschreibungen und Erkenntnissen der Psychoanalyse und der Psychoanalytischen Pädagogik zu Entwicklungsprozessen von Kindern keine Kenntnis nimmt, sondern die Psychoanalyse zunächst schlicht ignoriert und später eine distanziert-kritische Haltung ihr gegenüber einnimmt. Erst in höherem Alter, als sie nach der Emigration mit ihrem Mann in den USA lebt, bekennt sie:

»Unsere Beziehung [zu den Psychoanalytikern] war unglücklicherweise vorwiegend negativ. […] In unserer Wiener Zeit war die Situation die, dass die Psychoanalytiker und wir im wesentlichen getrennt arbeiteten, aber dass viele unserer Schüler in beiden Gruppen tätig waren und mehrere der jüngeren Analytiker in unsere Vorlesungen und Kolloquien kamen« (Ch. Bühler, 1972, S. 29f.).30

Auch für ihre eigene Arbeit erkennt sie rückblickend die Nachteile davon, die Psychoanalyse nicht rezipiert zu haben:

»Erst hier [in den USA] fand ich es möglich, den theoretischen Kern der Analyse [d.h. Psychoanalyse] für mich klarzustellen und Stellung dazu zu nehmen. Die zwei Hauptstudien, in denen ich dies tat, sind die Artikel ›The Reality Principle‹ (1954) und ›Observations about Basic Tendencies of Human Life‹ (1959). Auf ihnen beruhen meine späteren Publikationen über den Lebenslauf« (ebd., S. 30).

Zwar wird sie dadurch noch nicht zur Psychoanalytikerin, aber immerhin nimmt sie psychoanalytische Anregungen in ihr Denken auf, die sie später in ihrem Leben in Richtung der Humanistischen Psychologie führen.

Resümierend lässt sich festhalten, dass die hier behandelten Psychoanalytischen Pädagogen in ihrem Studium an der Universität Wien auch in den Lehrveranstaltungen zur Psychologie nicht mit der Psychoanalyse in Berührung kommen, sei es in den philosophisch orientierten Lehrveranstaltungen von Jerusalem, Stöhr und Höfler oder sei es in deren »experimentellen psychologischen Übungen« oder (später) in den Psychologie-Vorlesungen und -Seminaren von Karl Bühler. Aber einen aufschlussreichen Sachverhalt gilt es noch hervorzuheben: Fritz Redl verfasst (wieder gemeinsam mit dem Gymnasiallehrer Franz Häußler) als I. Teil des bereits erwähnten Lehrbuchs für den philosophischen Einführungsunterricht ein Schulbuch für das Fach Psychologie (Häußler & Redl, 1933). Diese »Einführung in die Psychologie« ist deshalb bemerkenswert, weil hier das auch in der Universität vertretene Schulwissen zur Psychologie, und zwar sowohl der idiografischen als auch der nomothetischen Tradition, gebündelt und zugleich mit den Grundkonzepten der Psychoanalyse verknüpft wird. Bereits in der Einleitung, in der u.a. die »Grundarten seelischer Erlebnisse« (Erkennen, Fühlen, Wollen) behandelt werden, führen die Autoren die Konzepte »Unbewusstes«, »Träume«, »Fantasie«, »Lust – Unlust« ein. Auch die Kapitel der klassischen Psychologie, nämlich »Wahrnehmung«, »Vorstellung« und »Denken«, werden nicht nur mit psychoanalytischen Begriffen und Konzepten angereichert, sondern regelrecht mit ihnen integriert. Darüber hinaus vermitteln eigene Kapitel zum »Unbewusst-Seelischen«, zu »seelischen Ganzheiten« (Ich, Charakter, Gruppe) und zu den »Entwicklungsstufen des Seelischen« psychoanalytisches Denken in einer vorbildlichen Transparenz der Gliederung, einer überzeugenden Nachvollziehbarkeit der Gedankenführung und einer beeindruckenden Klarheit der sprachlichen Darstellung. Insofern ist das Buch das bemerkenswerte Ergebnis einer Verbindung von universitärer und außeruniversitärer Bildung in Sachen Psychologie. Das Buch endet mit einer Schlussfolgerung, die nochmals die notwendige und bereichernde Verknüpfung von empirischer Psychologie und verstehender Psychoanalyse (die begrifflich gar nicht genannt, sondern mit der Bezeichnung »Menschenkenntnis« umschrieben wird) betont:

»Mit einem Wort: ›Psychologie‹, als Wissenschaft von den seelischen Erscheinungen, und ›Menschenkenntnis‹, als praktische Fertigkeit geschickter Beobachtung, sind zwei getrennte Gebiete, die sich nicht aufeinander zurückführen lassen. Der Idealfall wird allerdings dann eintreten, wenn sich beide vereinigen: dann wird das wissenschaftliche Denken unendlich viele neue Anregungen aus der Fülle lebendigen Sehens heraus empfangen, und umgekehrt, was zunächst unklares, halb instinktives Erfassen des Fremdseelischen war, wird durch seinen Einbau in das systematische Wissensgebäude der Psychologie erst zu einem klaren Können und zu vertieftem Verstehen« (Häußler & Redl, 1933, S. 146).

3.4 Die anderen Fächer(gruppen): Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften

Neben den bisher charakterisierten Fächern weisen die untersuchten Studienbücher noch weitere Fächer bzw. Fächergruppen auf, zum Teil sogar in größerem Umfang als die obligatorischen Lehrveranstaltungen in Philosophie, Pädagogik und Psychologie, denn die Studenten verbanden das Studium mit der Aussicht auf eine spätere berufliche Tätigkeit. Auch wenn am Ende nur Redl mehrere Jahre als Gymnasiallehrer tätig war, hätten auch Bernfeld und Hoffer mit ihren naturwissenschaftlichen Schwerpunkten und sogar Bettelheim mit seinen kulturwissenschaftlichen Schwerpunkten die Voraussetzungen gehabt, im Anschluss an ein obligatorisches Praxisjahr in den Schuldienst einzutreten. Dass es anders kam, hatte Gründe, die außerhalb ihrer akademischen Sozialisation lagen. Gleichwohl ist anzunehmen, dass die mehrjährige Beschäftigung mit Themen und Fragestellungen der übrigen Studienfächer Spuren im Leben und im beruflichen Wirken hinterlassen haben. Dem soll im Folgenden nachgegangen werden.

So sehr beispielsweise Bernfeld auch als herausragender psychoanalytischer Denker und Redner und als Verfasser eines umfangreichen Werks in Erinnerung geblieben ist, so ist nicht zu übersehen, dass die früh im Studium erworbenen naturwissenschaftlichen Anregungen ihn lebenslang beschäftigt haben. Immer wieder trieb ihn um, ob und wie man Gefühle und Empfindungen, auch solche sexueller Natur, mit naturwissenschaftlichen Methoden exakt messen könne – in der Hoffnung, auf diese Weise Wechselbeziehungen zwischen objektiven (körperlichen) Reizen und subjektivem (seelischem) Erleben quantitativ erfassen zu können, um daraus eine Gesetzmäßigkeit abzuleiten und damit gleichzeitig an die Psychophysik des 19. Jahrhunderts anzuknüpfen (Fechner, 1860). Schon 1930 publizierte er unter dem Titel Energie und Trieb seine gemeinsam mit Sergei Feitel durchgeführten experimentellen »Psychoanalytischen Studien zur Psychophysiologie« (Bernfeld & Feitel, 1930). Auch nach der Emigration, als er in Kalifornien hauptsächlich als Lehranalytiker arbeitete (als Therapeut konnte er, weil er nicht Medizin studiert hatte, nicht tätig sein) und wertvolle Bausteine zu einer Biografie von Sigmund Freud beitrug, ließ ihn die Idee nicht los, die Libido im Sinne einer »Libidometrie« messend zu erfassen31. Zwar hat er damit keine über den engsten Kreis hinausreichende Resonanz finden können, und die Fachkollegen der amerikanischen psychoanalytischen Community sahen diesen Ansatz eher als absonderlich und abseitig an, aber es stellt immerhin unter Beweis, dass auch sein Studium naturwissenschaftlicher Fächer längerfristige Spuren bei ihm hinterlassen hat.

Hoffer, von dem wir bereits gesehen haben, dass er ähnlich wie Bernfeld in seinen ersten Semestern schwerpunktmäßig naturwissenschaftliche Fächer studierte und in der zweiten Studienhälfte das Hauptgewicht auf Philosophie, Psychologie und Pädagogik legte, hatte offensichtlich nicht vor, in den Schuldienst einzutreten, um dort beispielsweise Biologie (und/oder Philosophie) zu unterrichten. Aber es spricht viel dafür, dass die erworbene naturwissenschaftliche Orientierung sich später ebenfalls auswirkte, und zwar in der Weise, dass er nach Abschluss seines Studiums in der Philosophischen Fakultät (1922) und nach einigen beruflichen und persönlichen Erfahrungen mit der Psychoanalyse noch ein Medizinstudium an der Universität Wien absolvierte, nach dessen Abschluss (1929) er eine Zeit lang in der Wiener Psychiatrischen Universitätsklinik arbeitete. Obwohl in den 1920er-Jahren auch Nicht-Mediziner als Psychoanalytiker in der Praxis tätig werden konnten, nachdem die Frage der »Laienanalyse« in einer längeren Kontroverse von S. Freud selbst (1926e) positiv beantwortet worden war, blieb es dennoch ein Vorteil für die ärztlichen Psychoanalytiker, in der Öffentlichkeit wie auch in weiteren psychoanalytischen Kreisen, vor allem im Ausland, mit ihrer medizinischen Qualifikation akzeptiert zu werden. Diese dürfte es Hoffer auch leichter gemacht haben, später in England, wohin er mit der Freud-Familie emigriert war, über den Freud-Kreis hinaus Anerkennung zu erlangen. So konnte er nicht nur als Konsiliararzt in der Hampstead Clinic, sondern auch in anderen Krankenhäusern als Psychiater arbeiten.

»Anna Freud schätzte an ihm seine außerordentlichen, und wie sie meinte, unter Analytikern seltene Fähigkeit, die Rekonstruktionen aus den Analysen Erwachsener harmonisch mit den in direktem Kontakt mit Kindern gewonnenen Beobachtungen zu einer wahren ›psychoanalytic study of the child‹ zu kombinieren« (Seifert, 2010).

Auf der anderen Seite machten ihn die Erfahrungen, die er während des Studiums in zahlreichen philosophischen und pädagogischen Lehrveranstaltungen sammelte, sowie die intensive Auseinandersetzung mit der Wissenschaftstheorie in seiner Dissertation über die wissenschaftlichen Grundlagen der Pädagogik (am Beispiel des Kinderspiels) in Verbindung mit seinen Erfahrungen in der psychoanalytischen Erziehungsberatung und in den Ausbildungskursen für Lehrer, Fürsorger, Sozialbeamte und Kindergärtnerinnen im Psychoanalytischen Lehrinstitut der Wiener Vereinigung für Psychoanalyse (dessen Leitung in Händen von Bernfeld sowie von Anna Freud und Helene Deutsch lag) von 1934 an zu einem idealen Schriftleiter der bereits seit acht Jahren bestehenden Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik, die zu jener Zeit gemeinsam von August Aichhorn, Paul Federn, Anna Freud, Heinrich Meng, Ernst Schneider und Hans Zulliger herausgegeben wurde. In dieser Funktion hatte Hoffer großen Anteil an der publizistischen Verbreitung der Psychoanalytischen Pädagogik, auch durch eigene Beiträge, Rezensionen und Tagungsberichte – bis zum abrupten Ende durch den nationalsozialistischen »Anschluss« Österreichs 1938, woraufhin er nach London emigrierte.

Dort übernahm er folgerichtig die Schriftleitung des – als Nachfolgeorgan der Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik konzipierten und 1945 von Anna Freud gegründeten – Jahrbuchs The Psychoanalytic Study of the Child und veröffentlichte gleich im ersten Band einen programmatischen Beitrag mit dem Titel »Psychoanalytic Education«, in dem er vor allem für die englischsprachige Fachöffentlichkeit die historischen Ursprünge, die wichtigsten Theorie- und Praxisansätze (von A. Freud, O. Pfister, S. Bernfeld, A. Aichhorn, H. Zulliger) und die zukünftigen Aufgaben der Psychoanalytischen Pädagogik umriss (Hoffer, 1945). Aufgrund von Anna Freuds zunehmender Hinwendung zur psychoanalytischen Kleinkindforschung und zur Kinderpsychotherapie erfuhr dieses Jahrbuch im Lauf der folgenden Jahre eine thematische Umorientierung, bei der die Psychoanalytische Pädagogik immer mehr an Gewicht einbüßte.32 Nach Hoffers Tod 1967 veröffentlichte Anna Freud (1968) einen kurzen Beitrag, in dem sie ihn als »creator of the Vienna Psychoanalytic Training Course for Educators« würdigte, nachdem er die vorangegangenen, eher lockeren Vortragsserien wegen ihrer mangelnden Struktur als unzulänglich erkannt hatte und deshalb eine ähnliche inhaltliche und formale Strukturierung anmahnte, wie sie für die Ausbildung von Kandidaten der Psychoanalyse galten. Dieses Konzept eines zweijährigen Lehrgangs für Pädagogen, das nach 1933 am Lehrinstitut der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung verwirklicht wurde (Aichhorn, 2004), war sehr erfolgreich: »Graduates of this course are spread all over the Western world, several of them holding positions of considerable influence« (A. Freud, 1968, S. 8).

Was die geisteswissenschaftlichen Fächer Sprache und Literatur sowie Kunst und Kultur betrifft, so ist festzustellen, dass ihre Gegenstände schon längst Thema von psychoanalytischen Betrachtungen und Untersuchungen waren. S. Freud (1907a) selbst hatte mit seiner Schrift Der Wahn und die Träume in W. Jensens ›Gradiva‹ den Anstoß gegeben und sich in den beiden ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts u.a. mit der Kunst Leonardo da Vincis und Michelangelos sowie mit literarischen Werken von Goethe (Dichtung und Wahrheit), Shakespeare (Macbeth) und Ibsen (Rosmersholm) beschäftigt. Und in seinem grundlegenden Aufsatz »Der Dichter und das Phantasieren« (S. Freud, 1908e) hatte er den Zusammenhang zwischen den Fantasien des Künstlers und dem daraus entstehenden Kunstwerk erörtert.

Diese Art der »Anwendung« der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften hat viele andere, nicht nur Psychoanalytiker, sondern auch Vertreter der Geisteswissenschaften, beflügelt, mithilfe psychoanalytischer Konzepte eigene Untersuchungen an Dicht- und Kunstwerken vorzunehmen. Daraus entstand zwischen 1910 und 1930 eine reichhaltige Fachliteratur, die sich großenteils in Beiträgen der 1912 gegründeten, von Sigmund Freud herausgegebenen und von Otto Rank (als Geisteswissenschaftler) und Hanns Sachs (als Jurist) redigierten Zeitschrift Imago – Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaft niederschlug (siehe auch Sachs & Rank, 1913). Dennoch blieb im universitären Bereich diese neuartige Betrachtung von Literatur und künstlerischen Hervorbringungen weitgehend unbeachtet. Die oben genannten Lehrveranstaltungen zur Literatur- und Kunstwissenschaft, die von Hoffer, Redl und Bettelheim besucht wurden, nahmen von dieser neuen Strömung keine Kenntnis – jedenfalls ausweislich der Veröffentlichungen der Professoren, die diese Lehrveranstaltungen durchführten. In der ausbleibenden oder allenfalls mit Mängeln behafteten und deshalb partiell verfälschenden Rezeption der Psychoanalyse glichen diese Fächer, wie gesehen, auch der Philosophie (ausführlich dazu Scheidt, 1986) sowie der Psychologie (ausführlich dazu Brodthage & Hoffmann, 1981; Elliger, 1986), der Soziologie (Brauns, 1981) und auch der Theologie (Scharfenberg, 1981).

Zwar nicht auf Literatur, aber auf Sprache bezogen, verdient hervorgehoben zu werden, dass Redl mit seinem im Studium erworbenen sprachwissenschaftlichen Rüstzeug und seinen später angeeigneten psychoanalytischen Kenntnissen eine aufschlussreiche (seinerzeit unveröffentlicht gebliebene) linguistische Analyse des Wortes »Eigentlich« vorgenommen und dabei herausgearbeitet hat, dass die Verwendung des Wortes psychologisch verschiedene Signalfunktionen haben kann: »Selbstverrat«, »Selbstentlarvung«, »gesteigerte Auftriebskraft von abgewehrtem Material« oder »Widerstandsquanten aus abgewehrten Ich-(Überich-)Anteilen« (Redl, 1936). Darüber hinaus ist Redls Stil außer von der bereits erwähnten Klarheit aufgrund seines Philosophiestudiums bei Robert Reininger auch von der ausgiebigen Beschäftigung mit literarischen Kunstwerken in seinem Anglistik- und Germanistikstudium geprägt worden.

Gleiches lässt sich von Bettelheim sagen, der ebenfalls eine Vielzahl von sprachlichen Kunstwerken in seinem Studium kennenlernte und sich intensiv mit Ästhetik beschäftigte. Diese Erfahrungen kamen ihm in den USA nach seiner Emigration zugute, wo er mangels eines Medizinstudiums nicht die neben und nach seinem Studium erworbenen psychoanalytischen Kenntnisse und die in einer persönlichen Analyse gemachten Erfahrungen in einer therapeutischen Praxis einsetzen konnte. Aber als ihm eine Beschäftigung in einem groß angelegten und sehr einflussreichen schulpädagogischen Forschungsprojekt vermittelt wurde, in der von Ralph W. Tyler geleiteten »Eight-Year Study«, die von 1933 bis 1941 dauerte (Aikin, 1942), leisteten ihm seine kunsthistorischen Kenntnisse gute Dienste, als er einen Test konstruieren sollte, mit dem die Entwicklung des Kunstverständnisses von Schülerinnen und Schülern gemessen werden könnte. Desgleichen verhalf ihm seine kunsthistorische Expertise 1941 zu einer Dozentur für Kunstgeschichte am Rockford College, wo er 1942 – mit regem Zuspruch seitens der Studierenden – sogar Vorlesungen in Philosophie und Psychologie übernahm (Sutton, 1996, S. 252ff.). Auch in seinen späteren Büchern zu Märchen und zum Bücherlesen generell, mit denen er eine große Bekanntheit erlangte, scheint neben seinen psychoanalytischen Kenntnissen noch seine intensive Beschäftigung mit Literatur und Kunst aus der Wiener Zeit durch.

4 Fazit und Schluss

Wir haben gesehen, dass die Psychoanalyse und die Psychoanalytische Pädagogik in den Lehrveranstaltungen, welche von den (späteren) Psychoanalytischen Pädagogen belegt wurden, keine Rolle spielten. In gewisser Weise spiegelt diese Situation auch das Verhältnis der Universität zum politischen Umfeld jener Zeit wider: Während in der Stadt Wien seit 1919, als die Sozialdemokraten die absolute Mehrheit erlangten und in der Folge eine ganze Reihe von politischen Reformen in Gang setzten (in den Bereichen Schule, Sozialfürsorge und Wohnungsbau), ein liberales, aufgeklärtes politisches Klima herrschte33, bewahrte die Universität im Großen und Ganzen ihre konservativ-beharrende Position. Stefan Zweig (der freilich schon früher, nämlich 1900 bis 2004, studierte) bemerkte hellsichtig: »Wien, an das Alte gebunden, seine eigene Vergangenheit vergötternd, erwies sich vorsichtig und abwartend gegen junge Menschen und verwegene Experimente« (Zweig, 1942, S. 157). Die Fächer schirmten sich auch noch in den 1920er-Jahren gegen manche neuen Strömungen ab, nicht nur gegen die Psychoanalyse, sondern auch gegen die Philosophie von Schopenhauer, Feuerbach und Marx oder gegen innovative Entwicklungen in der Kunst (Expressionismus!), wobei der Antimodernismus teilweise mit Antisemitismus verknüpft wurde. Die Professorenschaft versuchte zumindest in Teilen, z.B. durch Machenschaften von im Geheimen operierenden Kartellen, eine antiliberale und antijüdische Berufungspolitik durchzusetzen und damit die Universität als ein Bollwerk reaktionärer, christlich-nationaler Ideologie zu sichern (Wassermann, 2014; Ash, 2015; Taschwer, 2016). Gleichwohl gab es auch andere Professoren, welche die Offenheit gegenüber der Moderne, die liberale Tradition wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens zu festigen versuchten, freilich mit mäßigerem Erfolg als ihre Gegner, wie die Geschichte nach 1934 (Austrofaschismus) und 1938 (nationalsozialistischer »Anschluss«) lehrte (Rathkolb, 2013). Zur Hauptsache jedoch musste aufgeklärtes, der Moderne (und damit auch der Psychoanalyse) zugewandtes Denken außerhalb der Universität gesucht und gepflegt werden, beispielsweise in solchen Vortragsreihen (über Psychoanalyse und Erziehung), die schon 1921 am Volksbildungshaus Wiener Urania veranstaltet wurden, mit Vorträgen der Ärzte Josef K. Friedjung und Eduard Hitschmann sowie der Pädagogen Siegfried Bernfeld und Hermine Hug-Hellmuth. Ferner wurden von 1922 an regelmäßig psychoanalytische Lehrkurse im psychoanalytischen Ambulatorium angeboten.

Im Rückblick auf das Studium an der Universität Wien ist es – trotz aller Einschränkungen, die wir gesehen haben – durchaus als ein Glücksfall zu bezeichnen, dass Bernfeld, Hoffer, Bettelheim und Redl so viele Anregungen mit Fernwirkungen für ihre spätere berufliche Tätigkeit erhalten haben, auch wenn diese Anregungen nicht psychoanalytischer Art waren. Aber aus Sicht der Psychoanalytischen Pädagogik ist es als ein noch größerer Glücksfall zu werten, dass sie sich neben und nach dem Studium so engagiert auf die Psychoanalyse eingelassen haben, dass sie diese ins Zentrum ihres späteren Wirkens bis an ihr Lebensende gestellt und dabei bereits in den 1920er-Jahren die Tradition der Psychoanalytischen Pädagogik (mit)begründet und sie später ausgiebig mit Theorieanstößen und Praxiskonzepten bereichert haben. Damit haben sie in herausragender Weise zu dem beigetragen, was S. Freud (1933a, S. 157) als »vielleicht das Wichtigste von allem, was die Analyse betreibt«, bezeichnete, nämlich »die Anwendung der Psychoanalyse auf die Pädagogik, die Erziehung der nächsten Generation«, die »so überaus wichtig, so reich an Hoffnungen für die Zukunft« sei.

Anmerkungen

[1]
Daneben gab es auch einige Interessierte aus der Rechtswissenschaft und den Geisteswissenschaften, aber zahlenmäßig fallen diese nicht ins Gewicht.
[2]
Dieser hatte sich für Kinderheilkunde habilitiert und hielt von 1921 an regelmäßig pädiatrische Vorlesungen, wobei er auch die Erkenntnisse der Psychoanalyse, die er sich seit 1909 als Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung angeeignet hatte, für die Kinderheilkunde fruchtbar zu machen versuchte und seine psychoanalytisch-pädagogischen Interessen (seit 1924) auch in seine schulpolitischen Aktivitäten sowie (seit 1927) in seine Tätigkeit als Schriftleiter der Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik einbrachte.
[3]
S. Freud bezeichnete die psychoanalytische Therapie (er nannte sie auch »Kur«) zwar als eine »Nacherziehung«, meinte damit aber vor allem eine Korrektur von psychischen Abweichungen im Erwachsenenalter.
[4]
Zwar wird gerade Ferenczi stets als derjenige genannt, der als erster (in seinem Vortrag 1908 auf dem Ersten Psychoanalytischen Kongress in Salzburg) das Verhältnis von Psychoanalyse und Erziehung thematisiert hat, aber seine Ausführungen blieben auf einer sehr allgemeinen Ebene ohne weiteren systematischen Erkenntnisgewinn, und er ist auch später nicht wieder auf dieses Thema zurückgekommen, sondern hat sich hauptsächlich klinischen Studien gewidmet.
[5]
Das Folgende gilt nicht für diejenigen, die einen anderen, nicht-universitären Ausbildungsgang absolvierten, wie z.B. A. Aichhorn, A. Freud oder H. Zulliger.
[6]
Das lässt sich zwar im Einzelfall nicht nachweisen, da das »An- und Abtestieren« abgeschafft worden war, aber eine persönliche Mitteilung von Fritz Redl hierzu, die sich auch auf seine Kommilitonen bezog, lässt darauf schließen. Außerdem erforderten Prüfungen zum Schluss der jeweiligen Semester immerhin ein gewisses Studienengagement.
[7]
Für wertvolle Hinweise und Anregungen danke ich Herrn Kollegen Wilfried Datler, Professor am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Wien, sehr herzlich, desgleichen den Peer Reviewers für ihre (anonymisierten) Rückmeldungen.
[8]
Die psychoanalytisch-pädagogischen Leistungen der Genannten werden als allgemein bekannt vorausgesetzt, zumal von ihnen zahlreiche Publikationen vorliegen (im Fall von Bernfeld sogar eine mehrbändige Werkausgabe, im Fall von Hoffer jedoch vergleichsweise wenige Veröffentlichungen) und es über sie auch – unterschiedlich ausführliche – Sekundärdarstellungen gibt, von denen hier stellvertretend nur die folgenden genannt seien: Dudek (2012) und Göppel (2022) für Bernfeld; A. Freud (1968) und Seifert (2010) für Hoffer; Sutton (1996) für Bettelheim; Fatke (1995) für Redl. Allerdings wird darin die Studienzeit meist nur kursorisch behandelt; lediglich Sutton und Dudek gehen etwas näher darauf ein, ohne aber die Fragen zu untersuchen, die im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen.
[9]
Diese sind dem Verfasser dankenswerterweise vom Archiv der Universität Wien zur Verfügung gestellt worden.
[10]
Zwar betraf diese Verordnung hauptsächlich »die Erwerbung der Befähigung für das Lehramt an Mittelschulen« (= Gymnasien), aber die gleiche Verpflichtung galt automatisch für alle Studierenden der Philosophischen Fakultät.
[11]
Zu weiteren Regelungen, die zu befolgen waren, siehe den Exkurs über die wechselvolle Rolle der Pädagogik im Abschnitt »Exkurs: Die allmähliche Etablierung der Pädagogik an der Universität Wien«.
[12]
Der Paläontologe gründete 1918 ein geheimes reaktionäres, antisemitisches Professorenkartell (unter der Bezeichnung »Bärenhöhle«), dem u.a. der Philosoph Robert Reininger und später der Pädagoge Richard Meister angehörten (Näheres dazu siehe unten).
[13]
Insofern ist es ungenau, wenn Kaufhold (1994, S. 27) meint, Bettelheim »studierte in Wien anfangs Germanistik, wechselte nach einigen Jahren zur Philosophie und Geschichte« (identischer Wortlaut bei Kaufhold, 2001, S. 141).
[14]
Hier irrt Nina Sutton (1996, S. 96), wenn sie meint, bei diesem Werk handele es sich um einen »Roman«; es ist aber ein sozialkritisches »Drama«.
[15]
Bei Othmar Spann, der 1919 als Professor für Nationalökonomie als ›Gegengewicht‹ gegen eine liberale Gruppierung in der Juristischen Fakultät berufen worden war und mit seinen antidemokratischen und antisemitischen Äußerungen zu einem Wegbereiter des Austrofaschismus des Schuschnigg-Dollfuß-Regimes (ab 1934) wurde (Schneller, 1970).
[16]
Ein Jahr darauf wurde Bettelheim von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager Dachau und später im Konzentrationslager Buchenwald interniert, von wo er nur durch Initiative amerikanischer Unterstützer nach knapp einem Jahr wieder freikam und dann in die USA emigrierte. 1941 wurde ihm das Doktorat durch die Nationalsozialisten wieder aberkannt, weil Juden angeblich nicht würdig seien, einen Doktortitel der Universität Wien zu führen. Der Senat der Universität Wien machte diese Entscheidung 13 Jahre nach Bettelheims Tod 2003 wieder rückgängig: https://www.forum-zeitgeschichte.univie.ac.at/literatur/wiederverleihung-der-im-ns-aberkannten-doktorgrade/
[17]
Bei Robert Lach, der wie andere, die bereits zuvor genannt wurden, Mitglied des geheimen Professorenkartells »Bärenhöhle« war, das eine gezielte antijüdische Universitätspolitik betrieb (siehe unten).
[18]
Tragischerweise wurde er 1936 von einem ehemaligen Doktoranden aus ideologischen Gründen in der Universität ermordet.
[19]
Von den vielen Publikationen über Vaihinger sei hier nur auf den aktuellen Sammelband von Neuber (2014) hingewiesen.
[20]
Persönliche Mitteilung Redls; auch Sutton (1996, S. 120) berichtet davon.
[21]
Bei ihm besuchte Willi Hoffer, wie oben erwähnt, im Sommer 1921 zwei Lehrveranstaltungen.
[22]
Promotionen waren von diesen Machenschaften offenbar nicht betroffen, wofür die Promotionen von Hoffer und Bettelheim unter Beteiligung von Reininger als Beispiele dienen können.
[23]
Vgl. hierzu auch Brezinka (2000, S. 362ff.), der jedoch den nationalistisch-antisemitischen Hintergrund nicht erwähnt.
[24]
Die Ausbildung von Lehrer*innen für die Schulen unterhalb der gymnasialen Ebene oblag diesen Lehrerbildungsanstalten. Deren Lehrpersonal jedoch und die zukünftigen Lehrpersonen an Gymnasien wurden an der Universität ausgebildet.
[25]
Die folgenden Ausführungen basieren zum größten Teil auf dem dreibändigen Werk Pädagogik in Österreich – Die Geschichte des Faches an den Universitäten vom 18. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts von Wolfgang Brezinka (2000), vor allem auf dem 1.060 Seiten umfassenden Band I, der sich mit der Universität Wien beschäftigt.
[26]
Milde wurde 1806 als kaiserlich-königlicher Hofkaplan zum »Professor der Katechetik, Didaktik und der Erziehungskunde« an der Universität Wien und damit zum ersten Lehrstuhlinhaber für dieses Fach in Österreich ernannt.
[27]
Erstaunlicherweise spielen Milde und sein zentrales Werk trotz der großen Bedeutung, die sie im 19. Jahrhundert hatten, in den pädagogischen Lehrwerken aus dem frühen 20. Jahrhundert, z.B. von Jerusalem und Höfler, keine nennenswerte Rolle mehr, was vermutlich damit zusammenhängt, dass das Fach »Erziehungskunde« im Zuge der erwähnten Neuordnung 1848/49 abgeschafft wurde. Eine neuere Auseinandersetzung mit Milde findet sich bei Breinbauer, Grimm und Jäggle (2006).
[28]
Bernfeld ist ohne Frage derjenige, der sich unter den Psychoanalytikern (und Psychoanalytischen Pädagogen) am besten in den pädagogischen Diskursen seiner Zeit auskennt. Allerdings erfolgt daraus keine systematisch-theoretische Abhandlung zum Verhältnis der beiden Disziplinen, sondern, wie im Sisyphos, eine polemische Abrechnung mit den »Pädagogikern« oder sonstige kritische Ausführungen (gesammelt in Bd. 5 der Bernfeld-Werkausgabe, 2013). Dabei galt für Bernfeld – wie für viele andere ebenfalls – die Pädagogik hauptsächlich als »Feld der Erziehung«, auf das psychoanalytische Erkenntnisse »anzuwenden« seien, anstatt dass über ein theoretisch wie praktisch wechselseitig sich befruchtendes Verhältnis reflektiert würde.
[29]
Lehrveranstaltungen von ihr tauchen in den hier untersuchten Studienbüchern allerdings nicht auf.
[30]
Ähnliches bestätigte Fritz Redl in einer mündlichen Mitteilung.
[31]
Seine Arbeiten zu dieser Thematik sind neuerdings unter dem Titel Psychoanalytische Studien zur Psychophysiologie in Band 11 der Bernfeld-Werkausgabe gesammelt.
[32]
Dennoch beschäftigte sich Hoffer nach dem Zweiten Weltkrieg erneut mit Fragen der Psychoanalytischen Pädagogik, sowohl in fachwissenschaftlichen Beiträgen als auch in Vorträgen und Kursen im Rahmen des Frankfurter Sigmund-Freud-Instituts, das er 1950 – als »Institut und Ausbildungszentrum für Psychoanalyse und Psychosomatik« – mitbegründen half.
[33]
Das versah diese Zeit mit dem Etikett »Rotes Wien« – bis 1934 der sog. »Ständestaat« mit autoritären, präfaschistischen Zügen an seine Stelle trat.

Literatur

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The study careers of future renowned psychoanalytic pedagogues at the university of Vienna in the 1920s

An examination of their academic transcripts

Summary: Based on four students who studied at the University of Vienna in the 1910s and 1920s and who later achieved great fame as psychoanalytic pedagogues (Siegfried Bernfeld, Willi Hoffer, Bruno Bettelheim, and Fritz Redl), the study examines, on the basis of their academic transcripts, what exactly they studied and whether or not this is related to their later psychoanalytic-pedagogical activity. For this purpose, it is documented which courses the aforementioned were enrolled in. Then the contents of the subjects (philosophy, pedagogy, psychology, and some others) are characterized in more detail, as they can be inferred from the writings of the professors who taught these subjects. In doing so, the subjects are also placed in the corresponding disciplinary-historical and university-politi­cal context. The focus is on the question of the extent to which psychoanalysis and psychoanalytic pedagogy, which had already been developed by that time, played a role in these subjects. In addition, the question of what influences the studied subjects as a whole had on the later work of the four individuals beyond their specific psychoanalytic-pedagogical activities is explored. This reconstruction of part of the intellectual biographies of four prominent psychoanalytic pedagogues attempts to fill a hitherto existing gap in the prehistory of psychoanalytic pedagogy.

Keywords: psychoanalysis, psychoanalytic pedagogy, Vienna Universitity, study contents, Siegfried Bernfeld, Willi Hoffer, Bruno Bettelheim, Fritz Redl, professional careeer

Biografische Notiz

Reinhard Fatke, Dr. rer. soc., ist emeritierter Professor für Pädagogik mit besonderer Berücksichtigung der Sozialpädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich. Arbeitsschwerpunkte: Theorie und Geschichte der Psychoanalytischen Pädagogik, Ausdrucksformen des Kinder- und Jugendlebens (insbesondere Fantasie), Devianz, Suizidalität.

Kontakt

E-Mail: fatke@ife.uzh.ch