Rolf Göppel
Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik • Band 31 (2025), 17–38
https://doi.org/10.30820/0938-183X-2025-31-17 CC BY-NC-ND 4.0 https://jahrbuch-psychoanalytische-paedagogik.deZusammenfassung: Der Beitrag fragt zunächst danach, was mit der metaphorischen Rede vom »pädagogischen Blick«, der im Titel dieses Jahrbuchs verwendet wird, gemeint sein soll und bringt dann in Erinnerung, dass die Diskussion über die Spezifika des »pädagogischen Blicks« auch ganz am Anfang der jüngeren Geschichte der psychoanalytischen Pädagogik schon einmal eine prominente Rolle gespielt hat. Im Weiteren wird dann an markanten Beispielen gezeigt, dass es im Laufe der Geschichte der psychoanalytischen Pädagogik durchaus sehr unterschiedliche Varianten des »psychoanalytischen Blickes« gab, sprich, unterschiedliche Ausrichtungen der Wahrnehmung, unterschiedliche Muster der Deutung von psychischen Zusammenhängen und unterschiedliche Ansichten bezüglich angemessener Handlungsweisen in pädagogischen Konfliktsituationen.
Schlüsselwörter: Geschichte der Psychoanalytischen Pädagogik, Psychoanalytische Deutungsmuster, Symbolik, Übertragung, Szenisches Verstehen
Diese Frage mag zunächst etwas merkwürdig klingen, obwohl sie ja direkten Bezug auf den Titel des Jahrbuchs 31 nimmt. Soll man etwa den psychoanalytischen Pädagogen an einer speziellen Art des Blicks erkennen? Der menschliche Blick und der Austausch der Blicke, das ist ja eine der vielschichtigsten und subtilsten Angelegenheiten im Gefilde des Menschlichen. Entsprechend hat das Phänomen des menschlichen Blickes immer wieder auch die Philosophen, Psychologen und Pädagogen beschäftigt (vgl. Sartre, 1994; Reich, 1998; Dammberger, 2011; Ricken, 2016).
Es gibt eine bedeutsame Ebene der Kommunikation, die nur auf der Basis von Blicken funktioniert. Gute Filme spielen oft gekonnt mit solchen Dialogen der Blicke. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Hauptrichtungen der Begriffsverwendung im Bezug auf den menschlichen Blick: Einmal als Ausdrucksphänomen (er hat einen freundlichen, vertrauensvollen, traurigen, wütenden, frechen, lüsternen, verlegenen, verächtlichen … Blick). Die Varianten des Blicks stehen dabei verdichtet für komplexe Beziehungs- und Machtverhältnisse. Hierbei bleibt freilich im Einzelfall immer noch offen und klärungsbedürftig, was wie bewusst und gezielt in einen Blick »hineingelegt« wurde und was wie zutreffend bzw. wie missverständlich aus einem Blick »herausgelesen« wurde.
Zum anderen gibt es die Rede von einem bestimmten »Blick« auch als Wahrnehmungsphänomen (er hat einen genauen, differenzierten, sensiblen, kundigen Blick auf die Dinge – u. U. auch auf die Menschen, die Kinder seiner Klasse, die Jugendlichen seiner Gruppe etc.) bzw. als Urteil über entsprechende Wahrnehmungsqualitäten. Und in diesem Zusammenhang meint die Rede von einem bestimmten »Blick« auf die Dinge, vielfach auch einfach eine bestimmte theoretische Perspektive in der Wahrnehmung und Deutung des Betrachters: etwa einen »historischen Blick«, einen »soziologischen Blick«, einen »systemischen Blick«, einen »sozialpädagogischen Blick« – oder eben einen »psychoanalytischen Blick«.
Man könnte vermutlich eine ganze Abhandlung über unterschiedliche Blickvarianten, die in der Erziehung zum Einsatz kommen, schreiben: Über die Bedeutung etwa des vorwurfsvollen, des mahnenden, des tadelnden, des aufmunternden, des zustimmenden, des stolzen, des verzeihenden oder des tröstenden Blickes in der Erziehung. Bernfeld hat in seinem »Sisyphos« den »strengen Blick« in die Reihe der gängigen »erzieherischen Maßnahmen« eingereiht und deren Grenzen aufgezeigt:
»[S]eit es Eltern gibt, seit es Erzieher gibt, ist diese uralte Skala vom strengen Blick bis zur Gefängnisstrafe, von dem milden Wort bis zur bändereichen Predigt, allüberall geübt worden. […] das Ergebnis ist die Menschheit von heute, von je. […] Den banalen, seit je gebräuchlichen Mitteln der Erziehung als solchen wohnt die umbildende idealverwirklichende Kraft nicht inne, die die Systeme der großen Pädagogiker ihnen zuschreiben. Es gibt keine Zauberei. Auch nicht durch milden Erzieherblick, nicht durch heilsame Prügel« (Bernfeld, 1925, S. 40f.).
Die Rede vom psychoanalytisch-pädagogischen Blick ist letztlich stets eine metaphorische Rede. Das, worum es diesem Blick in entsprechenden Situationen geht, ist nicht unmittelbar visuell sichtbar, in dem Sinne, dass es auch fotografierbar wäre. Es ist eher spürbar, fühlbar, ahnbar, erschließbar für denjenigen, der die entsprechenden Antennen, eben den entsprechenden Blick dafür hat. Dabei verweist die Metaphorik des »Blicks« vor allem auf Qualitäten wie Spontaneität, Unmittelbarkeit, Ganzheitlichkeit, intuitive Gewissheit des Erfassens (… mir war auf den ersten Blick klar, dass …), und steht im Gegensatz zu gründlichem Nachdenken, sorgfältigem Analysieren, methodischem Herleiten.
Die eigentümliche Frage, »Wie blickt der Psychoanalytische Pädagoge?« ist schon einmal als Zwischenüberschrift in einem Text von mir formuliert worden. Und zwar vor 40 Jahren, in der allerersten eigenen wissenschaftlichen Publikation, dem Diskussionsbericht über das von Bittner und Ertle auf dem DGfE-Kongress von 1984 initiierte Symposion mit dem Titel: »Psychoanalyse – Grundlagenwissenschaft für die Pädagogik?«, das dann ja bekanntlich zu einem bedeutsamen Ausgangspunkt für die jüngere Geschichte der Psychoanalytischen Pädagogik im deutschsprachigen Raum werden sollte. Deshalb sei hier ein Stück Selbstzitat erlaubt, um die damalige Kieler Diskussion zum Begriff des »psychoanalytischen Blicks« noch einmal zu vergegenwärtigen:
»Schäfer brachte den Begriff des ›psychoanalytischen Blicks‹ in die Diskussion ein, der offensichtlich hohe Attraktivität besaß, da er in allen möglichen Variationen – sie reichten vom ›pädagogischen Blick‹ über den ›doppelten Blick‹ bis hin zum ›psychoanalytischen Silberblick‹ – von den Diskussionsteilnehmern aufgegriffen wurde. Da der Begriff des psychoanalytischen Blicks so bereitwillig und gleichzeitig so simplifizierend in die Diskussion aufgenommen wurde, sah sich Schäfer genötigt, noch einmal klar zu stellen, was damit gemeint sein soll. Es ginge um die doppelt gerichtete Aufmerksamkeit des psychoanalytischen Pädagogen, die zum einen die rationalen Anteile der kindlichen Mitteilung sowie die objektiven Forderungen der äußeren Welt an das Kind wahrnimmt, die gleichzeitig aber auch empathisch den emotionalen Anteil der Kommunikation sowie den szenischen Kontext, in dem diese stattfindet, erfaßt. Gegen die Rede vom ›psychoanalytischen Blick‹ wurde eingewandt, daß sich Psychoanalyse in erster Linie im Medium der Sprache bewege und daß deshalb der Begriff ›psychoanalytischer Blick‹ irreführend sei. Dieser Vorwurf wurde jedoch von Schäfer mit dem Hinweis zurückgewiesen, daß dem Begriff ein erweitertes Verständnis von Blick zugrunde liege im Sinne von Aufmerksamkeit zugrunde liege, daß also Auge im Sinne dieser Definition auch das Ohr sei. Ein anderer, tiefergreifender Einwand, nämlich die Frage, ob dieser ›psychoanalytische Blick‹ nicht immer auch eine Verengung und Verzerrung der Wahrnehmung bedeute, wurde nicht weiter diskutiert. So wie dieser Begriff von der Diskussion aufgenommen wurde, und losgelöst von dem Konzept, das Schäfer damit verbindet, schien es, als könne man an ihn die Hoffnung auf eine ebenso einfache wie faszinierende Zugangsmöglichkeit zu der Ebene des Unbewußten knüpfen: So wie der erfahrene Arzt dem Patienten mit dem berühmt-berüchtigten klinischen Blick an der Nasenspitze ansieht, was ihm fehlt, so durchschaut der psychoanalytische Pädagoge mit ›psychoanalytischem Blick‹ die unbewußten Motive des Beziehungsgeflechts, in dem er steckt (lt. Leber und Trescher mit Hilfe des ›szenischen Verstehens‹, eines nicht weniger faszinierenden und suggestiv wirksamen Begriffs) – welcher Pädagoge wollte das nicht gerne? Hier drückt sich in überspitzter Form die illusionäre Erwartung aus, die viele Pädagogen auf der Suche nach dem ›pädagogischen Stein der Weisen‹ zur Psychoanalyse und wegen der Uneinlösbarkeit solcher Ansprüche notwendig zu Enttäuschungen führte. Die Psychoanalyse ist eben kein Zaubermittel, und der Prozeß des psychoanalytischen Deutens und Verstehens bleibt sowohl in der psychoanalytischen Therapie als mehr noch in der pädagogischen Interaktion, wo ja normalerweise keine Träume, keine freien Assoziationen als markante Wegweiser zu den unbewußten Konflikten bereit stehen, ein mühsamer, sehr viel Empathie und Intuition erfordernder und letztlich immer gewagter Prozeß« (Göppel et al., 1985, S. 173f.).
Im Kern von Schäfers Konzept steht die Forderung, sowohl rationale als auch emotionale als auch szenische Aspekte der Kommunikation mit dem Kind sensibel wahrzunehmen. Dies ist jedoch keineswegs die einzige Ausrichtung des Fokus, die sich im weiten Feld der Psychoanalytischen Pädagogik finden lässt. Deshalb sollen nun im Folgenden unterschiedliche Varianten des »psychoanalytisch-pädagogischen Blickes«, wie sie in der Tradition dieser »interdisziplinären Kooperation« (vgl. Bittner & Ertle, 1984) vorzufinden sind, ihrerseits genauer »in den Blick genommen« werden.
Dies ist vermutlich die älteste, »klassischste« Variante des psychoanalytischen Blicks auf pädagogische Praxis. Sie vor allem prägt Freuds bekannte und vielzitierte Beobachtungen und Deutungen kindlichen Verhaltens. Etwa das bekannte Garnrollenspiel, das er bei seinem eineinhalbjährigen Enkelkind beobachtete:
Dieses »brave Kind«, das nie weinte, wenn seine Mutter, an der es sehr hing, für einige Stunden das Haus verließ, hatte »die gelegentlich störende Gewohnheit« entwickelt, »alle kleinen Gegenstände, derer es habhaft wurde, weit weg von sich in eine Zimmerecke, unter ein Bett usw. zu schleudern«. Es begleitete dies mit einem langgezogenen »o-o-o-o«, das offenbar »fort« bedeutete.
»Ich merkte endlich, dass das ein Spiel sei, und dass das Kind alle seine Spielsachen nur dazu benütze, um mit ihnen ›fortsein‹ zu spielen. Eines Tages machte ich dann die Beobachtung, die meine Auffassung bestätigte. Das Kind hatte eine Holzspule, die mit einem Bindfaden umwickelt war. Es fiel ihm nie ein, sie zum Beispiel am Boden hinter sich herzuziehen, also Wagen mit ihr zu spielen, sondern es warf die am Faden gehaltene Spule mit großem Geschick über den Rand seines verhängten Bettchens, so dass sie darin verschwand, sagte dazu sein bedeutungsvolles ›o-o-o-o‹ und zog dann die Spule am Faden wieder aus dem Bett heraus, begrüßte aber deren Erscheinen jetzt mit einem freudigen ›Da‹. Das war also das komplette Spiel, Verschwinden und Wiederkommen, wovon man meist nur den ersten Akt zu sehen bekam, und dieser wurde für sich allein unermüdlich als Spiel wiederholt, obwohl die größere Lust unzweifelhaft dem zweiten Akt anhing« (Freud, 1920, S. 225).
Freud geht es in der Schrift »Jenseits des Lustprinzips« eigentlich um die Frage, wie es sein kann, dass der »seelische Apparat«, der seiner früheren Überzeugung nach stets nach dem Lustprinzip arbeitete, oftmals an die Wiederholung von Erlebnissen fixiert zu sein scheint, die eigentlich unlustvoll sind. In diesem Zusammenhang geht er zunächst auf die »traumatischen Neurosen« ein, jenes Phänomen, das man heute wohl als »posttraumatische Belastungsstörung« bezeichnen würde. Dann verlässt er im nächsten Kapitel dieses »dunkle und düstere Thema« und wendet sich dem Kinderspiel zu, um die »Arbeitsweise des seelischen Apparates an einer seiner frühzeitigsten normalen Betätigungen zu studieren«, nämlich dem Kinderspiel.
Er kommt schließlich zur Deutung jenes Spiels als einer Wendung des passiv Erlebten in aktive Gestaltung. Das Kind »entschädigte sich gleichsam« für das zeitweilige Weggehen der Mutter, »indem es dasselbe Verschwinden und Wiederkommen mit den ihm erreichbaren Gegenständen selbst in Szene setzte«. Es macht sich somit scheinbar »zum Herren der Situation« (ebd., S. 226) und erzielt somit einen indirekten Lustgewinn.
Auch eine andere, sehr viel ausführlichere paradigmatische Analyse einer kindlichen Verhaltenssequenz aus der Frühzeit der Psychoanalyse läuft auf eine solche symbolische Deutung hinaus, dass ein bestimmtes Objekt, das in der subjektiven Welt des Kindes mit großer Bedeutung aufgeladen wird, für etwas anderes steht. In der Geschichte vom »Kleinen Hans«, die 1909 unter dem Titel »Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben« veröffentlicht wurde, geht Freud, der um jene Zeit intensiv mit dem Phänomen der infantilen Sexualität beschäftigt war, anhand von Beobachtungsmaterial, das ihm Max Graf, der Vater des Knaben, zuschickte, der rätselhaften Furcht des kleinen Hans nach, »daß ihn auf der Gasse ein Pferd beißen werde« (ebd., S. 26). Es können hier nicht all die Details jener Geschichte dargestellt werden, in der es neben der Angst vor Pferden auch um den Wunsch, mit der Mama zu schmeicheln, um kindliche Zeugungs- und Geburtsfantasien, um die Ambivalenzen im Hinblick auf das zu erwartende Geschwisterchen sowie um das kindliche Interesse am »Wiwimacher« und um Träume von »zerwutzelten Giraffen« geht. Freud jedenfalls sieht in dem Material, das ihm der Vater des Knaben präsentiert, all jene Theoriestücke über die infantile Sexualität, über die Kastrationsangst und den Ödipuskomplex im unmittelbaren kindlichen Erleben und Verhalten bestätigt, die er zunächst aus der Analyse von erwachsenen Patienten gewonnen hatte. So zieht er denn nach mehr als 100 Seiten folgendes Fazit:
»Fassen wir zusammen, was sich bisher ergeben hat: Hinter der erst geäußerten Angst, das Pferd werde ihn beißen, ist die tiefer liegende Angst, die Pferde werden umfallen, aufgedeckt worden, und beide, das beißende wie das fallende Pferd, sind der Vater, der ihn strafen wird, weil er so böse Wünsche gegen ihn hegt« (ebd., S. 107).
Im Übrigen sei »unverkennbar, daß der feindselige Komplex gegen den Vater bei Hans überall den lüsternen gegen die Mutter verdeckt« (ebd., S. 115).
Auch hier ist als Kernmerkmal des »psychoanalytisch-pädagogischen Blickes« die symbolische Betrachtung der kindlichen »Symptome« und Verhaltensweisen überdeutlich. Zugleich wird bei der Darstellung dieser Geschichte natürlich auch ein doch sehr voreingenommener, auf Theoriebestätigung abzielender Blick offensichtlich. So verkündet Freud nicht ohne einen gewissen Stolz, »daß das Bild des kindlichen Sexuallebens, wie es aus den Beobachtungen des kleinen Hans hervortritt, in sehr guter Übereinstimmung mit der Schilderung steht, die ich in meiner Sexualtheorie nach psychoanalytischen Untersuchungen an Erwachsenen entworfen habe« (ebd., S. 89). Und der vorletzte Satz in dieser Schrift lautet gar »Ich habe aus dieser Analyse strenggenommen nichts Neues erfahren, nichts, was ich nicht schon oft in weniger deutlicher und mehr vermittelter Weise, bei anderen im reiferen Alter behandelten Patienten hatte erraten können« (ebd., S. 122).
Freud selbst blieb auch bei jenen Texten, in denen kindliches Erleben im Mittelpunkt steht, primär Forscher, dem es um Weiterentwicklung bzw. Bestätigung des psychoanalytischen Theoriegebäudes ging. Obwohl er der Psychoanalyse prinzipiell große pädagogische Relevanz zuschreibt, bekennt er doch, dass er sich früh »das Scherzwort von den drei unmöglichen Berufen als da sind: Erziehen, Kurieren, Regieren – zu eigen gemacht« habe und mit der mittleren der drei Aufgaben stets »hinreichend in Anspruch genommen« war (Freud, 1925). Der Ort an dem er dieses Bekenntnis abgibt, ist das Geleitwort für August Aichhorns Schrift Verwahrloste Jugend – Die Psychoanalyse in der Fürsorgeerziehung von 1925. Und August Aichhorn gehört nun zweifellos zu jenen »tüchtigen Mitarbeitern«, die er im ersten Satz dieses Geleitwortes anspricht, die sich in besonderer Weise um die Anwendungen der Psychoanalyse auf Theorie und Praxis der Erziehung bemüht haben.
August Aichhorn hatte sicherlich eine primär pädagogische Kernidentität. Und Freud weist auch darauf hin, dass er schon reichlich Erfahrungen in der Leitung städtischer Fürsorgeanstalten hatte, bevor er die Psychoanalyse für sich entdeckte. Auch hier kam es dann zu einem Stück »Bestätigung vorausliegender Überzeugungen« – freilich nicht wie bei Freud in dem Sinne, dass frühere psychoanalytische Erkenntnisse, die aus der Behandlung erwachsener Patienten gewonnen worden waren, nun durch die Beobachtungen von kindlichem Verhalten bestätigt wurden, sondern eher in dem Sinne, dass im Umgang mit den »verwahrlosten Jugendlichen« gewonnene intuitive sozialpädagogische Überzeugungen sich durch die Psychoanalyse klarer und expliziter begründen ließen. In diesem Sinne formuliert Aichhorn eine Art sozialpädagogisches Credo:
»Es war uns von allem Anfang an rein gefühlsmässig klar, dass wir Knaben und Mädchen und jungen Menschen im Alter von vierzehn bis achtzehn Jahren vor allem Freude zu bereiten hatten. Keinem von uns war je eingefallen, in ihnen Verwahrloste oder gar Verbrecher zu sehen, vor denen die Gesellschaft geschützt werden müsse; für uns waren es Menschen, denen das Leben eine zu starke Belastung gebracht hatte, deren negative Einstellung und deren Hass gegen die Gesellschaft berechtigt war; für die daher ein Milieu geschaffen werden musste, in dem sie sich wohl fühlen konnten« (Aichhorn, 1925, S. 130).
Man muss diese Haltung vor dem Hintergrund der damaligen »offiziellen« Tradition der Fürsorgeerziehung sehen, deren pädagogische Organisationsprinzipien und Maßnahmen vor allem um Begriffe wie »Disziplin«, »Zucht« und »Ordnung« kreisten.
Aichhorn dagegen forderte eine empathisch-solidarische Haltung und eine strikte Subjektorientierung von den Pädagogen in dem herausfordernden Feld der Fürsorgeerziehung: Auch wenn es letztlich um das Ziel einer (Wieder-)Eingliederung des »Verwahrlosten« in die Gesellschaft gehe, müsse sich der Fürsorgeerzieher zunächst »ganz einseitig und eindeutig auf die Seite des Zöglings stellen«. Es gehe darum, »von ihm selbst zu erfahren, wie er dem Leben gegenübersteht, wie es sich in ihm spiegelt«. Ja, der Fürsorgeerzieher müsse versuchen, sich so in den Jugendlichen »hineinzuleben, dass des anderen Erleben zum eigenen wird« (ebd., S. 191). Der Erzieher dürfe nicht einfach als Vertreter von Recht und Moral auftreten, und dann von diesem Überlegenheitsstandpunkt aus pädagogisch agieren, sondern, er müsse sich mit dem »Verwahrlosten« »zuerst verbünden, begreifen, dass er recht hat, mit seinem Verhalten einverstanden sein und in schwierigsten Fällen ihm gelegentlich sogar auch zu verstehen geben, dass er, der Erzieher, es auch nicht anders machen würde« (ebd., S. 190). Es geht also um einen solidarischen, identifikatorischen Blick, um den ernsthaften Versuch, die Welt mit den Augen des Gegenübers zu sehen, zu begreifen, was hier alles an Enttäuschungen, Kränkungen und Verletzungen hinter den feindseligen Haltungen und delinquenten Handlungen des oder der Jugendlichen steht.
Durch die Schaffung einer entsprechenden pädagogischen Atmosphäre, die durch »Freundschaft, Milde und Güte« charakterisiert war, sollte dann versucht werden, in dem Erziehungsheim in Oberhollabrunn eine »praktische Psychologie der Versöhnung« zu realisieren.
Eine ähnliche erzieherische Haltung fordert auch der andere große Pionier der psychoanalytischen Pädagogik, der mit seinem »Kinderheim Baumgarten« etwa um die gleiche Zeit und räumlich nicht weit entfernt davon einen weiteren klassischen Versuch der »Verwahrlostenerziehung« unternommen und darüber 1920 einen »Bericht über einen ernsthaften Versuch mit neuer Erziehung« verfasst hat.
Auf die selbstgestellte rhetorische Frage, was sie denn nun eigentlich getan hätten, um die eingefahrenen problematischen Verhaltensmuster der »verwahrlosten Kinder« zu verändern, was das Neue an ihrer Methode sei, antwortet Siegfried Bernfeld: »wir haben überhaupt sehr wenig getan« (Bernfeld, 1921, S. 119) und er stellt dann ganz prinzipiell fest: »So ist des neuen Erziehers Tun viel mehr ein Nichttun, viel mehr Beobachten, Zusehen, Leben, als ein stetes Mahnen, Strafen, Lehren, Fordern, Verbieten, Anfeuern und Belohnen« (ebd., S. 120). Es seien nicht so sehr einzelne erzieherische Maßnahmen, die ihn vom traditionellen Erzieher unterscheiden »als vielmehr seine ganze Gesinnung und Einstellung« – wenn man so will, der gesamte Blick auf die pädagogische Situation und Aufgabe. Die geforderte veränderte Einstellung bringt er an einer anderen Stelle auf folgende Formel: »unbedingte Liebe und Achtung gegenüber den Kindern; rücksichtslose Hemmung aller Macht-, Eitelkeits-, Herrscher-, Erziehergelüste in sich selber« (ebd., S. 126). Der Erzieher solle sich dem Kind gegenüber stets so freundlich und respektvoll verhalten, wie er wünscht, dass sich das Kind selbst später als Erwachsener gegenüber seinen Mitmenschen verhalten möge. Als Voraussetzung dafür, dies leisten zu können – und damit kommt ein wichtiges psychoanalytisches Theoriestück ins Spiel –, fordert er, dass dieser neue Erzieher zu seiner eigenen Kindheit »in einem ruhigen, klaren Verhältnis stehen« müsse, damit er der Gefahr entgeht, sich selbst im Gegenüber bestrafen, verurteilen oder erziehen zu wollen (ebd., S. 127). Diese Forderung, den Blick immer wieder auch offen und differenziert auf die emotionalen Regungen, die in pädagogischen Interaktionen aufseiten der Erziehenden ausgelöst werden zu richten, ist seit damals zu einem Markenzeichen der Psychoanalytischen Pädagogik geworden.
Das, was Bernfeld in jenen letzten Sätzen anspricht, ist somit ein besonders markantes und historisch durchgängiges Merkmal des psychoanalytisch-pädagogischen Blicks. Immer wieder geht es in psychoanalytischen Reflexionen pädagogischer Praxis nämlich darum, die Wahrnehmungen, Empfindungen und Handlungsweisen der beteiligten Akteure daraufhin abzuklopfen, ob und inwiefern dort Gefühle und Deutungsmuster mitschwingen, die eigentlich aus anderen Zusammenhängen stammen und andere »Objekte« aus früheren Interaktionszusammenhängen »meinen«. Es finden demnach in menschlicher Kommunikation permanent Überlagerungen von früherem und aktuellem Erleben statt. Sowohl im Hinblick auf das, was wir selbst an Gefühlen, Wünschen, Sehnsüchten, Ängsten, Hoffnungen dem aktuellen Gegenüber entgegenbringen, als auch im Hinblick auf das, was wir ihm an Ablehnung, Ärger, Arroganz, Aggression uns gegenüber unterschwellig unterstellen. In besonderer Drastik hat Siegfried Bernfeld in seinem Buch Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung diese verwickelten Verhältnisse beschrieben:
»Entsteht zwischen Kind und Erzieher überhaupt eine Beziehung, so wird unweigerlich und unvermeidlich die Ödipusbeziehung sich aus ihr entwickeln. Und zwar von beiden Seiten her. Das Kind wird den Erzieher lieben (oder hassen oder lieben und hassen), wie es Vater oder Mutter liebt oder liebte. Es bringt ihm stürmisch, hartnäckig und, wenn es sein muß, verschlagen die Wünsche entgegen, die es zu ihnen hegte, und wird sich getrieben sehen, das Schicksal zu wiederholen, das sie damals erfuhren. Und der Erzieher, was bleibt ihm anderes übrig, als diese Rolle anzunehmen, einerlei, ob er das Kind liebt oder nicht. […] Unser Erzieher liebt aber das Kind. Er spielt seine Rolle freiwillig, mit Begeisterung und Hingabe, unter dem Wiederholungszwang, wenigstens unter den Einwirkungen seines eigenen Ödipuskomplexes. Dies Kind vor ihm ist er selbst als Kind. Mit denselben Wünschen, denselben Konflikten, denselben Schicksalen. […] Und sein Tun, sein Erfüllen und Verbieten ist das seiner eigenen Eltern. Er ist in dieser pädagogischen Paargruppe zweimal enthalten: als Kind und als Erzieher. […] So steht der Erzieher vor zwei Kindern: dem zu erziehenden vor ihm und dem verdrängten in ihm. Er kann gar nicht anders, als jenes zu behandeln wie er dieses erlebte« (Bernfeld, 1925, S. 140f.).
In deutlich anderer Form hat sich August Aichhorn auf das Konzept der Übertragung bezogen. Für ihn waren die Übertragungsbeziehungen im pädagogischen Feld weniger wie bei Bernfeld eine unauflösliche schicksalhafte Verwicklung und Verkomplizierung der erzieherischen Verhältnisse und damit letztlich eine unüberwindbare Grenze der Erziehung, sondern für ihn stellten sie ein zentral bedeutsames und wirksames pädagogisch-praktisches Mittel des psychoanalytischen Pädagogen dar, etwas also, das es bewusst zu inszenieren, zu gestalten und zu nutzen galt. Der Erzieher, meint er, müsse den Verwahrlosten »in die Übertragung bringen«, ja sogar »drängen« (Aichhorn, 1925, S. 106), um überhaupt erzieherischen Einfluss auf ihn ausüben zu können. Und es darf auch nicht einfach »die Übertragung« schlechthin, sondern es muss die »positive Übertragung« sein. Diese ist in seinen Augen dadurch charakterisiert, dass eine sehr intensive, vertrauensvolle Gefühlsbindung zum Erzieher entsteht. Durch diese erst werden seine Ansichten, Forderungen und Ratschläge für den Jugendlichen überhaupt subjektiv bedeutsam und in dieser Gefühlsbindung erst kann die »Verwahrlosung ausheilen«, d. h. durch eine Veränderung der Persönlichkeitsstruktur dauerhaft überwunden werden. »Übertragung« hat also bei Aichhorn mehr mit »pädagogischem Bezug« und damit mit der Bedingung der Möglichkeit pädagogischer Einwirkung zu tun als mit einer »Grenze der Erziehung« wie bei Bernfeld.
So gibt es denn von Aichhorn diverse Schilderungen, wie er es bisweilen trickreich einfädelte, dass eine solche intensive Gefühlsbindung zustande kam. Besonders eindrucksvoll ist die Geschichte von dem »siebzehnjährigen Lebemann und Spieler«, der »innerlich verkommen, äusserlich aalglatt […] keine Angriffsfläche zu erzieherischen Einwirkungen« bot (ebd., S. 189). Als dieser sich nach einigen Monaten Aufenthalt in Oberhollabrunn noch immer jeder pädagogischen Einflussnahme entzog, eine Übertragung also nicht zustande kam, entschloss sich Aichhorn zu einem gewagten Schritt. Er provozierte den Jungen mittels »entsprechender Stimmungsbeeinflussung« zum »Durchgehen«, d. h. zur Flucht aus der Anstalt. Der Abend der Rückkehr, der so ganz anders ausfällt als der Jugendliche erwartet hatte, weil Aichhorn ihm keine Gardinenpredigt hält und auch keine Sanktionen verkündet, sondern ihn in seiner Familienwohnung am Abendessen teilhaben und ihn auch dort die erste Nacht schlafen lässt, wurde zum Wendepunkt dieser Erziehungsgeschichte:
»Ich bereitete ihm im Vorzimmer ein Lager, Franz legte sich schlafen, ich strich ihm über den Kopf und wünschte ihm eine gute Nacht. Am nächsten Morgen war die Übertragung da, so dass es erzieherisch recht gut mit ihm vorwärts ging« (ebd., S. 121f.).
»Am nächsten Morgen war die Übertragung da« – hier wie in vielen anderen Beispielen Aichhorns, kann man förmlich hören, wie dieser »psychische Mechanismus« der Übertragung »einrastet«. Die »Herstellung der Übertragung« stellte für Aichhorn die erste und grundlegendste Aufgabe des Fürsorgeerziehers dar, denn sie erst schafft die Voraussetzungen für erfolgreiche erzieherische Tätigkeit. Dass ein solch manipulatives pädagogisches Vorgehen zur Herstellung von Übertragungsbeziehungen auch seine Risiken und Problemseiten hat, ist offensichtlich. Dass Aichhorn diese nicht reflektiert, ist wohl vor allem der zeittypischen Tendenz zur Präsentation von Erfolgsbeispielen geschuldet.
Wenn es darum geht, bestimmte auffällige Veränderungen bei Kindern und Jugendlichen zu deuten, bestimmte Hemmungen in ihrer Entwicklung, bestimmte Merkwürdigkeiten in ihrem Verhalten, bestimmte Einschränkungen in ihren Tätigkeiten, bestimmte Schwierigkeiten in ihrem Lernen, bestimmte Vermeidungstendenzen in ihren Sozialkontakten, bestimmte Widerstände, wohlmeinende pädagogische Angebote für sich zu nutzen, dann finden sich in der psychoanalytisch-pädagogischen Literatur häufig Formulierungen, die auf Prozesse der »Abwehr« verweisen. Das Konzept der Abwehr stellt dabei ein sehr weites und komplexes Feld dar. Sowohl im Hinblick auf das, was da psychisch »abgewehrt« wird als auch im Hinblick darauf, womit, d. h. auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln und »Mechanismen« diese Abwehr erfolgt, bietet die psychoanalytische Theorie breiten Interpretationsspielraum. Meist geht es dabei darum, Handlungsweisen zu deuten, die merkwürdig, widersprüchlich und offensichtlich nachteilig, einschränkend und problematisch für die Entwicklung der betroffenen Person erscheinen, so als würde sie gegen ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen handeln. Typischerweise geht es bei solchen abwehrorientierten Deutungen dann darum, dem hintergründigen verborgenen Sinn und dem sekundären psychischen Gewinn, der mit jenen widersprüchlichen Verhaltensweisen verbunden ist, auf die Spur zu kommen. In pädagogischen Zusammenhängen geht es in der Regel dann natürlich auch darum, Wege zu finden, solche Einschränkungen aufzulösen und Entwicklungs- und Handlungsmöglichkeiten wieder zu erweitern.
Anna Freud hat in ihrer klassischen Schrift von 1936 Das Ich und die Abwehrmechanismen versucht, einen möglichst systematischen Überblick über die unterschiedlichen Varianten der »Abwehrmechanismen« und ihre jeweiligen Funktionsweisen zu geben. Mit engen Bezugnahmen auf das Werk ihres Vaters unterscheidet sie dabei zehn verschiedene Abwehrmechanismen: Verdrängung, Regression, Reaktionsbildung, Isolierung, Ungeschehenmachen, Projektion, Introjektion, Wendung gegen die eigene Person, Verkehrung ins Gegenteil und schließlich Sublimierung als jene Form, die am wenigsten mit neurotischer Selbsteinschränkung und am meisten mit kreativer Kulturschöpfung zu tun hat.
Besonders originell und von großem pädagogischem Interesse sind die Deutungen, die Anna Freud unter dieser Perspektive dem Phänomen der Pubertät gegeben hat. Für sie weist die Ambivalenz und Widersprüchlichkeit der pubertären Verhaltensmuster nämlich darauf hin, dass hier ein besonders intensives seelisches Geschehen im Gange ist, bei dem unbewusste Prozesse, insbesondere Abwehrprozesse, eine wichtige Rolle spielen:
»Der Jugendliche ist gleichzeitig im stärksten Maße egoistisch, betrachtet sich selbst als den Mittelpunkt der Welt, auf den das ganze eigene Interesse konzentriert ist, und ist doch wie nie mehr im späteren Leben opferfähig und zur Hingabe bereit. Er formt die leidenschaftlichsten Liebesbeziehungen, bricht sie aber ebenso unvermittelt ab, wie er sie begonnen hat. Er wechselt zwischen begeistertem Anschluß an die Gemeinschaft und unüberwindlichem Hang nach Einsamkeit; zwischen blinder Unterwerfung unter einen selbst gewählten Führer und trotziger Auflehnung gegen alle und jede Autorität. Er ist eigennützig und materiell gesinnt, dabei gleichzeitig von hohem Idealismus erfüllt. Er ist asketisch, mit plötzlichen Durchbrüchen in primitivste Triebbefriedigungen. Er benimmt sich zuzeiten grob und rücksichtslos gegen seine Nächsten und ist dabei selbst für Kränkungen aufs äußerste empfindlich. Seine Stimmung schwankt vom leichtsinnigsten Optimismus zum tiefsten Weltschmerz, seine Einstellung zur Arbeit zwischen unermüdlichem Enthusiasmus und dumpfer Trägheit und Interesselosigkeit« (A. Freud, 1936, S. 107).
Anna Freud sieht nun einen heftigen »Kampf um die Herrschaft zwischen Ich und Es« (ebd., S. 115) im Hintergrund all dieser extremen Gegensätze. Im Laufe der vorausgegangenen Entwicklungsjahre habe sich in der Regel unter dem Einfluss der Kultur und der Erziehung ein gewisses persönliches Gleichgewicht zwischen den Instanzen Es, Ich und Über-Ich herausgebildet. Wobei das »Es« hier eben das Gesamt der Triebregungen meint, die nach Lustgewinn und Befriedigung streben, das »Ich« die Seite des Subjekts, das diese Bedürfnisse wahrnimmt und sie mit den Möglichkeiten und Begrenzungen der Realität zu vermitteln versucht und das »Über-Ich« schließlich den psychischen Niederschlag der elterlichen Ge- und Verbote, welche der ungehemmten und rücksichtslosen Triebbefriedigung entgegen stehen. Das fragile Gleichgewicht zwischen diesen drei psychischen Instanzen komme nun durch den physiologisch bedingten Triebschub, der mit der Geschlechtsreife einhergeht, aus den Fugen.
Das Ich, das seinem ganzen Charakter nach auf Erhaltung von Struktur, auf Vernunft, auf Vereinbarkeit des Handelns mit den Anforderungen der Außenwelt und mit den Einschränkungen des Über-Ichs angelegt ist, kommt nun gewissermaßen in die Bredouille und bedient sich diverser Abwehrmethoden, um das alte Kräfteverhältnis wieder herzustellen. Aus diesem Kampf der »Teilpersönlichkeiten«, der »Instanzen des psychischen Apparates« ergibt sich nun nach Anna Freud der besondere spannungsreiche und widersprüchliche Charakter der Pubertätsphase.
Fritz Redl hat Anna Freuds Konzept der »Abwehrmechanismen des Ich« speziell für das Feld des Umgangs mit delinquenten Kindern adaptiert und erweitert. Mit seinem »Pioneer House« in Detroit hat er eine interessante sozialpädagogische Modelleinrichtung zur Behandlung solcher Kinder geschaffen und gemeinsam mit David Wineman über die Erfahrungen, die dort gemacht wurden, das klassische Werk Kinder, die hassen verfasst (Redl & Wineman, 1951). Redl hatte es dort nicht mit »asketischen Jugendlichen« zu tun, die sich selbst Triebbefriedigung und Genuss radikal untersagten, sondern ganz im Gegenteil mit Kindern, die tendenziell eher schrankenlos waren in ihrem Triebleben, in ihrer Gier und ihrer Destruktivität. Die Frage, die Redl besonders intensiv beschäftigte, war die, warum sich jene Kinder, deren Wut auf die Welt aufgrund der Erfahrungen, die sie in ihren desolaten und häufig gewalttätigen Familien gemacht hatten, nur allzu verständlich war, so schwer damit taten, die neuen, freundlichen und wohlwollenden Bedingungen, die sie im »therapeutischen Milieu« des Pioneer House vorfanden, auch anzunehmen und für sich zu nutzen. »Abwehr« meint hier also primär die Abwehr von wohlmeinenden pädagogischen Intentionen und Angeboten. Und dahinter steht letztlich die Abwehr der pädagogisch angesonnenen Veränderung von lange eingeschliffenen persönlichen Einstellungen und Verhaltensweisen – auch wenn diese im neuen pädagogisch-therapeutischen Milieu eigentlich dysfunktional sind. Redl ist überzeugt, dass man, um diesen Kindern helfen zu können, »genau wissen« müsse, »welche Abwehrmechanismen sie entwickelt haben, um sich gegen die Einwirkungen ihrer Umwelt zu wehren« (ebd., S. 30) und er geht davon aus, »daß sich ein Teil ihres Hasses zu einem gutausgebauten Sektor des scharfsinnig entwickelten Abwehrsystems gegen eine moralische Verflechtung mit ihrer Umwelt verfestigt hat« (ebd., S. 29). In dem Buch wird nun, mit vielfältigen Beobachtungsbeispielen unterlegt und mit sprachlich sehr originellen Namensgebungen versehen, eine differenzierte und systematische Taxonomie all jener individuellen und gruppenspezifischen Manipulationsweisen, Vermeidungstendenzen, Rechtfertigungsstrategien und »Alibi-Tricks« entwickelt, mit denen jene Kinder typischerweise die erzieherischen Bemühungen unterlaufen, um sich an ihre lange eingeübten dissozialen Verhaltensstrategien und an ihren hartnäckigen Überzeugungen von der Feindseligkeit der Erwachsenenwelt festzuklammern. In diesem Sinne sprechen die Autoren von dem Phänomen des »Behandlungsschocks« und gar von einem »Vernachlässigungsödem im ›Land, wo Milch und Honig fließt‹« (ebd., S. 227) und beschreiben u. a. die folgenden »Abwehrmechanismen«: »Das Aufspüren von ›falschen‹ Freunden«, »Sehnsucht nach Verlockung zur Delinquenz«, »Ausnützen von Stimmungslagen«, »Kultivierung von Ich-Idealen mit einem Hang zur Delinquenz«, »Gedächtnisverstopfung«, »Gruppenächtung derer, die sich bessern«, »Meiden von Personen, die der eigenen Delinquenz gefährlich werden könnten«, »Ersticken des Bedürfnisses nach Liebe, Abhängigkeit und Aktivität«, »Geschicklichkeit im Manipulieren von Menschen und Möglichkeiten«, »Vorwegnehmende Provokation«, »Planvolle Verleumdung«.
Der psychoanalytisch-pädagogische Blick ist unter dem spezifischen Fokus der »Abwehrmechanismen« also zum einen auf innere Kämpfe zwischen unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen und inkompatiblen Wünschen und Ansprüchen gerichtet, zum anderen aber auch auf äußere Kämpfe, die inszeniert werden, um an gewohnten Verhaltensstrategien, Weltsichten und Feindbildern sowie an herostratischen Idealen und negativen Identitätsaspekten festhalten zu können.
Diese Variante des psychoanalytisch-pädagogischen Blicks hat natürlich mit all den vorgenannten zu tun, hat aber doch mit ihrem Fokus auf komplexere Szenen und auf Prozesse der unbewussten Reinszenierung eine besondere, eigene Qualität und sie stellt zugleich in gewisser Weise ein Markenzeichen der jüngeren Psychoanalytischen Pädagogik Frankfurter Prägung dar. Das 30. Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik, das im Jahr 2024 erschienen ist, war unter dem Titel Szenisches Verstehen in der Pädagogik. Grundlagen, Potenziale, Reflexionen ausschließlich diesem Konzept gewidmet (Kratz & Finger-Trescher, 2024).
Dabei prägte das detektivische Bemühen, »Originalszenen« aufzuspüren, die am Beginn neurotischer Symptomentwicklungen standen, schon in den Anfängen der Psychoanalyse die großen Krankengeschichten Freuds, etwa in den »Studien zur Hysterie« aus dem Jahr 1895. Aber dort ging es primär um ganz konkrete, mit starken negativen Emotionen verknüpfte und zunächst verdrängte Episoden im Leben der Patientinnen, die Freud durch geschicktes Nachfragen, Kombinieren und Erraten als »Originalszenen« der Symptomgenese ans Tageslicht zu ziehen versuchte (vgl. Göppel, 2024).
Beim Konzept des Szenischen Verstehens, wie es dann in den 1970er Jahren von Lorenzer (u. a. 1970) und Argelander (u. a. 1966) entwickelt wurde, ging es viel stärker um die Analyse von Interaktionen und Beziehungskonstellationen im therapeutischen Prozess. Die Aufmerksamkeit war nun primär darauf gerichtet, wie der Analysand den Analytiker in seine Szenen und Spiele hineinverwickelt, wie er ihn »verwendet«, in bestimmte Rollen drängt, bestimmte Reaktionen in ihm auszulösen sucht und wie diese Interaktionsprozesse und Gefühlskonstellationen im Hier und Jetzt als Erkenntniszugang zu den prägenden Objektbeziehungen im Dort und Damals genutzt werden können. Im Fokus stehen dabei mehr prägende Einstellungen, Erwartungen und Beziehungsmuster als ganz konkrete Szenen, die in besonderer Weise Angst, Schrecken oder Ekel ausgelöst haben.
Von Leber wurde dieses Konzept dann für das pädagogische und heilpädagogische Feld fruchtbar gemacht. In diesem Sinne führt er aus, dass in jeder kindlichen Entwicklungsphase bestimmte Wünsche und Bedürfnisse besonders im Vordergrund stehen. Wie die Umwelt, konkret die Eltern und Betreuer, diesen kindlichen Wünschen und Bedürfnissen gegenüber eingestellt ist, wie sie darauf reagiert, sei
»entscheidend dafür, wie das Kind sich später seiner Mitwelt gegenüber verhält, wie es sein Leben meistert oder scheitert. Die Erfahrungen der ›Kinderstube‹ gehen untilgbar ein in sein Erleben und Verhalten. In der Kinderstube wird sozusagen inszeniert, was im späteren Leben mit wechselnden Kulissen und Requisiten gespielt wird. Wer gelernt hat, die ›Originalszenen‹ zu erkennen, dem werden sie in der Interaktion transparent« (Leber, 1975, S. 19).
Hier wird also die Theatermetaphorik von der »Inszenierung« ganz wörtlich genommen. Zugleich werden die zentrale Aufgabe und Leistung klar benannt, die dem »psychoanalytisch-pädagogischen Blick« in diesem Verständnis zukommt.
In ihrem Beitrag in dem Band Gewalttätige Kinder – Psychoanalyse und Pädagogik in Schule, Heim und Therapie hat Evelyn Heinemann besonders anschaulich demonstriert, wie gut sie im Sinne dieser »Frankfurter Schule der Psychoanalytischen Pädagogik« gelernt hat, die Originalszenen in der herausfordernden pädagogischen Interaktion zu erkennen. Dort berichtet sie in dem »Fallbeispiel Jürgen« von einem 13-jährigen Schüler, der ihr als Lehrerin an der Sonderschule für Erziehungshilfe schon im Vorfeld als »besonders aggressiv und bedrohlich« geschildert wurde und der bei ihr, schon bevor sie ihn überhaupt kennengelernt hatte, beträchtliche Ängste auslöste. Bei der ersten Begegnung im Klassenzimmer verstärkte sich die Angst noch, Jürgen drohte einerseits »auszuflippen«, zeigte sich andererseits aber bereit, mitzuarbeiten und erkennbar um Aufmerksamkeit und Anerkennung der neuen Lehrerin bemüht. Besonders der Geschichtsunterricht, in dem das Thema »Steinzeit« auf dem Programm stand, hatte es Jürgen angetan. Evelyn Heinemann fasst die Dynamik des Verstehens, die ihr durch den »psychoanalytischen Blick« ermöglicht wurde und letztlich zu einem gelingenden Prozess der Beziehungsgestaltung führte, folgendermaßen zusammen:
»Jürgen erzeugte in mir ein Gefühl extremer Unsicherheit und Angst. Jeden Moment fürchtete ich, daß seine Bereitschaft mitzuarbeiten durch plötzliche Aggression unterbrochen wird. Nur ständiger Blickkontakt und Nähe beruhigte ihn. Ich hatte kein Vertrauen. Ich verstand dies als seine innere Situation, als Wiederholung der inneren Erfahrung, einer Angst vor der Unzuverlässigkeit des anderen. Seine Aggression sah ich als Versuch, meine Nähe und Sicherheit zu erzwingen, mich zu kontrollieren. […] Besonders beruhigend wirkte auf ihn die Steinzeit. Dies war seine ersehnte Szene. In und vor der Höhle (dem Mutterleib) zu leben. Nur in der Urzeit fühlte er sich geborgen – oder wenn ich ganz dicht neben ihm stand. […] Jürgen inszenierte also erlebte Szenen von Angst und Hilflosigkeit, aber auch ersehnte Szenen von Nähe und Geborgenheit. Jürgen erzeugte in mir und bei allen Erziehern und bei der Mutter heftige Angst, die ich als meine Angst verstand, d. h., meine Gefühle (Selbstreflexion) ließen mich ihn verstehen, und ich gab ihm die beruhigende Nähe und Geborgenheit. Ich bot haltende Funktionen. Ich bot ihm soviel Nähe an, wie er nötig hatte« (Heinemann, 1992, S. 44).
Volker Fröhlich hat sich ausführlich mit dieser Fallgeschichte Heinemanns beschäftigt und kommt dabei zu dem Fazit, dass die Handlungsbegründungen, die Heinemann hier gibt, doch etwas »reflexionslastig und rationalisiert dem klassischen Ideal psychoanalytischer Erkenntnisgewinnung in der Behandlungssituation nachgestrickt« sind und dem prinzipiellen Wagnischarakter pädagogischen Handelns nicht so ganz gerecht werden (Fröhlich, 2008, S. 171f.).
Die Reihe der unterschiedlichen Sichtweisen auf erzieherische Verhältnisse und Interaktionen, die in der Tradition der Psychoanalytischen Pädagogik entwickelt wurden, soll hier abgebrochen werden. Natürlich ist es nicht so, dass es sich bei den dargestellten Varianten des psychoanalytisch-pädagogischen Blicks um ganz und gar differente, untereinander unvereinbare Sichtweisen handelt. Häufig finden sich überlagernd bei einzelnen Autoren und Autorinnen mehrere unterschiedliche der oben beschriebenen Aspekte. Sie wurden hier mehr zum Zweck der Prägnanz kategorial unterschieden und einzelnen VertreterInnen der psychoanalytisch-pädagogischen Tradition in besonderer Weise zugeordnet.
In dem oben Dargestellten ging es darum, die wichtigsten »klassischen Blickrichtungen« der Psychoanalytischen Pädagogik noch einmal systematisch geordnet darzustellen. Sicherlich ließen sich mit Blick auf die jüngere Vergangenheit und die Gegenwart auch noch weitere einflussreiche »Blickvarianten« beschreiben: Etwa der »rollenanalytische Blick« den H. E. Richter in seinem Buch Eltern, Kind und Neurose systematisch dargestellt hat, oder der »traumazentrierte« bzw. »fixierungsfixierte Blick«, der aktuell weite Verbreitung findet. Natürlich könnte man auch eine eigene Linie des »kulturkritischen Blickes« in der Psychoanalytischen Pädagogik beschreiben, in welcher der Blick kritisch auf die weiteren gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse, auf die zeittypischen Lebensbedingungen, Klassenunterschiede, Werthaltungen, Mentalitätsprägungen, Erziehungstraditionen und Autoritätsmuster gerichtet wird, in die die konkreten pädagogischen Interaktionen zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen »sozialen Orten« (Bernfeld, 1929) eingebunden sind. Häufig war und ist der psychoanalytisch-pädagogische Blick auch ein ausgesprochen »entlarvender Blick«, der die wahren Zwecke bestimmter institutioneller Regelungen oder die wahren Intentionen, die hinter bestimmten wohlklingenden Erziehungszielen und Erziehungsmethoden verborgen liegen, ideologiekritisch ans Licht zerrt. Bisweilen wurde der psychoanalytisch-pädagogische Blick auch zum prophetischen Blick, indem spekulative Prognosen darüber abgegeben wurden, welche verheerenden langfristige psychische Folgen bestimmte problematische Erziehungskonzepte unweigerlich haben würden. Gibt es jenseits all der beschriebenen Varianten doch auch etwas Allgemeines, Übergreifendes, das den »psychoanalytisch-pädagogischen Blick« auszeichnet oder besteht das einzig Verbindende in dem Anspruch, beim Blick auf die pädagogische Praxis irgendwie »tiefer«, »genauer«, »durchdringender« zu schauen, als es der pädagogische Alltagsverstand vermag? In der Einleitung zu diesem Band wird bezüglich dieser Frage einerseits auf Bittners These verwiesen, dass es ganz allgemein darum ginge, »die Dunkelstellen des pädagogischen Feldes« (Bittner, 1996, S. 259) in den Blick zu nehmen. »Dunkelstellen des pädagogischen Feldes« – dies ist natürlich wiederum eine metaphorische Rede. Wo genau soll man diese verorten? Wer hat »das pädagogische Feld« je kartografiert und entsprechende »Dunkelstellen« verzeichnet? … Handelt es sich dabei eher um Konstruktionen, um Spekulationen, um gefühlsmäßige Anmutungen, die sich beim psychoanalytischen Pädagogen einstellen, wenn er in einer pädagogischen Situation etwa den Eindruck hat, »hier liegen Spannungen in der Luft«, »hier ist etwas im Busch«, »hier dürfen scheinbar bestimmte Dinge nicht angesprochen werden«? Welche Art von Scheinwerfer braucht man, um jene Bereiche aufzuhellen? Ist die Psychoanalyse das Licht, die Lampe, die dem Pädagogen hilft, jene Dunkelstellen auszuleuchten? Unwillkürlich fühlt man sich an Siegfried Bernfeld erinnert, der in seinem Sisyphos die berühmt-berüchtigte Rede von der Pädagogik als »Tagnachtlampe« geprägt hat, von der »intensivste Dunkelheit« ausgehe (Bernfeld, 1925, S. 95). Erst beim Wiederlesen dieser Passage ist mir bewusst geworden, dass Bernfeld sich dabei offensichtlich auf ein Gedicht von Christian Morgenstern mit dem Titel Die Tagnachtlampe bezieht, in dem es heißt:
»Korf erfindet eine Tagnachtlampe,
die, sobald sie angedreht,
selbst den hellsten Tag
in Nacht verwandelt.«
Ist die Psychoanalytische Pädagogik demgegenüber als das zuverlässige Flutlicht zu verstehen, mit dem es gelingt, die Dunkelfelder des pädagogischen Feldes bis in die letzten Winkel auszuleuchten? – Das wäre wohl zu optimistisch und grandios gedacht und würde auch Bernfelds Skepsis gegenüber jener »Gruppe von Pädagogikern«, die »ihre und der Menschheit Hoffnung auf Freud gesetzt« haben (ebd., S. 146), nicht gerecht.
In der Einleitung wurde dann im Hinblick auf die Frage nach dem Allgemeinen des psychoanalytisch-pädagogischen Blicks auch noch auf eine Formulierung von mir selbst verwiesen, die 2015 entstanden war, als ich mich mit der Frage auseinandersetzte, ob und in welchem Sinne ich mich selbst eigentlich als »psychoanalytischen Pädagogen« verstehe. Den »spezifischen Reiz« der Psychoanalytischen Pädagogik habe ich damals in der Trias von Subjektorientierung, Beziehungsorientierung und Entwicklungsorientierung« festgemacht. Dem würde ich auch heute noch so zustimmen. Das sind drei Orientierungen des Blickes, die mir im Hinblick auf pädagogische Probleme in der Tat zentral erscheinen. In der Tradition der Psychoanalytischen Pädagogik sind diese drei Orientierungen auf intensive Art und Weise miteinander verknüpft und es hat sich in dieser Tradition eine besondere Achtsamkeit sowie eine differenzierte Reflexionskultur auf jene Aspekte herausgebildet. Und natürlich gibt es in dieser Tradition einen großen und beeindruckenden Fundus von (Fall-)Geschichten, aus denen man lernen kann und mittels derer man das pädagogische Verstehen einüben kann (vgl. Baacke & Schulze, 1979). Die Psychoanalytische Pädagogik hat aber sicherlich keinen Exklusivitätsanspruch auf diese Orientierungen des pädagogischen Blicks. Schon gar nicht verfügt sie über einen »Röntgenblick«, welcher quasi direkten Zugang zu den unbewussten Aspekten des pädagogischen Geschehens ermöglicht. Die Psychoanalyse stellt nicht per se das illustre Gegenstück zu jener »Tagnachtlampe« dar, von der Bernfeld im Hinblick auf die Pädagogik spottend sprach. Auch der psychoanalytisch-pädagogische Blick kann bisweilen dogmatisch werden, kann zu Blickverengungen beitragen und zur Tendenz führen, primär »selbstversteckte Ostereier« zu finden. – Womit wir zum Schluss wieder bei jenen Warnungen wären, die auch schon 1984 in jenem Kieler Diskussionsbericht eine Rolle spielten!
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Variants of the psychoanalytical-pedagogical gaze
Summary: The article begins by asking what is meant by the metaphorical term »pedagogical gaze«, which is used in the title of this yearbook, and then recalls that the discussion about the specifics of the »pedagogical gaze« also played a prominent role at the very beginning of the recent history of psychoanalytic pedagogy. He then uses striking examples to show that throughout the history of psychoanalytic pedagogy there have been very different variants of the »psychoanalytic gaze«, i. e. different orientations of perception, different patterns of interpreting psychological processes and different views on appropriate ways of acting in pedagogical conflict situations.
Keywords: history of psychoanalytic pedagogy, psychoanalytic patterns of interpretation, symbolism, transference, scenic understanding
Rolf Göppel, Dr. Phil., habil., Dipl.-Päd., ist Professor für Allgemeine Pädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg sowie ehemaliger stellv. Vorsitzender der Kommission »Psychoanalytische Pädagogik« der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE). Seine Arbeitsschwerpunkte sind Psychoanalytische Pädagogik, Kindheits- und Jugendforschung, Risiko- und Resilienzforschung, biografisch orientierte Pädagogik, Pädagogik und Zeitgeist.
Kontakt
E-Mail: goeppel@ph-heidelberg.de